FC-Bayern-Sieg in Bremen:Unersättlich bis zur letzten Sekunde

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Gibt den demütigen Lehrer in München: Pep Guardiola

(Foto: AFP)

Die Bayern dominieren die Liga wie kaum eine Mannschaft vor ihnen. Großen Anteil daran hat Trainer Pep Guardiola, dem es vorzüglich gelingt, 20 Hochbegabte bei bester Laune zu halten. Vor dem 7:0 in Bremen hat er sich schon wieder etwas Neues einfallen lassen.

Von Carsten Eberts, Bremen

Es muss um die 70. Spielminute herum gewesen sein, als Pep Guardiola an die Seitenlinie trat. Da stand er, fuchtelte mit den Armen und Fingern und gab Thiago Alcántara, der in ein paar Metern Entfernung trabte, genaueste Anweisungen. Wie ein Besessener vollführte Guardiola seine Zeichensprache, fixierte seinen kleinen Mittelfeldspieler starren Blickes. Er wollte Thiago besser machen, genau jetzt, in diesem Moment.

Dabei war das Bundesligaspiel bei Werder Bremen längst keine knappe Angelegenheit mehr, die Guardiola mit seinem Fingerspiel in die richtige Richtung hätte lenken können. Es war längst entschieden. Die Bayern hatten gerade das 5:0 erzielt.

Die Szene an der Seitenlinie sagt einiges aus über den Vortrag der Bayern in Bremen, der sogar noch höher, mit 7:0 (3:0), endete. Wie eine nimmersatte Maschine hatten sich die Münchner über den alten Rivalen hinweggewalzt. Los ging es mit einem Eigentor von Assani Lukimya (21.), bis zur Pause erhöhten Daniel Van Buyten (27.) und Franck Ribéry (38.), ehe Mario Mandzukic (60.), Thomas Müller (68.), abermals Ribéry (82.) und schließlich Mario Götze (90.) die Demontage perfekt machten.

"Heute war es eine Ehre, hier Trainer zu sein", stellte Guardiola nach dem höchsten Hinrundensieg fest. "Die Mannschaft hat einen unglaublichen Lauf", lobte auch Vereinspräsident Uli Hoeneß. Gegen einen Gegner, der immerhin auf Platz zwei der ewigen Bundesligatabelle steht, der zu keiner Sekunde in der Lage war, ebenbürtig zu sein.

Auf die Frage, ob der Sieg gegen Bremen überhaupt den Ansatz von Mühe bereitet habe, erklärte Toni Kroos peinlich berührt, er und seine Kollegen hätten bis zum 2:0 oder 3:0 "schon etwas investieren müssen". Bis zum 3:0 also, bis zur 38. Minute, als Müller und Ribéry den Werder-Defensivverbund mit einem simplen Konter über Rechts aushebelten und der Franzose lockerleicht vollstreckte. Am Ende stand die höchste Heimniederlage der Werder-Historie, nach dem 1:7 im März 1987 gegen Gladbach.

Immerhin ein Mitglied des Bremer Defensivverbunds fand den Mut, über den eigenen Arbeitstag zu sprechen. Wie es war, diesem unersättlichen Offensivmonster gegenüber zu stehen, willens es aufzuhalten, aber doch machtlos. Clemens Fritz attestierte den Bayern, sie hätten sich die Bremer "zurecht gelegt, wie sie es wollten." Er gestand: "Für mich war es das frustrierendste Spiel, seit ich bei Werder bin." Dabei sah er aus wie jemand, der niemals in seinem Leben wieder Freude empfinden würde.

Außerordentlich zufrieden präsentierte sich hingegen Uli Hoeneß, der aktuell immer dann froh zu sein scheint, wenn er über Fußball reden darf. Der Bayern-Präsident lobte insbesondere Trainer Guardiola, der es als erster Trainer geschafft hat, bei seinem Einstand die ersten 15 Partien ohne Niederlage zu bestreiten (13 Siege, zwei Unentschieden). Und der nach Hoeneß' Ansicht gerade einen formidablen Job erledigt.

"Er schafft es, 20 Spieler bei Laune zu halten", sagte Hoeneß. Eine Mannschaft wie den FC Bayern mit diesem Angebot an Spitzenkäften ohne Aufkommen von schlechter Stimmung zu Höchstleistungen zu moderieren, sei "die Kunst eines großen Trainers". Hoeneß verharrte kurz, sagte dann: "Und wir haben einen großen Trainer."

Guardiola gibt den demütigen Lehrer

Seit Juli ist Guardiola nun in Diensten des Klubs, und es wird immer deutlicher, wie er mit seiner Mannschaft arbeitet. Am Samstagvormittag hatte sich noch eine weitere vielsagende Szene ereignet, als Guardiola um eine kurze Trainingszeit im Weserstadion bat. Ein wenig Anschwitzen, etwas Ballarbeit, nicht einmal fünf Stunden vor dem Spiel, so der Plan.

Er hasse es, diese Tageszeit im Hotel zu verbringen, wo die Spieler entweder schlafen oder am Computer herumhängen würden, sagte Guardiola: "Das ist nicht gut, deshalb gehen wir raus." Trainingseinheiten kurz vor den Spielen, so habe er es schon in Barcelona gehandhabt. In der Bundesliga dürfte diese Idee indes ziemlich neu und einzigartig sein.

Guardiola steht wie kein anderer für die unersättliche Gier nach Erfolgen, die die Bayern derzeit umtreibt. Und seine Profis ziehen alle mit. "Alle Spieler haben eine gute Mentalität, deshalb funktioniert die Gruppe", erklärte stellvertretend Ribéry, der nach seiner Rippenverletzung in die Startelf zurückgekehrt war: "Genau so müssen wir weiter machen."

Guardiola selbst wollte seinen eigenen Anteil am Erfolg nicht überbewertet wissen. Er sei ja nur der Lehrer, sagte der Katalane. Dann gratulierte er Sportdirektor Matthias Sammer, Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, auch Präsident Hoeneß, für die Zusammenstellung dieser Mannschaft, die er trainieren darf, die ihm momentan so viel Freude bereitet.

"Als Trainer bist du nur gut, wenn du gute Spieler hast", sagte Guardiola, "und ich bin glücklich, hier zu sein." Das Lob für seine Arbeit überließ er anderen. Trotzdem dürfte er vielleicht eine Ahnung haben, dass ihm gerade ganz schön viel gelingt.

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