FC Bayern:Selbst Robben und Lewandowski lachen zusammen

Bayern München - RB Leipzig

Sonst nur im Hunger nach Toren vereint: Arjen Robben (r.) Robert Lewandowski umarmen sich im Spiel gegen den BVB.

(Foto: dpa)
  • Der FC Bayern München verwandelt einen Fünf-Punkte-Rückstand auf Dortmund in einen Sechs-Punkte-Vorsprung auf Dortmund.
  • Das liegt auch daran, wie Bayern-Trainer Jupp Heynckes die Harmonie in der Mannschaft wiederhergestellt hat.
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Von Benedikt Warmbrunn, Dortmund

Der Tatort lag nur wenige Meter von der Mittellinie entfernt. Die zwei Männer, die sich schon eine Menge missgönnt haben im Leben, die sich gegenseitig Egoismus vorgeworfen haben, die ihre Gefühle mit Gesten der Ablehnung zelebriert haben, standen sich nun gegenüber, fast Stirn an Stirn. Sie diskutierten. Sie kamen sich näher. Sie fassten sich, erst der eine, dann der andere, gegenseitig an die Schulter. Nach einer knappen halben Minute des intensiven Austauschs erhob dann der eine, Arjen Robben, die Hand und richtete sie gegen den anderen, gegen Robert Lewandowski. Er holte aus, traf Lewandowski auf der Wange. Nur leicht, fast sanft. Aber er traf. Lewandowski drehte sich weg. Und beide grinsten.

23 Bundesliga-Spiele hat Jupp Heynckes als Trainer noch vor sich, dazu mindestens eines im DFB-Pokal sowie mindestens vier in der Champions League. Vielleicht wäre das ja ein neues Ziel für sein Alterswerk: Arjen Robben und Robert Lewandowski endgültig miteinander zu versöhnen - jene beiden Offensivspieler, die in Konkurrenz um jedes Tor so eng miteinander verbunden sind. Es wäre eine passende Aufgabe für einen, der es zu so viel Kunstfertigkeit als Seelenstreichler, als Harmoniemeister gebracht hat.

Es wäre ein lohnendes Ziel. Denn die deutsche Meisterschaft stellt ja seit Samstagabend ein kleines bisschen weniger eine Herausforderung dar.

Der FC Bayern hat am elften Spieltag 3:1 in Dortmund gewonnen, gegen den ersten Verfolger. Doch die Wucht dieses Ergebnisses erschließt sich nur in der Gesamtschau der vergangenen sieben Spiele, eingerahmt von zwei Länderspielpausen - der Summe der sieben ersten Spiele der vierten Amtszeit von Jupp Heynckes, 72, als Trainer des FC Bayern. Die Mannschaft gewann alle sieben Partien, darunter zwei gegen Leipzig und das am Samstag in Dortmund. Sie kassierte dabei drei Gegentore, davon nur zwei aus dem Spiel heraus. Sie hat vorzeitig das Achtelfinale der Champions League erreicht, sie ist Tabellenführer der Bundesliga. Vor allem hat sie in vier Ligapartien einen Fünf-Punkte-Rückstand auf Dortmund in einen Sechs-Punkte-Vorsprung auf Dortmund verwandelt.

"Wir alle wissen, dass wir es noch besser können", sagt Arjen Robben

"Man konnte natürlich nicht voraussagen, dass wir jetzt so gut dastehen", sagte Heynckes später gewohnt sachlich. "Wahnsinn. Das ist nur Wahnsinn", sagte Robben, "mehr kannst du darüber nicht sagen, dafür gibt es eigentliche keine Wörter." Irgendwie können sie beim FC Bayern selbst noch nicht glauben, dass der Weg zurück an die Spitze so einfach war.

Wobei das schon das ganze Geheimnis ist: dass es so einfach ging.

Heynckes ist kein Mann für Experimente, er hat aus seinen nicht ganz viereinhalb Jahren als Ruheständler keine neuen taktischen Erkenntnisse mitgebracht. Er macht vielmehr im Wesentlichen das, was er 2013 gemacht hat und womit er den FC Bayern zum ersten und bislang einzigen Triple der Vereinsgeschichte geführt hat. Er hat eine klare Hierarchie aufgebaut, damit gibt er den Leistungsträgern Vertrauen. Er führt viele Gespräche, nimmt jeden ernst; dadurch gibt er denen, die nicht ganz so oft spielen, Vertrauen. Er verliert nie die Ruhe. Er geht kein unnötiges Risiko ein, nicht mit angeschlagenen Spielern, nicht mit fremden Systemen. Und so mobilisiert er wie 2013 auch die letzten Reserven, die in der Mannschaft stecken. Und die entwickelt Spiel für Spiel einen immer stärkeren Willen, allen zeigen zu wollen, dass sie noch zur Spitze zählt, in der Liga, auch in Europa (wo es Anfang Dezember gegen Paris zum nächsten ernsthaften Test kommt).

James grätscht spektakulär

Gegen Dortmund hatte Heynckes nur eine kleine Überraschung in der Startaufstellung, zumindest auf den ersten Blick: Auf der Position hinter Angreifer Lewandowski spielte James Rodríguez. Überraschend war das, weil es eine sehr offensive Formation war. Allerdings war es auch eine Aufstellung mit minimierten Risiko - James spielte auf seiner Lieblingsposition. Jeder kannte also seine Laufwege, seine Passwege; James wies später eine Passquote von fast 96 Prozent auf, sechsmal eroberte er den Ball zurück. Besonders spektakulär war eine Grätsche in der 21. Minute noch in der Dortmunder Spielfeldhälfte gegen Christian Pulisic. Es war eine Phase, in der der FC Bayern mit klaren und einfachen Pässen und Laufwegen einen unausweichlichen Druck auf den BVB aufbaute. In dieser Phase trafen Robben mit einem lässigen Schlenzer (17.) und Lewandowski mit einem Hackentrick (37.). "In der ersten Hälfte haben wir überragend gespielt", lobte Heynckes.

Dass da wieder eine Einheit auf dem Platz steht und nicht eine Ansammlung von Grüppchen und verletzten Eitlen wie unter Heynckes' Vorgänger Carlo Ancelotti vor gerade einmal fünfeinhalb Wochen, zeigten vor allem die kleinen Szenen. Dass Niklas Süle als Boateng-Ersatz im Strafraum den Ball ganz selbstverständlich vor Pierre-Emerick Aubameyang weggrätschte (12.). Dass Torwart Sven Ulreich sich mit einer Manuel-Neuer-Ruhe den Dortmunder Angreifern entgegenstellte (30., 44., 75.). Dass David Alaba wieder entschlossener im Offensivspiel auftrat, zum Beispiel bei seiner Flanke, die so scharf war, dass sie nicht einmal für Lewandowski zu erreichen war - und einfach ins Tor weiterflog (67.). Dass Robben und Lewandowski miteinander lachten (72.). Oder auch, dass der Franzose Corentin Tolisso sich auf der Ersatzbank aufrichtig über jedes Bayern-Tor freute. Zur Erinnerung: Tolisso kam im Sommer als teuerster Zugang der Vereinsgeschichte.

Wer noch daran glaubt, dass dieser FC Bayern in der Liga noch zu stoppen ist? Nun, zumindest der FC Bayern selbst, zumindest offiziell. "Alle sind natürlich in Jubelstimmung. Alles ist überragend und super", sagte Robben, "aber wir müssen schon bodenständig und ruhig bleiben, weil es ist erst Anfang November. Wir alle wissen, dass wir es noch besser können." Verteidiger Joshua Kimmich sagte: "Es darf keiner von uns sagen, die Meisterschaft wäre schon entschieden."

2013 bekam Heynckes zum Abschied von der Mannschaft einen Koi-Karpfen geschenkt, auf Initiative von Mario Gomez - jenes Stürmers, der sich mit Mario Mandzukic und Claudio Pizarro um den Platz ganz vorne stritt, und der dabei nicht immer gewann. Es war eine Geste ganz im Sinne des Seelenstreichlers. Vielleicht sollten sich Robben und Lewandowski demnächst zusammenschließen, um über ein Trainergeschenk für den kommenden Sommer nachzudenken.

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