FC Bayern:Transferschach mit Lissabon

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Der FC Bayern München hat in seiner Startelf nur noch eine Planstelle unbesetzt - die für einen Außenverteidiger. Favorit ist allerdings nicht ein Holländer, sondern ein Portugiese.

Michael Neudecker

Es war nicht viel los am Donnerstag an der Säbener Straße, das überraschte, weil es ja doch oft unterhaltsam ist, einem Training des FC Bayern beizuwohnen; vor allem jetzt, da Louis van Gaal die Vorzüge eines Golfwagens entdeckt hat. Louis van Gaal eröffnete am Donnerstagmittag in seinem Vorbereitungsprogramm Phase II, um kurz vor halb zwölf ließ er sich von Assistent Hermann Gerland vom Klubhaus in einem Golfwagen die 250 Meter zum Übungsplatz fahren, Gerland - nach einem Achillessehnenriss den linken Fuß in Gips - stieg dann aus, er humpelte Hütchen aufstellend umher, die Spieler sprinteten von Stange zu Stange. Louis van Gaal saß in seinem Golfwagen, er sah zufrieden aus, "hey, Xavi, hey, Iniesta", rief er, er grinste listig. Die 13 WM-Spieler des FC Bayern sind ja im Urlaub, und diejenigen, die derzeit auf dem Trainingsplatz sind, heißen Sosa, Altintop, Van Buyten, Olic oder Alaba. Sie sind entweder keine Nationalspieler, nicht für die WM qualifiziert oder Österreicher.

Im Golfwagen zum Trainingsplatz: Louis van Gaal lässt sich von Hermann Gerland chauffieren. (Foto: afp)

Aber Louis van Gaal ist nun mal süffisant, wenn er verärgert ist, und genau das ist er zurzeit in Wahrheit: Er ist nicht so zufrieden, wie er in einem Golfwagen sitzend auf den ersten Blick aussieht.

Die Saisonvorbereitung des FC Bayern verläuft nicht optimal, und dann plagt den Trainer noch ein Personalproblem: Die Bayern wollen und brauchen noch einen Außenverteidiger, aber der Spieler, den sie suchen, den scheint es nicht zu geben. Dieser Spieler müsste "ein sehr guter Linksverteidiger und auch zu bezahlen" sein, wie van Gaal sagt. Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende, hatte am Mittwoch das Interesse am Niederländer Gregory van der Wiel von Ajax Amsterdam bestätigt, aber wenn man nun Louis van Gaal fragt, ob van der Wiel ein interessanter Mann sei, dann antwortet er: "Nein." Van der Wiel, 22, ist Rechtsverteidiger.

Als Rechtsverteidiger aber haben die Bayern Philipp Lahm, der zwar intern bereits seine Bereitschaft signalisiert hat, notfalls auf links zurückzukehren, aber eben nur notfalls. "Lahm ist Rechtsverteidiger", sagt van Gaal, das habe auch Bundestrainer Löw unterstrichen, indem er Lahm auf rechts habe spielen lassen, und auf links Jérôme Boateng, der nach van Gaals Dafürhalten kein Linksverteidiger ist. "Das ist doch komisch, oder nicht?", fragt van Gaal. Philipp Lahm ist auf rechts so gut, dass er auch in der Nationalelf da spielt, obwohl die ihn auf links noch dringender gebrauchen könnte, so sieht van Gaal das. Außerdem sei es nicht gut, beim FC Bayern auf der linken Seite in Lahm, Ribéry und Schweinsteiger "drei rechts schießende Spieler" zu haben, findet van Gaal.

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Andererseits ist der Markt auf der Position des Außenverteidigers schon lange sehr unergiebig, zumindest auf dem Niveau, auf dem der FC Bayern sich verstärken will. Van Gaal sagt, wenn sich kein Linksverteidiger finde, "dann müssen wir eben einen guten Rechtsverteidiger holen, so ist das", er hält kurz inne, "jetzt habe ich eigentlich schon zu viel gesagt". Bedeutet: Van der Wiel ist ein Ausweichtransfer, dem van Gaal nicht allzu viel abgewinnen kann.

Der portugiesische Linksverteidiger Fábio Coentrão (im Bild beim WM-Achtelfinalspiel gegen Spanien in Kapstadt) steht bei den Bayern ganz oben auf der Wunschliste für die neue Saison. (Foto: afp)

Wunschkandidat war bislang der Portugiese Fábio Coentrão, 22, von Benfica Lissabon. Der Linksfuß entwickelte sich eher aus der Not heraus in der vergangenen Saison zum Stammspieler links hinten bei Benfica, weil im linken Mittelfeld der Argentinier (und inzwischen zu Real Madrid gewechselte) Angel Di Maria gesetzt war. Coentrão aber machte seine Sache so gut, dass er auch bei der WM für Portugal als Linksverteidiger auflief, dort gefiel er nicht nur den Bayern. Coentrão selbst soll zu einem Wechsel nach München bereit sein, die Verhandlungen mit Lissabon aber waren jüngst für gescheitert erklärt worden, weil die Münchner 20 Millionen Euro als Ablöse boten, Lissabon aber festgeschriebene 30 Millionen forderte. Das übliche Geschäftsgebaren: 30 Millionen sind für einen jungen Mann, der gerade mal ein Jahr Stammspieler in der portugiesischen Liga war, ja doch ein sehr stattlicher Preis.

Coentrão steht aber noch immer ganz oben auf der Transferagenda des FC Bayern. Rummenigges Aussage vom Mittwoch ist auch als neuer Zug im Finanzschach zu verstehen, als Botschaft an Lissabon: Der FC Bayern ist nicht abhängig von Benfica und Coentrão. Benfica soll inzwischen darüber nachdenken, Coentrão lieber für unter 30 Millionen Euro zu verkaufen als gar nicht - auch 20 Millionen Euro sind für einen Klub wie Benfica Lissabon viel Geld.

Sollten am Ende beide Geschäfte platzen, sind da noch die Stammkräfte aus der vorigen Saison, Diego Contento und Edson Braafheid, von denen Contento deutlich bessere Chancen auf den Platz in der ersten Elf hätte. Van Gaal sagt zwar, "jeder Spieler in meinem Kader hat eine Chance, zu spielen" -, doch der Niederländer Braafheid kommt wie die anderen WM-Spieler erst am 2.August aus dem Urlaub zurück. Contento hat da schon ein Trainingslager und diverse Übungseinheiten hinter sich, zudem ist van Gaals sehnlicher Wunsch nach einem neuen Außenverteidiger nicht zu überhören. Es sieht also nicht gut aus für Edson Braafheid.

© SZ vom 16.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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