FC Bayern:Tore für Millionen

Kaltschnäuzig voller Fortune: Im Kampf um den Titel verkörpert vor allem Roy Makaay alte Bayern-Tugenden.

Von René Hofmann

Das Phänomen hat Kinderhände. Dünne, kurze Finger mit knapp geschnittenen Nägeln, die nur ein wenig aus den Achselhöhlen hervorlugten. Roy Makaay hat die Arme vor der Brust gekreuzt, die Hände unter die Bizepsmuskeln geschoben und sagt: "Dat is alles normal."

Dass er seinen FC Bayern gegen Schalke nach dem frühen 0:1 (4.Minute/Foulelfmeter Vermant) mit zwei Treffern noch zum 2:1 brachte, dass ihm im siebten Spiel hintereinander ein Tor glückte, dass er dem Bremer Ailton damit in der Torschützenliste allmählich bedrohlich nahe rückt - alles nicht der Rede wert, findet Roy Makaay. 22 Tore führt die Statistik jetzt für ihn, 25 für Ailton. "Dat is mir wirklich egal", sagt Makaay völlig unaufgeregt.

Mit Gelassenheit zu überraschen - das ist Makaays große Stärke. Gegen Schalke überraschte er in der achten Minute Gegenspieler van Kerckhoven, entschlich ihm um genau den Schritt, den er brauchte, um das feine Zuspiel von Zé Roberto im Tor unterzubringen.

Der schnellste Weg zum Tor führt über Makaay

Eine knappe Stunde später staunten dann alle 63000 Augenzeugen: flaches, präzises Zuspiel von Schweinsteiger an die Strafraumlinie, ansatzloser Abschluss mit links. Fest, präzise, wie von einem Laser gelenkt genau in die Tormitte unter die Latte.

Schalke-Torsteher Christofer Heimeroth konnte der silbernen Kugel nur müde nachwinken. Aus der Torhüter-Perspektive ist Makaay ein unangenehmer Gegner. Unauffällig, unberechenbar. "Ein Phänomen", sagt Oliver Kahn, Bayern-Torhüter Nummer eins, und Michael Rensing, Bayern-Torhüter mit der Rückennummer 22, der Kahn am Samstag wegen einer Schienbeinprellung für eine halbe Stunde vertreten durfte, sagt das Gleiche.

Was das Phänomen zum Phänomen macht? "Ich habe noch keinen gesehen, der so wenige Chancen braucht", sagt Kahn: "Man hat das Gefühl, der weiß nicht, was Druck ist."

Dabei hätte gerade Roy Makaay allen Grund dazu. 18,75 Millionen Euro Ablöse wecken besondere Erwartungen, und wie schnell sich diese in eine Last verwandeln können, hat er in München auch schon erlebt. Nach dem glanzlosen Saisonstart bestimmte sein Name schon einmal die Schlagzeilen. Neben Worten wie: "System-Problem" und "FC Makaay". In den ersten fünf Spielen glückte ihm kein Treffer.

Die in München gepflegten Kurzpässe kamen selten an beim Niederländer. Der wünschte sich lange Bälle zum Hinterherlaufen. Die Bayern und Makaay - das sah schon nach einem teuren Missverständnis aus. Inzwischen ist daraus aber tatsächlich so etwas wie der FC Makaay geworden.

Dank Makaay ist der Rückstand auf Bremen aufholbar

Der Stürmer hat sich mit der Art arrangiert, wie ihm seine Mitspieler den Ball zukommen lassen, und die wiederum haben erkannt: Der einfachste Weg zum Erfolg führt über Makaay. Auf 22 Treffer kam seit Karl-Heinz Rummenigge vor 20 Jahren kein Bayern-Spieler mehr.

Mit seinen zwei Toren gegen Schalke hat Makaay dafür gesorgt, dass der Rückstand auf Bremen nicht nur rein rechnerisch noch aufzuholen bleibt, und mit seiner kühlen Zielstrebigkeit und seiner scheinbar gottgegebenen Fortune verkörpert er die klassischen Bayern-Tugenden wie derzeit kein anderer.

Auch wenn sie am Ende der Saison ohne Meisterschale, DFB-Pokal und Champions-League-Henkeltopf dastehen sollten, können sich die Bayern-Strategen mit einem trösten: Zumindest die Millionen für den Wunderstürmer sind nicht verloren.

In 26 der 28 Ligaspiele hat Makaay mitgewirkt, den obligatorischen Handel neuer Namen zu dieser Jahreszeit dürfte der 29-Jährige deshalb gelassen verfolgen. Schon einstellen kann er sich als Kollegen auf Vahid Hashemian. Der Stürmer, dessen Ablöse vertraglich auf zwei Millionen Euro festgeschrieben ist, bestätigte nach dem 4:0 seines VfL Bochum gegen den TSV 1860 München: "Ich spiele in der nächsten Saison bei Bayern München."

Ein Entschluss, der die Fans in der Südkurve des Olympiastadions offenbar verzückt. Als seine zwei Treffer gegen den Lokalrivalen auf der Anzeigentafel erschienen, feierten sie Hashemian mit Sprechchören. Nach Benny Lauth hingegen schrie niemand.

Manager Uli Hoeneß hatte den Löwen-Spross zuletzt für den FCB ins Gespräch gebracht, am liebsten hielte der jedoch auch weiterhin an dem Modell einer internationalen Nationalstürmer-Auswahl fest: Makaay/Niederlande, Hashemian/Iran, Roque Santa Cruz/Paraguay, Claudio Pizarro/Peru. Dessen 2005 auslaufenden Kontrakt würde der Verein gerne in den nächsten Wochen verlängern.

Am kommenden Samstag in Dortmund spielt zudem Torsten Frings vor. Dessen Wechsel an die Isar ist wohl nur noch eine Frage der Zeit: Wie lange kann es sich die finanziell angeschlagene Borussia noch leisten, eine utopisch hohe Ablöse zu verlangen?

Die Aussicht, einen neuen Spielkameraden kennen zu lernen, wichtig Punkte gegenüber Bremen aufzuholen, das ausverkaufte Westfalenstadion - Roy Makaay beeindruckt all das wenig. Er sagt: "Ich fahre nach Dortmund, um Fußball zu spielen und nicht, um zu kucken, wie viele Leute da sind."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: