FC Bayern:So lief Guardiolas erste PK in München

FC Bayern Muenchen Presents New Head Coach Josep Guardiola

2013 gemeinsam auf dem Podium: Pep Guardiola (rechts) und der damalige Präsident Uli Hoeneß.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Wie fing alles an? Die SZ blickt in einer digitalen Sonderausgabe auf drei Jahre Pep Guardiola beim FC Bayern zurück - unter anderem zu lesen: Der Text über die erste Pressekonferenz mit dem "Heiland".

Von Claudio Catuogno

Gleich wird ein neuer Fußballtrainer vorgestellt, um fünf nach zwölf wird er durch die Türe treten. Fünf nach zwölf. Keine Sekunde früher. Davor laufen ja noch überall Nachrichten, und "es passieren so wichtige Dinge auf der Welt", merkt der Mediendirektor des FC Bayern generös an: "Wir wollen den Fernsehstationen die Möglichkeit geben, über diese wichtigen Dinge zu berichten."

Fünf Minuten für die wichtigen Dinge. Und dann den Rest der Stunde für Pep Guardiola.

Nie zuvor hat man so viele TV-Kameras, Fotoapparate, Blitzlichter, Journalisten im Pressesaal der Münchner Fußball-Arena gesehen wie am Montagmittag. 250 Reporter aus elf Ländern, der FC Bayern hat das schon im Detail ausgewertet, und ein besonderer Gruß geht an die Kollegen aus Japan, Brasilien und Katar. Kann da jetzt noch jemand zweifeln an der Größe des Moments? An der Größe des Projekts, das hier jetzt gleich seinen Anfang nehmen wird, um fünf nach zwölf?

Er ist da, der Heiland

Auf der einen Seite des kinoartigen Saales stehen "Bayerische Tapas" bereit: Tafelspitzsülze, Radieserl-Kresse-Salat, Ochsenroastbeef. Die "Spanischen Tapas" stehen gegenüber, Queso Manchego, Pulpo, der Jamón Ibérico wird frisch von der Schinkenkeule gesäbelt, dazu marinierte Arbequina-Oliven. Der Pep, wie sie ihn später schon freundschaftlich nennen werden, obwohl man sich erst flüchtig kennt, der Pep also ist noch gar nicht da. Aber der Versuch, die bayerisch-spanischen Gegensätze zu überbrücken, er hat schon mit Verve begonnen.

Tafelspitzsülze.

Darauf hat sich Pep Guardiola jetzt also eingelassen. Freiwillig, wie er betont. Auf dem Flug von Barcelona am Sonntagabend hat er sich bei der Stewardess der Lufthansa sogar erkundigt, was Apfelstrudel ist. Das weiß man, weil die Bild extra einen Reporter an Bord geschleust hat, der sich und Guardiola offenbar mit seinem Smartphone fotografiert hat. Wer sich jetzt fragt, was daran spannend sein soll, wie ein 42-jähriger Spanier in einem Flugzeug sitzt und nach München fliegt, der hat nicht begriffen, worum es hier geht, am Montag um fünf nach zwölf, im Bauch eines Fußballstadions unweit der glamourösen Kläranlage von München-Fröttmaning.

Der Heiland ist gekommen.

Oder jedenfalls ein Mann, von dem man fast schon angenommen hatte, dass sie ihn erst einmal zum Starnberger See bringen, um zu schauen, ob er auch wirklich über Wasser gehen kann. Was wurde in den vergangenen Monaten über ihn geraunt und geschwärmt: Er geht in New York mit Woody Allen zum Mittagessen! Er liebt Hermann Hesse und Immanuel Kant! Er hat - nebenbei - den Fußball neu erfunden und mit dem FC Barcelona 14 Titel in vier Jahren gewonnen.

Gigantischer Druck auf Guardiola

Und nun, das ist jetzt quasi die Crux mit der Heiligkeit, soll Pep Guardiola also den FC Bayern München trainieren, den in diesen Wochen vor allem eines auszeichnet: dass man ihn nicht erlösen muss, von keiner Krise, auch von keiner unerfüllten Sehnsucht mehr. Weil er schon der beste Klub Europas ist, aktueller Champions-League-Sieger, aktueller Triple-Gewinner, Leitbild für die Fußballwelt. Und das ist jetzt natürlich auch wieder eine besondere Herausforderung: dass man als Heiland bloß das Niveau des Vorgängers halten muss, der Jupp Heynckes hieß und jetzt auf einem Bauernhof in Schwalmtal am Niederrhein den Ruhestand genießt.

Andererseits klingen jene Bedenken, was dieser Guardiola denn in München noch erreichen soll, auch wieder herrlich müßig: Wenn der FC Bayern unter Jupp Heynckes nicht all diese Titel geholt hätte, wäre der Druck auf den Pep ja kein Gramm leichter gewesen. Und welchen Trainer hätte der FC Bayern denn sonst holen sollen, jetzt, wo alles gewonnen ist? Einen aufstrebenden U17-Trainer? Oder noch mal Giovanni Trapattoni?

Pep Guardiola setzt sich erst mal. Rechts von ihm auf dem Podium sitzt Uli Hoeneß, der Bayern-Präsident, der müde und nachdenklich wirkt, Stichwort: Steueraffäre. Links von ihm sitzt Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef. Ganz außen sitzt Matthias Sammer, der Sport-Vorstand. Das sind seine neuen Kollegen. Guardiola, feiner Zwirn, dezente Krawatte, Weste, sagt: "Guten Tag, Grüß Gott, meine Damen und Herren, verzeihen Sie mir mein Deutsch - aber ich habe ein Jahr in New York gelebt, und es ist nicht der optimale Ort, um Deutsch zu lernen."

Es ist ein bescheidener Start, und auf diese Weise wird es jetzt noch eine Weile weitergehen. Kein selbstgefälliges Trommeln. Kaum Programmatik. Kein Verweis auf seine Erfolge, Titel, Pokale.

Ein leiser, sympathischer Mann.

Der FC Bayern ist stolz

Andererseits: Schimmert nicht schon durch diese Begrüßungsfloskel sein Ehrgeiz, sein Perfektionismus? Er hat erst vor ein paar Monaten mit dem Deutschlernen angefangen, mit einer Privatlehrerin in New York, wo er sich ein Jahr Auszeit vom Fußball gegönnt hat mit Frau und Kindern. Und dann schleicht sich kein einziger Fehler in seine ersten Sätze.

Der FC Bayern, das ist zu spüren, ist ziemlich stolz auf diesen Mann: Ständig wird darauf hingewiesen, dass er auch woanders hätte hingehen können, für noch mehr Geld. Pep Guardiola geht auf all das nicht ein. Später, bevor er draußen in der Arena auf seiner künftigen Trainerbank Platz nimmt, spricht er lange mit zwei Kindern in Bayern-Trikots, die liegen ihm ersichtlich mehr als all die Reporter und Fotografen. Was er jetzt ändern, verbessern, optimieren will, das ist die am häufigsten gestellte Frage. Guardiola sagt nur: "Ich muss mich den Spielern anpassen. Der Fußball gehört den Spielern."

Und die Kultur? München? Was will er sich ansehen? Mit wem will er sich treffen? Guardiola spricht nun seit einer Stunde Deutsch, das zehrt. Die Kultur. Ja. Er sagt etwas, aber es ist nicht leicht zu verstehen.

Pinakothek? Videothek?

Egal. Er grinst dann. Und sagt: "Die Künstler müssten an die Säbener Straße kommen, die nächsten Monate werde ich sehr viel dort sein."

Am Abend des 9. August geht es das erste Mal unter seiner Regie um Punkte. Gegen Borussia Mönchengladbach. Was, wenn der FC Bayern am ersten Spieltag der Bundesligasaison nicht über ein Unentschieden hinauskommt?

Pep Guardiola wäre: ein Mensch. (Text von 2013)

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