FC Bayern: Thomas Müller:Der Nicht-Träumer

Bayerns Jungprofi Thomas Müller bildet sich wenig auf seine erste Berufung ins DFB-Team ein und träumt nicht von der WM. Er bucht lieber schon mal Sommerurlaub.

Gerald Kleffmann

Natürlich wäre es interessanter gewesen, Thomas Müller hätte beim Betreten des Presseraums am Mittwoch rote Hütchen verteilt und Luftschlangen, aber einen derartigen Freudenausbruch darf man heutzutage von einem Jungfußballer ja leider nicht erwarten; selbst wenn es halbwegs angemessen wäre. Müller, Profi beim FC Bayern und gerade von seinem ersten Lehrgang bei der Nationalmannschaft zurückgekehrt, zählt zur Spezies von Talenten, die so aufgeräumt und professionell daherkommt, dass man als Normalsterblicher im Vergleich zu ihm schon ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn man nur das Altglas falsch sortiert. Der 20-Jährige macht seit Monaten in seinem Beruf alles richtig, und selbst seinen Debütauftritt bei der kickenden DFB-Elite wusste er sofort realitätsbezogen einzuordnen.

FC Bayern: Thomas Müller

Thomas Müller betrachtet seinen Aufstieg zum Stammspieler beim FC Bayern und die Berufung in den Kader der Nationalelf nüchtern.

(Foto: Foto: dpa)

"Gut, hat Spaß gemacht", sagte er, nur wollte er die Berufung deshalb nicht überhöhen, es standen diesmal "nur Marketing und der Leistungstest" auf dem Programm, also Lauf-, Sprint- und Konditionseinheiten unter Aufsicht. Die Werbeaufnahmen stellten selbstredend keine Probleme für ihn dar, "ich bin es ja von Bayern gewöhnt, dass man Partner bedienen muss". Mit Bundestrainer Joachim Löw wiederum habe er im Stillen geredet, der Inhalt blieb vertraulich, Müller klang aber nicht so, als sei der Plausch unerfreulicher Natur gewesen.

Kurzum: Der Ausflug war schön und machte ihn stolz - und doch war er nicht so denkwürdig, "dass man sich jetzt denkt, ich bin Weltmeister", und das war dann irgendwie nett anzuhören, so als Normalsterblicher, dass selbst ein Durchstarter wie er nicht jedes Glückshormon hinterhergeschmissen bekommt. Auch er muss rackern und sich einreihen, wenn es sich einzureihen gilt. Genau dies könnte bald wieder von ihm verlangt werden.

Nachdem Arjen Robben unlängst vital zurückkehrt ist, drängt der nächste Ausnahmespieler der Bayern in die Startelf. Franck Ribéry, dessen Krankenakte sich in dieser Saison liest wie ein Sammelsurium skurriler Wehwehchen (Sportbild berichtet nun gar, viele seiner Entzündungen rührten daher, dass bei Zahn-Behandlungen Wattefetzen "in den Zähnen vergessen" wurden und die Fremdkörper so den Körper schwächten), ist neuerdings tatsächlich einmal fit. Nach dem 2:0-Testspielsieg am Dienstag gegen den FC Ingolstadt meinte er: "Jetzt brauche ich den Wettkampf"; insgesamt war er 60 Minuten zum Einsatz gekommen.

Für Müller wiederum bedeutet die Annäherung Ribérys ans Team, dass er selbst entweder seine offensive rechte Mittelfeldposition abtreten muss oder ganz aus der Elf fliegt. Denn Ribéry würde dann auf links gehen und Robben auf rechts. Klingt ernst für Müller, ist es aber nicht. Nicht für einen Geerdeten wie ihn.

"Ich kann offensiv viele Positionen spielen, ich bin flexibel", entgegnete er ruhig und führte aus, auch "als hängende Spitze oder zweiter Stürmer" agieren zu können, auf jenen Positionen habe er "meine besten Spiele gemacht". Sein Selbstvertrauen war jetzt sehr zu spüren, unerschrocken kam er zum Schluss: "Warum soll ich mir Sorgen machen? Es ist meine erste Profisaison. Ich bin noch nicht in der Rolle, einen Stammplatz einzufordern."

Das nicht, aber wenn Müller eine Botschaft an diesem Tag hatte, dann jene, dass er nicht das Nervenflattern bekommt, nur weil sich ein prominenter Konkurrent aus der Offensive arbeitstauglich meldet. Und wegen einer möglichen WM-Nominierung stresst sich Müller im Übrigen auch nicht. Er plant, "vorsichtshalber den Sommerurlaub zu buchen", jedoch einen mit Reiserücktrittsversicherung. Er ist vieles, nur eben kein Träumer.

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