FC Bayern vor der Partie gegen Madrid:Trotzig gegen die Tormaschine

Ronaldo, Özil, Benzema - na und? Der FC Bayern muss im Halbfinal-Hinspiel gegen Real Madrid versuchen, die königlichen Offensivzauberer zu bremsen. Dazu vertraut Trainer Jupp Heynckes auf Verteidigungsarbeit im Kollektiv. Für den Verein entscheidet sich, ob die Saison doch noch ein Erfolg wird - oder ob nur die Enttäuschung bleibt.

Andreas Burkert

Zwischendurch muss man sich noch einmal vor Augen halten, dass Jupp Heynckes in ein paar Wochen 67 wird. Sogar die Rentengrenze des 21. Jahrhunderts hätte er damit erreicht. Aber Heynckes arbeitet fidel weiter. Neulich hat er sogar versichert, er werde den Vertrag beim FC Bayern natürlich bis zum Sommer 2013 erfüllen. Warum auch nicht? Nicht mal in den letzten Stunden dieser enormen Anstrengung, die ein Halbfinale in der Champions League bedeutet für einen leitenden Angestellten, lässt der Trainer Verschleiß erkennen.

Er zählt die Elf des AC Mailand auf, der er 1990 während seines ersten Münchner Engagements begegnet war; er rechnet die Tore des jetzigen Gegners Real Madrid vor ("107 in der Liga, 143 in allen Wettbewerben"); er benötigt keine Übersetzung der spanischen Fragen, das Portugiesisch des brasilianischen Fernsehens bereitet ihm ebenfalls keine Probleme. Sogar eine branchenübliche Flunkerei bekommt er hin, Heynckes, der den Ruf eines Ehrenmanns vom Niederrhein besitzt. "Das mit dem Druck", sagt er, "das kann man eigentlich vergessen, den erlegt man sich selbst auf."

So stimmt das sicher nicht. Denn der FC Bayern fühlt in der Auseinandersetzung mit dem bekanntesten Fußballklub der Welt sehr wohl das, was allgemein als "Druck" bezeichnet wird. Das liegt an einer verflixten Woche, in der die Münchner soeben den nationalen Titel erneut vorzeitig Borussia Dortmund überlassen mussten.

Das kränkt sie, wie Präsident Uli Hoeneß ziemlich eindrucksvoll vorgeführt hat mit seiner Lästerei über den BVB. Um seine Befindlichkeit im Fernsehen kundzutun, hat er sonntags sogar den Krimi seiner Bayern-Basketballer gegen Bamberg vorzeitig verlassen. Da musste und sollte wenigstens etwas Druck abgelassen werden. Auch Heynckes muss ihn spüren.

Denn der Trainer und sein Team haben nun ausgerechnet gegen den spanischen Tabellenführer die zweite Chance, eine Saison zu retten, die andernfalls trotz großer Ambitionen, Investitionen und Hoffnungen als kleines Desaster enden könnte. Den Auftrag hat Hoeneß am Sonntag indirekt formuliert: "Sollten wir ins Champions-League-Finale kommen, werde ich mit Zähnen und Klauen sagen, wir haben eine super Saison gespielt - auch, wenn wir es verlieren sollten." Und wenn nicht? Dann bliebe nur der Trostpreis, der DFB-Pokal, der im Finale gegen den BVB ausgespielt wird.

Heynckes indes sieht das nicht so dramatisch. "Sie können nicht davon ausgehen, dass Sie in allen drei Wettbewerben erfolgreich sind", sagt er und amüsiert sich darüber, "dass das ja der Weltuntergang ist, wenn der FC Bayern mal ein Ziel verfehlt". Er sei die erste Saison wieder in München, argumentiert er, "wir haben in der Champions League hervorragend gespielt, wir befinden uns unter den letzten Vier und auch im Pokalendspiel, werden Vizemeister, worüber andere Mannschaften sehr froh wären". Sich freuen? Über Platz zwei? Der FC Bayern?

Finale im eigenen Stadion

Es ist wohl Heynckes' Art, die jüngste Enttäuschung abzuschütteln. Der erste Ehrenrang ist wirklich nur in der Champions League erlaubt, denn noch keine Elf hat ja das Finale im eigenen Stadion erreicht. Das wäre etwas. Ein Gesamterfolg über Real würde in München für einen enormen Druckabfall sorgen. Interne Debatten über ihn, den Trainer, über den Sportdirektor und das spielende Personal, all das hätte sich erledigt. Vielleicht nähme Jupp Heynckes einen Finaleinzug sogar zum Anlass, sich schon mit 67 - diesen Sommer - vom Stress zu verabschieden. Wer weiß das schon.

Aber erst einmal Real. Die Bayern wissen, was da auf sie zukommt. Cristiano Ronaldo, Özil, Xabi Alonso, Heynckes kann sämtliche Koryphäen aufzählen. Kapitän Philipp Lahm sagt in jedem dritten Satz, um was für ein "Spitzenteam" es sich da handelt. Aber Ronaldos Gegenspieler sagt auch: "Mir ist nicht angst." Heynckes betont zudem, es sei nicht nur Lahms Aufgabe, "Ronaldo zu bremsen - wir müssen das im Team durchführen".

Überhaupt die Defensive, auf sie sei zu achten gegen die königliche Tormaschine. Ein gutes Ergebnis für Spiel zwei, findet Lahm, sei deshalb "wenigstens ein 0:0". Schweinsteiger dürfte demnach mit Gustavo im defensiven Mittelfeld spielen und der inzwischen recht robuste Türöffner Kroos davor; Müller - wie Kroos, Boateng, Gustavo und Alaba von einer Gelbsperre fürs Rückspiel bedroht (bei Real niemand) - säße dann draußen.

Dortmund, das beteuert Lahm dann noch, spiele Dienstagabend nicht mehr mit. "Nullkommanull" stecke das in den Köpfen, "das ist ein anderer Wettbewerb". Und das ist das große Real. Die Bayern sind sogar der Meinung, dass die Entscheidung zugunsten des BVB auch etwas Positives habe. "Am Samstag in Bremen kann der Trainer doch wieder seine Leute schonen", sagt Hoeneß und ergänzt mit breitem Grinsen: "Real muss dagegen am Samstagabend im Clásico gegen Barcelona ran!"

Noch ist also nicht alles verloren; finanziell schon gar nicht, das hat Hoeneß dem spanischen Blatt As gesagt: "Alles, was wir von Januar bis Juni einnehmen, wird Überschuss sein, wir werden mindestens einen Gewinn von 20 Millionen Euro machen." Aber um Geld geht es Hoeneß gegen Real nicht. Sondern um einen Traum, das Finale daheim. Ums Münchner Ego. Und auch um den Verbleib eines guten Freundes in der Welt der Arbeit.

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