FC Bayern:Siegen und streiten

Harmonie geht anders: Die Bayern besiegen den SV Werder Bremen mit 3:1 - doch der Disput zwischen einem aufmüpfigen Thomas Müller und einem genervten Arjen Robben fügt sich nach dem Spiel ins Bild eines aufgewühlten Klubs.

Maik Rosner

Arjen Robben ist mehrfach auf diese Szene angesprochen worden, und wenn es irgendwie möglich schien, versuchte er auszuweichen. So, wie er gewöhnlich mit seinen Widersachern auf dem Platz verfährt. "Ich habe mich so gefreut, dass wir drei Punkte geholt haben. Das war ein bisschen zu viel vielleicht", scherzte Robben ein wenig verlegen. Dem Niederländer war es ganz offensichtlich peinlich, was ihm da gegen seinen Mitspieler Thomas Müller unterlaufen war. Doch was eigentlich? Gar ein Fausthieb? So jedenfalls sah das auf einem Foto aus, das Robben nun wohl noch einige Male bei der Zeitungslektüre ertragen muss.

SV Werder Bremen v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Harmonie sieht anders aus: Arjen Robben versucht seinen Kollegen Thomas Müller zu maßregeln. Nach dem Spiel war das dem holländischen Star des FC Bayern ein wenig peinlich.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

"Ja, ja", versuchte er zu beschwichtigen, "das ist gar nichts, da müssen wir auch nicht mehr draus machen. Wir sind eine Mannschaft, und das sind Dinge, die passieren. Das gehört dazu". Das klang sehr nach dem Versuch, den Zwischenfall herunterzuspielen. Doch er räumte durchaus schuldbewusst ein, er werde mit Müller noch ein weiteres Mal darüber reden. Denn "das muss gleich wieder weg sein". Als sein Zorn noch nicht ganz weg war, hatte Robben allerdings recht barsch über seinen Mitspieler gesprochen. "Das ist nicht respektvoll. Es ist gut, wenn man diskutiert. Aber das macht man nicht mit den Händen." Er "hasse" das, grollte Robben gar.

Es passte ins Bild der zuletzt aufgewühlten Gemengelage beim FC Bayern, dass auch nach dem 3:1 (0:0)-Auswärtssieg bei Werder Bremen wieder einmal ein Streit zum Thema wurde. Müller hatte sich gestenreich beschwert, weil Robben ihm wiederholt die Vorlage verweigert hatte. So sah das jedenfalls der junge WM-Torschützenkönig. Ziemlich aufmüpfig, dachte sich wohl Robben. Und erwiderte Müllers Mäkeln ganz offensichtlich mit einer spürbaren Geste. Als Ringrichter fungierten übrigens Mario Gomez und Anatoli Timoschtschuk.

Raufende Bayern also in Bremen. Das bot sogar deutlich mehr Unterhaltungswert, als nach der Unruhe der vergangenen Tage zu erwarten gewesen war. Überlagert von den Dissonanzen zwischen Trainer Louis van Gaal und Präsident Uli Hoeneß waren die Münchner mit dem Auftrag ins Weserstadion gereist, die bisher bescheidene Auswärtsbilanz von gerade einmal zwei Siegen in der Liga aufzubessern. Das gelang tatsächlich, obwohl es zunächst nicht danach ausgesehen hatte.

Bereits nach 40 Sekunden musste Torwart Thomas Kraft seine beste Tat des gesamten Spiels vollbringen, als er einen Schuss von Clemens Fritz mit einem Reflex abwehrte. Und nachdem Bremens Innenverteidiger Per Mertesacker mit der Lässigkeit eines WM-Torschützenkönigs zu Beginn der zweiten Halbzeit eingeschoben hatte, drohte sich das zuletzt zunehmende Maulen in München zu einem mittleren Beben auszuwachsen.

"Da fällt man vom Glauben ab"

Doch die Bayern haben ja noch Robben, den außergewöhnlichen Kicker. In der 65. Minute entwischte er seinem Bewacher Mikael Silvestre und rammte die Hereingabe von Danijel Pranjic akrobatisch zum Ausgleich ins Tor. Der Auftakt zur Wende, wieder einmal durch den Fußballer des Jahres. Elf Minuten später lief Mertesacker in einen Pass von Mario Gomez und brachte die Bayern ungewollt in Führung. Und kurz vor Schluss kühlte der eingewechselte Stürmer Miroslav Klose sein unzufriedenes Gemüt nach Müllers Zuspiel mit seinem kleinen Erfolgserlebnis. "Es ist unglaublich, was meine Mannschaft geschafft hat. Nach einem 0:1 so zurückzukommen - großes Kompliment", sagte van Gaal stolz.

Der dritte Münchner Sieg binnen einer Woche bedeutete für Bremen zugleich eine weitere Enttäuschung nach dem vorangegangenen 0:3 beim 1. FC Köln. Und auch bei Werder waren einige ziemlich aufgebracht. Was weniger an Tim Wieses Kung-Fu-Einlage kurz vor Schluss gegen den arg gebeutelten Müller lag, sondern an Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer.

Der hatte den Bremer Torwart nach seinem unabsichtlichen Foul, aber deutlich überzogenen Einsatz zwar vom Platz gestellt. Es ging aber um jene Szene in der 67. Minute, als Kinhöfer Luiz Gustavos Handspiel im Strafraum als nicht elfmeterreif gewertet hatte. "Der Schiri war grottenhaft. Da fällt man vom Glauben ab. Er war wohl ein bisschen für Bayern", empörte sich Werders Kapitän Torsten Frings: "Wenn er den Elfer gepfiffen hätte, dann wäre das ein anderes Spiel geworden. Und Wiese wäre nicht vom Platz geflogen."

Witzelnde Papageien und schimpfende Bremer

Durchaus richtig, befand Klaus Allofs. Eigentlich ist der Bremer Manager für seine ausgewogene Meinung bekannt. Doch es sind auch bei Werder unruhige Zeiten angebrochen, nach der schlechtesten Zwischenbilanz seit mehr als 30 Jahren, als der Verein zuletzt aus der Bundesliga abgestiegen war. Drei Punkte Vorsprung sind es derzeit noch auf die Gefahrenzone, und so geriet Gustavos Handspiel zum Anlass für ungewohnt schroffe Töne.

"Das ist lächerlich. Das macht keinen Spaß mehr. Alle haben das gesehen", schimpfte Allofs. Plötzlich bekomme man klare Elfmeter nicht. "Und andere seltsame Dinge. Das ist wohl das Schicksal, wenn man unten steht", sagte er. Kinhöfer befand aber auch nach dem Bilderstudium, richtig entschieden zu haben. "Aus unserer Perspektive hat der Spieler Gustavo den Ball vorher an die Hüfte bekommen", sagte der Schiedsrichter.

Bayrisch-holländische Streitkultur

Immerhin gewannen die Bremer die Erkenntnis, den Meister stark gefordert zu haben. "Wenn wir so spielen, wie gegen die Bayern, holen wir bald die Punkte, die wir brauchen", meinte Allofs. Doch wegen des bisherigen Wankelmuts der Mannschaft traute er sich dann doch nicht, bereits die Trendwende auszurufen. Er habe die Sorge, "dass wir weiter so Spiele abliefern wie vor einer Woche beim 0:3 in Köln". Auch Trainer Thomas Schaaf erinnerte vorsichtshalber an die schwierige Tabellensituation.

Denn der Klub und seine Profis sind es ja gewohnt, um Titel oder zumindest europäische Sonderschichten mitzuspielen. "Keinen Millimeter" dürfe man deshalb in der ungewohnten Lage von dem gezeigten Einsatz gegen die Bayern abweichen, mahnte Schaaf. Laut Allofs ist der Trainer weiter unumstritten, ein Wechsel sei "natürlich" kein Thema. Eine weitere Niederlage am kommenden Wochenende in Mainz könnte diese klare Haltung allerdings aufweichen.

Was der Erfolg für die jüngste Unruhe um van Gaal bedeutet, ist mittelfristig nicht abzusehen. Er hoffe, dass nun zumindest für eine Woche wieder Ruhe einkehre, sagte der 59-Jährige mit einem Lächeln. Und deshalb verzichtete er wohl auch darauf, seine Kritik an seinen Kritikern Oliver Kahn und Mehmet Scholl zu erneuern. "Ich will mich nicht wiederholen, weil ich dann ein Papagei bin", witzelte er. Die ehemaligen Bayern-Profis hatten jüngst Kritik daran geübt, dass Kapitän Mark van Bommel an den AC Mailand abgegeben wurde. Van Gaal hatte das als "Papageien-Musik" abgetan. Okay, sagte der Trainer nun frohgemut, "es ist sehr gut, wir stehen auf dem dritten Platz. Das ist der Champions-League-Bereich. Das ist, was wir wollen."

Und dann sprach er noch über den Disput zwischen Robben und Müller. Er finde es gut, wenn sich die Spieler gegenseitig zur Verantwortung rufen. Aber das müsse mit Respekt geschehen. "In Holland ist es sehr gewöhnlich, dass wir miteinander streiten und sagen, was wir zu sagen haben. Das ist eine andere Kultur als in Deutschland", erklärte van Gaal. Das klang beinahe schon wieder wie eine Anspielung auf Hoeneß. Doch gestritten werden soll ja vorerst nicht mehr.

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