FC-Bayern-Talent Maximilian Haas:Bescheidener Anführer

In der Vorbereitung durfte Maximilian Haas bei den Profis des FC Bayern spielen, nach dem Demichelis-Eklat darf er dort vielleicht noch öfter ran. Dennoch bleibt der 24-Jährige bescheiden.

Jürgen Schmieder

"So ein Tor habe ich noch nie gesehen", sagt Maximilian Haas und schüttelt den Kopf. "Der zieht außerhalb des Strafraums auf, ich will blocken - und dann lupft der den Ball." Er spricht über den Treffer von Raúl zum 3:1 gegen den FC Bayern im Ligapokal, dem Haas aus nächster Nähe beiwohnte. Weil die WM-Teilnehmer des FC Bayern noch im Urlaub weilten, durfte Innenverteidiger Haas in der Schalker Arena auflaufen. Und weil Louis van Gaal gegen Real Madrid am Freitag zahlreiche Stammspieler schonte, durfte Haas 20 Minuten lang gegen Cristiano Ronaldo verteidigen.

Bayern Muenchen v 1. FC Koeln - LIGA total! Cup 2010

Bayern Muenchen v 1. FC Koeln - LIGA total! Cup 2010 GELSENKIRCHEN, GERMANY - JULY 31: (L-R) Maximilian Haas of Bayern tackles Milivoje Novakovic of Koeln during the LIGA total! Cup 2010 match between Bayern Muenchen and 1. FC Koeln at the Veltins Arena on July 31, 2010 in Gelsenkirchen, Germany. (Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

(Foto: Bongarts/Getty Images)

"Oben mitspielen" nennt er das, wenn er gegen Cristiano Ronaldo (aktueller Marktwert laut transfermarkt.de: 75 Millionen Euro) oder Raul (zehn Millionen) agieren darf. Haas spielt normalerweise "unten", bei den Amateuren des FC Bayern in der dritten Liga. Weil Louis van Gaal in Übungseinheiten gerne Elf gegen Elf spielen lässt, darf er nun bei den Profis trainieren und durfte in der Vorbereitung auch mitspielen. Sein Marktwert ist durch die Einsätze bei den Profis gestiegen: Von 75.000 Euro vor einem Jahr auf mittlerweile 350.000 Euro. Vor der Saison hat Haas wie Torhüter Rouven Sattelmeier einen Profivertrag bekommen.

Der 24-Jährige spricht fast ehrfürchtig über seine prominenten Trainings-Gegenspieler, - man erkennt aber auch den Ehrgeiz, dass er nicht nur Sparringspartner sein will, sondern anerkannter Kollege. Genau das fordern die Verantwortlichen des FC Bayern von ihren jungen Spielern: Ehrgeiz, Selbstbewusstsein - und Zurückhaltung. "Wenn einer meint, abheben zu müssen, dann hänge ich mich eigenhändig unten ran. Und bei meinem Gewicht fliegen die keine zehn Zentimeter hoch", sagte Amateur-Trainer Hermann Gerland einmal.

In einem Werbespot, der zur Zeit in der Fröttmaninger Arena ausgestrahlt wird, heißt es: "Hör' auf Hermann!" Haas hat diese Aufforderung verinnerlicht, seit er 2007 vom Landesligisten SE Freising auf den Trainingsplatz an der Säbener Straße wechselte - spielen durfte er nämlich zunächst nicht. "Ich habe ein Jahr lang nur trainiert und Freundschaftsspiele absolviert", sagt er. "Das war eine harte, aber überaus lehrreiche Zeit, weil mir bewusst wurde, dass einem beim FC Bayern nichts geschenkt wird." Die Freunde in Freising hofften bereits auf eine Rückkehr, doch Haas blieb und absolvierte Extraeinheiten. "Ich habe mir gesagt: Ich gehe hier nicht weg, ohne ein Pflichtspiel gemacht zu haben", sagt er.

Seinen ersten Einsatz am zwölften Spieltag der Saison 2008/09 hatte er dann der Schludrigkeit eines Kollegen zu verdanken. "Ein anderer Spieler sollte gegen Sandhausen eingewechselt werden, doch hatte der vergessen, sich Schienbeinschoner anzuziehen", sagt Haas. Eine Undiszipliniertheit, die Hermann Gerland gar nicht leiden kann - also beorderte er den Vergesslichen zurück auf die Ersatzbank und schickte Haas aufs Feld: "Das zeigte mir: Man braucht Geduld und Glück, und wenn man dann die Chance bekommt, dann muss man sie nutzen." Er absolvierte eine ordentliche Partie, bekam fortan mehr Einsatzzeiten und ist mittlerweile Stammspieler bei den Amateuren des FC Bayern, in der vergangenen Saison absolvierte er 29 Partien, in dieser Spielzeit ist er Kapitän.

Die Amateure des FC Bayern spielen in der 3. Liga - jene Spielklasse, die von Vereinen und Spielern eher kritisch betrachtet wird. Viele Klubs haben finanzielle Probleme, die Akteure sind zwar Profisportler, verdienen jedoch nicht genug, um nach der Karriere ausgesorgt zu haben. "Es war immer mein Traum, Fußballprofi zu sein, aber mir ist durchaus bewusst, dass eine Verletzung alles kaputt machen kann und dass es ein Leben nach der aktiven Zeit gibt", sagt Haas. Deshalb studiert er in seiner Freizeit Betriebswirtschaft, Torwart Jörg Butt habe ihm zu diesem Schritt geraten. "Er hat mir immer gesagt: Jetzt hast Du Zeit dazu, dich weiterzubilden oder zu studieren, nach der Karriere wirst du froh sein, wenn du es machst", sagt Haas.

Er ist 24 Jahre alt, er hat noch einige Jahre im Fußball vor sich, obwohl er bei den Amateuren zu den ältesten Spielern gehört. "Natürlich ist es mein Ziel, einmal in der Bundesliga zu spielen", sagt er. "Dafür muss ich jedoch noch hart arbeiten - und auch Glück haben." Sein Kumpel Thomas Müller freilich sei ein Beispiel, wie schnell der Durchbruch gelingen könne. "Aber das ist nicht die Regel, Thomas wundert sich immer noch darüber, was mit ihm gerade passiert", sagt Haas. Es gebe genügend Beispiele junger Spieler, die von einer großen Karriere träumen und dann feststellen müssen, dass es eben nicht klappt.

Deshalb macht sich Haas kaum Gedanken über seine mittelfristige Zukunft. "Ich bekomme beim FC Bayern die bestmögliche Ausbildung. Ich muss die Chancen nutzen, die ich bekomme, alles andere ergibt sich dann von selbst." Das sind Sätze, die sie beim FC Bayern gerne hören werden.

Als die Profis des FC Bayern vor 69.000 Zuschauern gegen Real Madrid spielten, war Haas 20 Minuten lang dabei und bot eine ordentliche Leistung. Trainer Louis van Gaal lobte ihn und Amateur-Kollege Nicolas Jüllich, der 90 Minuten spielen durfte, ausdrücklich: "Vor dieser Kulisse gegen Real Madrid und Cristiano Ronaldo zu spielen, damit muss man erst einmal zurechtkommen. Sie haben hervorragend gespielt."

Am Samstag wird Haas wieder bei den Amateuren spielen, auf dem Ernst-Abbe-Sportfeld gegen Carl-Zeiss Jena. Er weiß, dass er sich in diesen kleineren Stadien weiter beweisen muss. Dann darf er darauf hoffen, wieder "nach oben" eingeladen zu werden.

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