FC Bayern: Trainer van Gaal:Autogramme zum Abschied

Nach der Demontage in Hannover scheint die Beurlaubung von Bayerns Trainer Louis van Gaal nur noch eine Frage des Zeitpunktes zu sein. Es deutet sich eine Parallele zur Entlassung von Jürgen Klinsmann an.

Maik Rosner, Hannover

Viele Fans hatten sich zum Auslauf-Training des FC Bayern versammelt - und die meisten von ihnen waren in der Gewissheit gekommen, dass sie Zeuge eines besonderen Momentes werden würden: der Entlassung von Trainer Louis van Gaal. Schließlich hatte selbst der Klubpräsident Uli Hoeneß am Vorabend einen Satz wie "Wir müssen handeln, nicht reden" gesagt.

Hannover 96 - FC Bayern Muenchen

Angezählt: Trainer Louis van Gaal

(Foto: dapd)

Doch als es am Morgen an die Nachbereitung der peinlichen 1:3-Niederlage gegen Hannover ging, hieß der Bayern-Trainer immer noch Louis van Gaal. Eine Pressekonferenz, die um elf Uhr stattfinden sollte, sagten die Münchner kurzfristig ab - stattdessen wollten sich die Bosse erneut zu einem Gespräch versammeln. Die Vereinsführung ließ sich zunächst nicht blicken. "Stand jetzt" seien keine weiteren Entwicklungen zu erwarten, sagte Mediendirektor Markus Hörwick.

Als die Mannschaft am Samstagabend wieder in München eingetroffen war, hatte das noch anders ausgesehen. Louis van Gaal rauschte in seinem Dienstwagen vom Vereinsgelände, hinaus ins Dunkel - alles deutete auf eine baldige Entlassung hin. Doch mutmaßlich aus zwei Gründen kam es zunächst nicht dazu: Zum einen stellt sich die Frage nach der Alternative, zum anderen sprach sich offenbar die Mannschaft für van Gaal aus.

Vor all diesen Diskussionen und Entwicklungen hatten die Münchner erstmals seit mehr als zehn Jahren die dritte Partie in Serie verloren. Doch es war nicht allein die Niederlage nach den Toren von Mohammed Abdellaoue (16.), Konstantin Rausch (51.) und Sergio Pinto (62.). "Vor allem die Art und Weise tut weh", sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge.

Arjen Robben hatte mit seinem Anschlusstreffer zwischendurch zwar kurz für Hoffnung gesorgt (55.). Doch das Endspiel hätte auch in einer noch schlimmeren Demütigung enden können, nachdem Breno wegen einer Tätlichkeit an Lars Stindl die Rote Karte gesehen (73.) und Hannover noch etliche Konter gefahren hatte. Auch ein 1:5 wäre denkbar, vielleicht sogar verdient gewesen.

Wenn van Gaal überhaupt noch auf eine Fortsetzung seiner Arbeit hoffen kann, dann wegen seines Vorgesetzten Rummenigge. Denn während Hoeneß den Daumen schon gesenkt zu haben und den Schlussstrich einzufordern schien, scheute der Vorstands-Chef zunächst noch den Entschluss. "Wir werden jetzt erst einmal eine Nacht darüber schlafen und nachdenken müssen. Schlafen wird wahrscheinlich keiner können. Aber zumindest muss man mal in Ruhe die Dinge analysieren, nachdenken, was man jetzt machen muss, machen kann, um diesen Fall zu stoppen", sagte er am Samstagabend. So sei man verblieben, und das sei im Moment wohl auch das Beste.

"Ich bin angeschlagen"

Rummenigge rang um Fassung, er wirkte ratlos. "In aller Nüchternheit" werde man analysieren, kam ihm über die Lippen, und dann werde man weitersehen. "Ich bin angeschlagen, da mache ich auch keinen Hehl draus", gab er zu und anschließend eine Empfehlung aus, die erkennen ließ, dass er sich noch gegen eine Entlassung sträubt: "Wir tun gut daran, mit Rationalität und nicht mit Emotionalität die beste Lösung für Bayern München zu finden." Doch wer diese Lösung sein könnte, ist eine weitere offene Frage und offenbar das größte Problem. Vielleicht lässt sich auf die Schnelle schlicht kein geeigneter Nachfolger finden. DFB-Sportdirektor Matthias Sammer jedenfalls soll nur angeblich favorisiert werden.

Dennoch sah alles so aus, als sei ein Verbleib van Gaals so wahrscheinlich wie ein erneuter Meistertitel der Münchner. Denn Rummenigge sah ja auch, dass sich Auflösungserscheinungen eingestellt hatten, die bei den Niederlagen gegen Borussia Dortmund (1:3) in der Bundesliga und gegen Schalke 04 (0:1) im Halbfinale des DFB-Pokals noch von Phasen der Ordnung und des Aufbäumens kaschiert worden waren.

Nun aber reihten sich die Mängel und ihre Folgen stetig aneinander, nicht allein in der chronisch maladen Defensive. Und es enthielt eine besondere Ironie, dass Torwart Thomas Kraft der schwerste der vielen Fehler unterlief, als er Pintos Distanzsschuss zum 1:3 über die Finger rutschen ließ.

Es war der erste echte Fauxpas des 22-Jährigen, seit ihn van Gaal gegen den erheblichen Widerstand der Vereinsführung im Januar zur Nummer eins befördert hatte. Schon damals hieß es, das könne ihn den Job kosten. Nun könnte Kraft tatsächlich maßgeblich zum Ende der Ära seines niederländischen Förderers beigetragen haben, der im Sommer 2009 angetreten war und den FC Bayern auf Anhieb zum Double und ins Finale der Champions League geführt hatte.

"Wir haben katastrophale acht Tage hinter uns", sagte nun Rummenigge: "Gegen Dortmund haben wir zumindest noch teilweise ordentlichen Fußball gespielt. Am Mittwoch gab es zumindest in der zweiten Halbzeit eine Reaktion. Aber was wir diesmal gespielt haben, war der absolute Tiefpunkt der Saison."

Parallele zu Klinsmann

Wie er den Zustand der Mannschaft beschreibe, wurde Kapitän Philipp Lahm gefragt. "Nicht der Mannschaft, sondern des Vereins - und der ist kritisch", sagte Lahm und beschränkte sich lieber auf den sportlichen Teil: "Weil das Minimalziel in Gefahr ist. Wir gehören normal in die Champions League, aber dafür muss man auch punkten." Robben sagte: "Das war ein Endspiel für alle, nicht nur für den Trainer."

Van Gaal selbst, der in Hannover noch viele Autogramme zu schreiben hatte, ahnte, dass seine Beurlaubung nun unmittelbar bevorsteht. Da hilft es auch nichts, dass die Mannschaft durch den 1:0-Sieg bei Inter Mailand im Rückspiel am 15. März der Champions League gute Aussichten auf ein Weiterkommen besitzt. Denn sieben Punkte beträgt nun der Rückstand auf Bayer Leverkusen, das auf dem sicheren Qualifikationsplatz zwei steht. Fünf Punkte sind es auf Hannover, das Hoffnungsrang drei belegt.

Uli Hoeneß hatte ja im Januar bereits unter Verweis auf die Entlassung des Trainers Jürgen Klinsmann im April 2009 gedroht, dass er unruhig werde, sobald die Qualifikation für die Champions League in Gefahr gerate. Und in der Tat könnte es bald zu einer Parallele zwischen Klinsmann und van Gaal kommen: Damals im April 2009 hatten Klinsmanns Bayern samstags gegen Schalke verloren. Am Tag danach passierte nichts - doch am Montag verkündeten die Bayern-Bosse die Entlassung.

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