FC Bayern: Trainingslager:Filou mit ernstem Gesicht

Auch am Schlüsselspieler Franck Ribéry wird sich zeigen, ob der Führungsstil des neuen Bayern-Trainers Jupp Heynckes das Team nach einem Trauerjahr zu alter Größe führt. Der Franzose soll seine mittelmäßige vergangene Saison vergessen machen - neben mehr Freiheiten erwarten ihn jedoch klare Aufgaben.

Moritz Kielbassa, Arco

Mitspielern Zahnpasta auf die Türklinke kleistern? Den Vereinsbus gegen ein Hotelschild rammen? Nein, Faxen wie früher sind von Franck Ribéry bisher nicht überliefert aus dem Trainingslager des FC Bayern am Gardasee. Der Franzose begann die Woche mit Joggingrunden, nach leichter Muskelverletzung. Man sah ihn mit Präsident Uli Hoeneß plaudern, der sich bei einem Kurzbesuch vom guten Betriebsklima überzeugte.

Trainingslager FC Bayern München

Große Pläne: Bayern-Trainer Jupp Heynckes (re.) und Franck Ribéry.

(Foto: dpa)

Beim 15:0 im Test gegen eine Trentino-Auswahl war Ribéry nach der Pause erstmals Kapitän und bereitete das erste Tor seines neuen Sturmkollegen Nils Petersen vor. Es soll der Anfang einer Erfolgs-Episode gewesen sein: "Eine große Saison" plant Ribéry. Und drei Titel mit den Bayern? "Warum nicht?", fragt er.

Hilfreich wäre, wenn Ribéry, 28, im fünften Münchner Jahr auch die eigene Leistung wieder anhebt. Zu selten brachte er seine Weltklasse zuletzt zur Geltung. Die Statistik der Vorsaison las sich zwar gut, in Pflichtspielen sammelte er 32 Scorerpunkte, niemand legte in der Liga mehr Tore auf (17).

Das Gegenteil von van Gaal

Doch gemessen an seiner Ausnahmebegabung blieb in der jüngeren Vergangenheit mehr Trübes als Herausragendes in Erinnerung: Zwangspausen durch Blessuren von den Zähnen bis zu den Zehen, privates Fehlverhalten, die bittere Sperre im Champions-League-Finale 2010, die Skandal-WM mit Frankreich - und Reibungen mit dem alten Münchner Trainer.

Im Hotel in Riva sagt Ribéry mit ernstem Ton und einem Zahnstocher als Spielzeug in den Fingern: "Die zwei Jahre unter van Gaal waren sehr schwer." Mit dem Regiment des Niederländers kam der eigenwillige Lust- und Laune-Fußballer nie klar, er verstand weder van Gaals strenge Seiten noch dessen Anfälle von erdrückender Herzlichkeit. Jetzt soll Jupp Heynckes der Schlüssel sein: "Er redet viel mit uns, der Kontakt ist gut, mein Kopf ist locker und frei", sagt Ribéry, der Heynckes bei dessen bayerischem Kurz-Intermezzo im Mai 2009 schätzen lernte. Noch einmal betont der Franzose die Bedeutung dieses Faktors: "Ohne gutes Verhältnis zum Trainer, ohne Spaß kann ich nicht gut spielen!"

Klare Erwartungen

Kommunikativ und im Umgang altersmild, zugleich fachkundig und mit forderndem Leistungsprinzip - so schildern alle Bayern Heynckes. Auch am Schlüsselspieler Ribéry, der spezieller Pflege bedarf, wird sich zeigen, ob der Führungsstil des neuen Trainers das Team nach einem Trauerjahr zu alter Größe führt. "Unter Heynckes werden wir einen großen Ribéry sehen", glaubt Präsident Uli Hoeneß, der ja beiden zugeneigt ist. Neben hoher Wertschätzung formuliert Heynckes aber auch sonnenklare Erwartungen an den Franzosen.

Ein im Defensivspiel lustloser Ribéry wäre Gift für seinen Plan, den zuletzt zügellos offensiven Bayern Kompaktheit beizubringen. "Abwehrarbeit fängt vorne an", sagt Heynckes. Auch Ribéry soll im Zweikampf zupacken und zur neuen "Balance zwischen Offensive und Defensive" beitragen, die für Heynckes ein Kernthema ist wie für van Gaal der Ballbesitz. Ribéry gelobt: "Alle verteidigen, ich arbeite fürs Team!"

In erster Linie aber soll er vorne mit altem Esprit Spiele entscheiden. Mehrere Aspekte machen ihm Hoffnung. Hinter ihm in der linken Verteidigung, seit 2009 Bayerns Dauerbaustelle, sichert nach seinem Seitentausch wieder Philipp Lahm ab: "Wir verstehen uns blind", erinnert sich Ribéry an seine Anfangszeit, als er mit Lahm und Zé Roberto auf links beeindruckend harmonierte.

Mit Arjen Robben, der rechts mit Rafinha das zweite starke Flügelpaar formt, absolviert Ribéry gerade zum ersten Mal gesund und gemeinsam eine Vorbereitung. Und er wird künftig im Spiel freier die Position wechseln dürfen als bei van Gaal.

Zu prüfen wird sein, ob der Filou ein ernsteres Gesicht bekommt: "Nach so vielen Problemen ist man reifer, ich habe immer den Kopf oben gehalten, jetzt ist alles wieder perfekt", sagt Ribéry. Er hat gute Laune. Neue alberne Streiche schließt er bis Ende der Woche nicht aus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: