FC Bayern steht im Pokalfinale:Gierig wie noch nie

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Überragende Leistung: Bayerns Xherdan Shaqiri.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Beim rauschhaften 6:1 gegen Wolfsburg demonstriert der FC Bayern seinen fast schon unheimlichen Willen, in dieser Saison möglichst viele Titel zu gewinnen. In Xherdan Shaqiri und Mario Gomez überzeugen erneut zwei Spieler, die nicht zum Stammpersonal gehören.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Vielleicht war es diese eine Szene im Mittelfeld, die als Pars-pro-toto für den gesamten Saisonverlauf des FC Bayern dient. Da balgte sich Xherdan Shaqiri Mitte der zweiten Halbzeit mit Wolfsburgs Naldo um den Ball - und plötzlich prallte der deutlich größere Brasilianer am zwergenhaften Schweizer ab. Shaqiri, gesegnet mit den Proportionen einer kompakten Vollholzkommode, schnappte sich die Kugel und münzte seine überschüssige Energie gleich noch in eine Pirouette um.

Solche Momente goutiert selbst die verwöhnte Kundschaft auf den Münchner Rängen mit Gejohle, schließlich vermitteln sie mehr als nur das Gefühl eines gewonnenen Gerangels. Was die Bayern beim 6:1 (2:1) gegen den VfL Wolfsburg veranstalteten, war eine knallige Vorführung ihrer unheimlichen Willenskraft in dieser Spielzeit. "Die Mannschaft hat so viel Selbstvertrauen. Was sie spielt, ist fast Perfektion," schwärmte entsprechend gut gelaunt Präsident Uli Hoeneß, ehe er in die laue Münchner Frühlingsnacht entschwand.

Die Bayern spielen seit Monaten außerordentlich gut, keine Frage. Doch selten kam ihre Entschlossenheit, alle Titel abzuräumen, so offensichtlich zum Vorschein wie an diesem Pokalabend. Wer den Spielern nach dem Duschen in die Augen blickte, sah keine müden Krieger, sondern konzentrierte, eifrige Angestellte. Ihr eigenes Saisonprojekt wollen sie unbedingt mit mehreren Pokalen in der Hand vollenden.

"Wir waren so hungrig und motiviert, nach Berlin zu fahren. Das haben wir von Anfang an gezeigt", freute sich Verteidiger Dante: "Ich habe immer diese Bierduschen gesehen und war total begeistert. Jetzt bin ich dabei."

Stolz sah er aus, Bayerns wuschelköpfiger Brasilianer, dabei war er diesmal nur Nebendarsteller. Die größte Bereitschaft offenbarten diejenigen, die in dieser Saison nicht immer mitmachen durften. Shaqiri zum Beispiel, der seinen stärksten Auftritt als Wahl-Münchner hatte. Er zeigte nicht nur Wucht-Demonstrationen, sondern stellte vor allem seine unermüdliche Antriebskraft als Spielmacher zur Schau.

Weil die Wolfsburger sich entschieden hatten, Bastian Schweinsteiger mit dauerhafter Manndeckung zu ärgern, wuselte der Schweizer im Zentrum herum, wie er wollte. "Ich bin nach den letzten Spielen voll im Rhythmus," sagte Shaqiri anschließend: "Dass ich so viel Platz bekam, wunderte mich auch. Immer wenn ich den Ball hatte, sah ich riesige Räume vor mir - das habe ich genutzt."

Sammers Attribute

Und wie. Shaqiri bereitete den zweiten Treffer vor (Robben, 35.), später den vierten (Gomez, 80.) - dazwischen traf er selbst mit einem Linksschuss zum 3:1 (50.). Damit war er der umjubelte Held des Spiels. Und wenn er in einer Woche gegen Barcelona wieder für Franck Ribery weichen muss, dann nur, weil der Franzose beim Gegner noch etwas mehr Angst verbreitet.

Angst hatte zuletzt auch Mario Gomez. Als plötzlich selbst Claudio Pizarro zu treffen begann, war der Nationalstürmer nur noch dritte Kraft im Münchner Angriff - "kein Dauerzustand" dürfe das sein, verkündete prompt sein Berater. Doch so sehr es Gomez wurmt, dass er derzeit wenig Spielzeit bekommt, hängen lässt er sich trotzdem nicht. Auch er fiel mit unbändigem Hunger auf Tore auf, obwohl er wieder nur Einwechselspieler war.

Kaum auf dem Platz, erzielte Gomez binnen sechs Minuten drei blitzartige Kontertreffer (80., 83., 86.), als die Wolfsburger ihre Gegenwehr endgültig eingestellt hatten. Reden wollte Gomez hinterher nicht, das taten andere für ihn. "Mario war überragend. Wenn er soviel Platz hat, scheppert's halt," analysierte Thomas Müller treffend.

Wille, Gier und unbedingtes Erfolgsdenken, diese Attribute aus dem Alltagswortschatz von Sportvorstand Matthias Sammer haben die Münchner bis unter die Schädeldecke verinnerlicht. Diese Mannschaft hat die Fähigkeiten, alles zu gewinnen. Und - das ist die größte Warnung an die Gegner - sie bringt auch charakterlich all die nötigen Siegesgelüste mit.

Kein Wunder, dass bei all den Erfolgen die Stimmung stimmt. "Jupp Heynckes tut viel, um jedem zu vermitteln, dass er gebraucht wird. Er redet frühzeitig mit den Spielern und macht das strategisch sehr gut," erklärte Sammer ungewohnt offen die Formel der Personalführung. Und so musste letztlich einer, der die Willenskraft der Bayern am eigenen Leib zu spüren bekam, den angereisten Reportern aus Spanien erklären, was die Bayern für den FC Barcelona in der Champions League gefährlich machen könnte.

Wolfsburgs Torschütze Diego (traf zum 1:2, 45.) wusste es ziemlich genau: "Sie sind unglaublich stark, lassen nicht locker und haben enorme Lust auf Siege." Die Spanier kritzelten die Worte des Brasilianers gespannt in ihre Blöcke.

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