FC Bayern: Thomas Kraft:Mit klarer Birne

Torwart Thomas Kraft bewahrt den FC Bayern beim 1:0 im Champions-League-Achtelfinale in Mailand vor einem Gegentor. Ob im Sommer Manuel Neuer kommt, hängt wohl dennoch nicht an ihm.

Carsten Eberts, Mailand

Jörg Butt huschte schnell vorbei, als Thomas Kraft vor die Mikrofone trat. Weg war der Ersatzkeeper - und irgendwie doch nicht. Thomas Kraft hat sehr viel von Jörg Butt, wenn er Interviews gibt: Wie er redet, sachlich und bescheiden, reflektiert und meistens klug. Wie er kurz lächelt, wenn er gelobt wird. Oder einfach schweigt, wenn er über eine Frage nachdenken muss.

Inter Milan's Esteban Cambiasso shoots as Bayern Munich's goalkeeper Thomas Kraft prepares to save during their Champions League soccer match at the San Siro stadium in Milan

Thomas Kraft pariert einen Schuss von Inters Esteban Cambiasso.

(Foto: REUTERS)

Jörg Butt ist bekanntermaßen 36 Jahre alt, Thomas Kraft erst 22 - und es gab tatsächlich wenige Momente auf jener Dienstreise nach Mailand, bei denen Kraft an diese Jugendlichkeit erinnerte. Energisch hatte er agiert, furchtlos und zupackend, aus der Nahdistanz gegen Esteban Cambiasso (22. Minute), mit ausgestrecktem Arm gegen Samuel Eto'o (33.), später auch noch gegen Houssine Kharja (80.) und Thiago Motta (85.). Dass die Bayern beim 1:0 bei Inter Mailand ohne Gegentor blieben, war Krafts zahlreichen richtigen Entscheidungen geschuldet.

Seinen Trainer freute dies, nicht nur, weil er Kraft im Winter höchstpersönlich an Jörg Butt vorbei zur Nummer eins befördert hatte. "Er hat heute in seiner Qualität gespielt", lobte Louis van Gaal, "Kraft ist ein sehr guter Reflextorwart. Und heute waren die Reflexe sehr wichtig." Vor allem in der Schlussphase, als Mailand binnen 20 Minuten vier oder fünf gute Chancen herausspielte.

Kraft tat anschließend, was auch Butt getan hätte: Er blieb bescheiden. "Ich bin zufrieden, habe ein ordentliches Spiel gemacht", sagte er, was natürlich himmelschreiend untertrieben war, denn Kraft hatte mindestens eine außerordentliche Partie gezeigt, die formidable Ausgangsposition der Bayern fürs Rückspiel in München quasi im Alleingang festgehalten.

Kraft jedoch sagte: "Perfekt war das Spiel nicht, denn ich habe nach vorne den ein oder anderen schlechten Ball gespielt. Von daher war es nur ein gutes Spiel." Wie er nach dieser Schlussphase nun schon wieder seelenruhig Interviews geben könne, wurde Kraft noch gefragt. Seine Antwort: "In der Kabine fahre ich die Spannung runter. Danach bin ich wieder normal." Schrecklich einfach.

Für die Kollegen ein Allerweltsereignis

Auch die Kollegen versuchten, Krafts Leistung auf ein Allerweltsereignis herunterzudampfen. Als könne es dem Torhüter schaden, wenn er zu viel ins Gerede kommt; wenn bald spekuliert wird, ob so ein aufstrebender Mann nicht auch in den Kreis der Nationalmannschaft gehört. "Er hat das heute sehr gut gemacht", sagte etwa Angreifer Thomas Müller: "Aber das erwarte ich auch von einem Torwart, der beim FC Bayern spielt."

Auch Mario Gomez, der in der 89. Spielminute einen Patzer von Mailands Keeper Júlio César zum späten Siegtreffer genutzt hatte, spielte Krafts Leistung herunter. "Wir wissen alle, dass er ein sehr guter Torhüter ist", sagte Gomez nüchtern: "Er ist klar in der Birne und hat alle Fähigkeiten, die man für unser Spiel braucht." Der letzte Kritiker sei spätestens am Mittwochabend eines Besseren belehrt worden.

Als Kraft schon längst in den Mannschaftsbus geeilt war, setzte auch Gomez zum Schlusswort an. "Wir sollten ihn jetzt in Ruhe lassen, damit er seine Arbeit machen kann", sagte er - wohl wissend, wie schwierig das werden dürfte. Vielleicht bis Mitte März, bis nach dem Rückspiel gegen Inter Mailand, werden die Bayern die Lösung ihrer Torwartfrage glaubhaft hinauszögern können. Dann wird eine Entscheidung erwartet: Ob Thomas Kraft einen neuen Vertrag bekommt und die Nummer eins bleibt? Oder ob nicht doch Nationaltorhüter Manuel Neuer aus Schalke geholt wird?

Die Entscheidung, so viel ist klar, dürfte beim FC Bayern zum großen Politikum werden. Befürworter gibt es für jede Variante, Präsident Hoeneß liebäugelt mit der Neuer-Lösung, Trainer van Gaal eher nicht. Thomas Kraft hat die Entscheidung damit nicht selbst in der Hand. Selbst wenn er weiter herausragend hält wie in San Siro.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: