FC Bayern:Uli Hoeneß und das Jahr der Retroreformen

Uli Hoeneß

Uli Hoeneß setzt beim FC Bayern auf Leute, denen er absolut vertraut. Etwa, damit es "sein" Verein bleibt?

(Foto: dpa)

Seit genau 365 Tagen ist Uli Hoeneß wieder Präsident des FC Bayern. Er hat seit seiner Haft einigen Eifer gezeigt - aber wie zukunftsfähig ist sein Kurs für den Verein?

Kommentar von Benedikt Warmbrunn

Es war eine Nacht im November, und Uli Hoeneß war müde. Er saß in einem kleinen Nebenraum der Basketball-Halle, die Hände auf den Tisch gedrückt, den Blick in die Ferne gerichtet. Hoeneß war an diesem Abend im November 2016 ein erschöpfter Mann. Dann fing er mit der Arbeit an - in dem Verein, der ihn wieder zum Präsidenten gewählt hatte. In seinem Verein.

An diesem Freitag steht nun wieder eine Novembernacht in der Basketball-Halle an, wieder wird Uli Hoeneß irgendwann in einem Nebenraum erscheinen. Dass er müde, gar erschöpft sein könnte, erwartet keiner.

An diesem Freitag ist Hoeneß den 365. Tag wieder im Präsidentenamt des FC Bayern, nachdem ihn die Mitglieder wiedergewählt hatten nach seiner Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung.

Der Patriarch setzt weiter voll auf Traditionen, denn so fühlt es sich nach "seinem" Verein an

Es war ein bewegtes, bisweilen turbulentes Jahr für den Verein. Aber nun, bei der ersten Jahreshauptversammlung seit seiner Rückkehr, ist vieles wieder so, wie Hoeneß es sich wünscht beim FC Bayern. Bei seinem Verein.

Hoeneß hat in diesem Jahr einen Reformeifer gezeigt, der selten ist für diesen so auf seine Traditionen bedachten Verein. Es war allerdings auch ein Reformeifer, der genau darauf bedacht war, die Traditionen zu stärken. Es war ein Jahr der Retroreformen. Hoeneß, der ja - nur zur Erinnerung - als Präsident des e. V. sowie als Vorsitzender des Aufsichtsrates offiziell nur eine prüfende und bestätigende Funktion hat, schaffte sich ein Umfeld, dem er vertraut und das sich kaum gegen ihn wenden wird.

Er ersetzte Trainer Carlo Ancelotti, den der Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge als Freund bezeichnet, durch Jupp Heynckes, den Hoeneß als Freund bezeichnet. Er engagierte als Sportdirektor Hasan Salihamidzic, der bisher vor allem dadurch auffällt, dass er seine Rolle sucht unter den Alphatieren Hoeneß und Rummenigge. Auf den Mannschaftsarzt Volker Braun folgte der Hoeneß-Vertraute Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der 2015 aufgehört hatte, weil ihm das Vertrauen von Rummenigge fehlte.

Hoeneß war nicht der alleinige Entscheider dieser Personalien. Aber all diese Entscheidungen folgen einem Muster, das dem aus den Zeiten gleicht, in denen Hoeneß der unbestrittene Patriarch des Vereins war. Im Wesentlichen ist der FC Bayern nun wieder so aufgestellt wie vor Hoeneß' Haftstrafe.

An der Trainer-Entscheidung wird sich zeigen, wie viel Modernisierung Hoeneß zulässt

Zur Bilanz des Präsidenten zählt allerdings auch, dass dieser Reformeifer fortschrittliche, innovative Lösungen bisher nicht zugelassen hat. Philipp Lahm, der langjährige Kapitän, die größte Identifikationsfigur des Vereins in diesem Jahrtausend, anerkannt in Wirtschaft und Politik, hat darauf verzichtet, nach seinem Karriereende als Spieler direkt in die Führungsebene zu wechseln - weil er keinen Raum für die Umsetzung eigener Ideen sah. Unter dem Bilanzpunkt "Modernisierung" ist allein vermerkt, dass Hoeneß eine Nachwuchsakademie eröffnen durfte.

Hoeneß hat alles wieder so zusammengefügt, dass es sich für ihn nach dem FC Bayern anfühlt, den er braucht, von dem er gebraucht werden will. Nach seinem FC Bayern. Der Verein, die Mannschaft, sie stehen gut da, am 365. Tag der zweiten Amtszeit des Präsidenten. Doch die Richtung dieses Reformeifers wird sich voraussichtlich erst im neuen Jahr erkennen lassen. Dann, wenn der FC Bayern bekannt geben wird, wer in der nächsten Saison als Trainer die Mannschaft betreuen wird. Dann wird sich zeigen, ob Hoeneß die Traditionen gestärkt hat, um auf dieser Grundlage einer modernen Trainerfigur viel Spielraum zu geben. Oder ob er weiterhin das Familiengefühl erhalten will.

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