FC Bayern:"Super, war toll!"

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Maximal wird der Klub mit Pep Guardiola noch sieben Pflichtspiele bestreiten, doch der Trainer zieht nach dem 2:0 in Berlin schon ein bisschen Bilanz.

Von Klaus Hoeltzenbein, Berlin

Einige wollten zunächst "beach" verstanden haben, also Strand. Und das hätte jetzt ja auch wunderbar gepasst, so eine Geschichte vom Mann, der vom Meer kam, der dann - mit sogar von der eigenen Mannschaft kaum zu decodierenden Gesten und Kommandos - alle Turbulenzen überstand und alle Klippen doch umfahren konnte. Und der nun am Ende seiner Etappe vom Strand zum Horizont schaut, wo neue Ziele, neue Gefahren lauern. Doch leider war es nicht so, leider fiel die romantische Exkursion ins Wasser.

In einer Nebenrolle der Bayern-Elf 2016: Serdar Tasci (vorne), im Winter aus Moskau geholt, absolvierte seinen ersten 90-Minuten-Einsatz für die Münchner. (Foto: Annegret Hilse/dpa)

Jener Mann, der vor drei Jahren vom Mittelmeer, aus Barcelona, nach München kam, hatte - das ergab die mehrmalige Kontrolle der Tonträger unter Hinzuziehung aller des Englischen mächtigen Katalanen - nicht "beach" gemurmelt. Sondern "pitch", also Spielfeld, Trainingsplatz. Angefügt hatte Pep Guardiola, dass es, und da gab es dann keinerlei Zweifel mehr, einfach nur "really, really amazing" gewesen sei, dem Luxus-Kader des FC Bayern die Befehle zu dessen Übungen erteilen und ihm bei seinen kreativen Lösungen zusehen zu dürfen. Amazing, erstaunlich, verblüffend, verwunderlich, all das.

In einer Hauptrolle der Bayern-Elf 2016: Arturo Vidal, mal Bösewicht, mal Haudrauf, immer aber gut bemaltes Schmuckstück im Münchner Mittelfeld. (Foto: Thomas Eisenhuth/dpa)

Maximal sieben Pflichtspiele (drei in der Liga, drei in der Champions League, das Finale im DFB-Pokal) sind es noch, die der Katalane Guardiola seine verblüffenden Münchner anleiten wird, dann zieht er weiter zu Manchester City. Und obwohl sich der FC Bayern jetzt die Option auf alle drei Titel gesichert hat, auf einen Triple-Gewinn wie 2013 unter Guardiolas Vorgänger Jupp Heynckes, ist bislang noch keine Trophäe definitiv gesichert. Dennoch wird der 45-Jährige bereits allerorten auf den Pressekonferenzen um ein paar Abschiedsworte, um ein Fazit gebeten. Eine Reporterin der Deutschen Welle stellte in Berlin auf Englisch die Frage nach dem schönsten Augenblick seiner deutschen Etappe, und der öffentliche Guardiola wich ein bisschen aus, wie er es gerne tut, sobald es konkret wird. "On the pitch!" - die Alltagsarbeit mit den Profis habe ihn am meisten beeindruckt. Jene Tage an der Säbener Straße, wo all die verblüffenden Dinge geübt wurden, die dann auch bei einem 2:0 (0:0) bei Hertha BSC den Unterschied ausmachen.

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(Foto: Thomas Eisenhuth/dpa)

Traumhafter Flug: Douglas Costa (2.v.l.) lässt den Ball quer durch den Strafraum ins Berliner Tor segeln.

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(Foto: Odd Andersen/AFP)

Der Treffer des Brasilianers markiert das Endergebnis eines glanzlosen 2:0-Arbeitssieges des FC Bayern. Freude kommt bei den Münchnern trotzdem auf.

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(Foto: Michael Sohn/AP)

Eine Halbzeit lang fällt kein Tor, weil die Hertha mutig spielt: In der 48. Minute bricht Arturo Vidal (Mitte, hinten) dann den Bann und trifft zum 1:0.

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(Foto: Michael Sohn/AP)

Aufreger bis dahin: Berlins Towart Thomas Kraft (gelb) wagt sich immer wieder ins Feld - hier rettet er beherzt gegen Thiago.

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(Foto: Hannibal Hanschke/Reuters)

Pep Guardiola macht währenddessen an der Seitenlinie vor, wie es geht: Fuß hoch, einschieben. Zweimal hören die Spieler auf ihn, und so...

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(Foto: Stuart Franklin/Getty)

...feiern sie später ein 2:0 in der Fankurve: Sicher ist die Meisterschaft den Bayern noch nicht - dass es anders kommt, glaubt allerdings keiner mehr.

Die Meisterparty findet wohl am Samstag gegen Gladbach statt

Wobei: Eigentlich war Guardiola ja einst als großer Prophet des Klein-Kleins, des legendären Tiki-Taka, vom Meer und von Messi an die Isar gekommen. Fernschüsse wie sie ins Netz der Hertha rauschten, standen in der Pep-Prioritätenliste lange ziemlich weit unten. Aber da die kleinen, filigranen Lösungen anstrengend sind und sich in der Neige der Saison selbst vom FC Bayern nur schwer finden lassen, hilft inzwischen auch mal rohe Gewalt. Besonders dann, wenn sie von Arturo Vidal ausgeübt wird, der sich nach einer chaotischen ersten Halbzeit des Beins eines Herthaners bediente, welcher den Ball unhaltbar zum 1:0 abfälschte (48.). Für einige Tage hatte der bullige Chilene als Buhmann der Fußball-Nation ausgeholfen, nachdem er im Pokal-Halbfinale gegen Werder Bremen des Schwalbenflugs und damit des Elfmeter-Schindens überführt worden war. Im Anschluss an seinen Berliner Treffer kam es deshalb zu demonstrativen Solidaritätsbekundungen. Alle Bayern stürmten auf ihn zu, streichelten den Irokesenkamm, weiß doch inzwischen auch der Letzte im Klub, was sie im Wettkampf an Vidal haben. Ohne dessen kernige Energieleistungen hätte auch Guardiola den Kurs in der Champions League in den Duellen mit Juventus Turin und Benfica Lissabon nicht halten können. In jener Arena, in der Vidal im Vorjahr - im Trikot von Juventus - das Finale gegen den FC Barcelona verlor, sortierte er nun gegen die Hertha mit unendlich vielen Ballkontakten das müde Spiel der Münchner, ehe ihm Douglas Costa doch noch die Tor-des-Tages-Trophäe raubte. Aus ähnlicher Distanz wie zuvor Vidal visierte der Brasilianer den oberen Torwinkel an und traf - kunstvolle Präzisionsarbeit (79.).

Inspiriert auch von dieser schönen Szene setzte Guardiola später dazu an, eine der letzten atmosphärischen Unebenheiten in seinem Bayern-Kader zu relativieren. So habe Serdar Tasci ihm "gezeigt, wie unfair ich war mit ihm". Gemeint war: dass er, Guardiola, ihn zuvor nur einmal eingesetzt, aber auch alsbald wieder ausgewechselt hatte - nach nur 53 Minuten im Februar gegen Darmstadt. Als Nothelfer war Tasci im Winter engagiert worden, als Reservist für die muskulär malade Abwehr. Erst in Berlin erhielt Tasci seinen Ritterschlag, nachdem er 90 Minuten lang in einer wieder mal neu formierten Defensivkette das Zunull sichern half. Tasci, 29, der von Spartak Moskau geholt worden war, wird München bald wieder verlassen, wohin es ihn zieht, ist offen, aber er darf sich fortan als festes Mitglied der Meistermannschaft 2016 fühlen, die den 26. Titel des FC Bayern, den vierten in Serie, wohl am Samstag gegen Mönchengladbach besiegeln wird.

Dann wieder in Anwesenheit von Philipp Lahm, dem Guardiola vor dem Trip zum Halbfinale bei Atlético Madrid eine Sofa-Pause gönnte. Und dann wohl mit noch viel mehr Fragen zur persönlichen Pep-Bilanz. "Ich war sehr glücklich, hier zu sein in Deutschland", war eine Antwort, die der Trainer in Berlin gab: "Für mein Leben, für meine Familie bleibt diese Erfahrung immer in meinem Herz." Noch sind es sieben Spiele, maximal, aber egal, was passiert, sein Drei-Worte-Fazit wird der öffentliche Guardiola kaum mehr umformulieren: "Super, war toll!"

© SZ vom 25.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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