FC Bayern vor dem Spiel gegen Juventus Turin:Ohne jede Angst vor dem Aus

FC Bayern München - Hamburger SV 9:2

Daumen hoch vor dem großen Spiel: Bastian Schweinsteiger und seine Kollegen fürchten nichts und niemand. Nicht einmal die Italiener aus Turin. 

(Foto: dpa)

Die stabile Turiner Abwehr? Freistöße von Pirlo? Heldentaten von Buffon? Keine Dinge, vor denen sich der FC Bayern fürchtet. Vor dem Champions-League-Duell gegen Juventus geben sich die Münchner betont selbstbewusst. Sie haben allen Grund dazu.

Von Thomas Hummel

Ein paar Parallelen täten sich schon auf, man muss sie nur sehen wollen. Hier eine junge, vor Talent berstende deutsche Mannschaft, die endlich wieder einen Titel holen wollte. Dort eine italienische Mannschaft, die einige Jahre lang im Mittelmaß verschwunden war und bei denen immer noch ein paar WM-Helden von 2006 mitliefen. Hier sieben Spieler des FC Bayern, dort sechs von Juventus Turin. Bekanntermaßen hatten die Deutschen praktisch keine Chance, damals in Warschau im EM-Halbfinale.

Doch in München will man diese Parallelen vor dem Champions-League-Viertelfinale gegen Turin (Dienstag, 20.45 Uhr, Liveticker bei SZ.de) nicht sehen. EM-Halbfinale? "Das spielt für uns überhaupt keine Rolle", erklärte Kapitän Philipp Lahm. Eine Rechnung offen mit Gianluigi Buffon und Andrea Pirlo? "Nein, so gehe ich nicht ins Spiel", sagte Torwart Manuel Neuer.

Vor einem deutsch-italienischen Duell von Wichtigkeit wird stets die Vergangenheit bemüht. Die vielen Niederlagen der Nationalmannschaft gegen die Squadra, die vielen Tore von Superpippo Inzaghi gegen den FC Bayern. Bei den Fans löst ein Gegner aus Italien stets ein leichtes Schauern aus. Die deutschen Profis berichten dann immer, die Vergangenheit interessiere sie nicht, jedes Spiel beginne von neuem.

Doch selten haben deutsche Profis so sehr an diese Wort geglaubt wie die Spieler des FC Bayern München vor dem Treffen mit Juventus Turin. Die Münchner fühlen sich ziemlich sicher, dass sie es diesmal schaffen. Und warum auch nicht?

20 Punkte Vorsprung in der Bundesliga, Dortmund im Pokal geschlagen, gerade 9:2 gegen den Hamburger SV gewonnen. Obwohl einige Stammkräfte für den Dienstag geschont wurden. Wer würde da nicht selbstbewusst sein? "Wenn wir so spielen wie heute Abend, dann haben wir beste Aussichten, das Halbfinale zu erreichen", verkündete Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge nach dem Triumph gegen den HSV. Thomas Müller stimmte zu und betonte die Stärken seiner Mannschaft: "Die Einstellung stimmt, der Kader ist tief und wir haben sehr viel Qualität."

Die Bayern beruhigt vor allem, dass sie selbst bei einem mäßigen Spielverlauf so viel Offensivstärke einwechseln können, dass kaum ein Gegner noch Widerstand leisten kann. Vermutlich werden am Dienstag der vierfache Torschütze vom Samstag, Claudio Pizarro, und der sehr starke Xherdan Shaqiri nur auf der Bank sitzen. Außerdem muss Trainer Jupp Heynckes zwischen Thomas Müller, Arjen Robben, Toni Kroos und Franck Ribéry einen auswählen, der sich daneben setzt, wenn es los geht.

Was für ein Luxus! "Das ist für den Trainer besser, als wenn er überlegen muss, ob er elf gute Spieler zusammenbringt", findet Lahm. "Wir sind beim FC Bayern. Da gibt es mehr als elf gute Spieler, vor allem in dieser Saison." Einziges, aber nicht unerhebliches Problem ist der Ausfall von Javi Martínez wegen einer Gelbsperre. Luiz Gustavo dürfte dafür neben Bastian Schweinsteiger ins Zentrum rücken.

"Mit einem Lächeln nach Deutschland"

Trotz des 9:2 rechnet aber auch in München niemand damit, dass bei Juventus der Angstschweiß ausgebrochen ist. Auch die Turiner haben die Meisterschaft fast sicher bei neun Punkten Vorsprung, sie gewannen am Samstag das "Derby d'Italia" 2:1 bei Inter Mailand. "Wir fahren mit einem Lächeln und ohne Angst nach Deutschland", sagte Trainer Antonio Conte und forderte zugleich: "Jetzt müssen wir auch in Europa zeigen, dass wir zu Großem fähig sind."

Conte hat das in Deutschland längst verpönte 3-5-2-System reaktiviert, die drei Abwehrspieler Andrea Barzagli, Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini bildeten auch im EM-Halbfinale die Defensivwand Italiens. Kommt die Mannschaft unter Druck, rücken die Außenspieler so weit zurück, dass ein 5-3-2-System entsteht, also fünf Spieler verteidigen. Davor bilden Andrea Pirlo, Arturo Vidal und Claudio Marchisio ein schlaues, bissiges, spielstarkes Zentrum.

Manuel Neuer hat sich schon damit auseinandergesetzt, dass der Gegner plötzlich zwei Stürmer stellt: "Wichtig ist, dass die Außenverteidiger auf der Höhe sind. Es wird mit Sicherheit so sein, dass die Sturmspitzen angespielt werden, die Rechts- und Linksaußen und die Sechser vorschieben, um die Abpraller zu kriegen. Da müssen wir kompakt stehen", erläuterte Bayerns Torwart. Die Verteidigung ist das Prunkstück der Juve, seit fünf Partien gab es kein Gegentor in der Champions League.

Dennoch sucht das Team die Offensive, betreibt unheimlich viel Aufwand, der alte zynische Stil des unansehnlichen 1:0-Siegs gehört seit Trainer Conte der Vergangenheit an. Und das, obwohl das größte Personalproblem im Angriff steckt: Ob Mirko Vucinic, Alessandro Matri, Sebastiano Giovinco, Fabio Quagliarella oder der im Winter aus China geholte Nicolas Anelka - kein Angreifer konnte bislang die Schwachstelle dauerhaft beheben. Der Klub sucht für die kommende Saison weiterhin nach einem Angreifer von Format, doch das Geld sitzt in Turin nicht mehr so locker wie in der Vergangenheit.

Und so werden die Turnier vor allem ihre gepriesene Entschlossenheit auf das Spielfeld werfen, werden auf Heldentaten von Torwart Buffon vertrauen und auf ein paar Freistöße und Eckbälle von Andrea Pirlo. Der 33-Jährige hat seine formidable Form der EM mit in die Saison genommen und ließ auch nach dem Sieg bei Inter die Beobachter schwärmen: "Die Natürlichkeit seines Fußballs ist unglaublich, es ist einmalig, wie er mit dem Ball umgeht", schrieb der Corriero dello Sport.

Juves Abwehr? Buffon? Pirlo? Philipp Lahm zuckte die Schultern: "Wir wissen, dass wir jede Abwehr knacken können. Weil wir gute Spieler haben und gut kombinieren können." Ein Aus, so scheint es, würde die Bayern selbst völlig überraschen.

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