FC Bayern:Routiniert abgedimmt

FUSSBALL  DFB - POKAL

Akrobat in Rot: Bayern Münchens Douglas Costa, der das Siegtor gegen Wolfsburg erzielte.

(Foto: Rauchensteiner)

Die Münchner verpassen trotz des Erfolgs gegen Wolfsburg die Gelegenheit, Zweifel an ihrem Willen und ihrer Entschlossenheit auszuräumen.

Von Ralf Wiegand

Eine seltsame Mattigkeit lag über der Arena, die ein leiser Ort war an diesem Dienstagabend. Die Stimmen der Spieler konnte man auf den turmhoch gestapelten Rängen so gut hören wie am Rande eines Dorfplatzes, die Kommandos von Mats Hummels zum Beispiel, wenn er seine Bayern ein bisschen nach vorne schieben wollte, oder den Frust von Arturo Vidal, wenn wieder mal ein kurzer Pass nicht angekommen war. Über dem bemühten Spiel der Münchner gegen arg biedere Wolfsburger lag wie dichter Smog natürlich die vorher verbreitete Nachricht vom Abschied Philipp Lahms (siehe auch Thema des Tages), die auch den Zuschauern im Stadion auf ihre Smartphones gepusht worden sein dürfte. Jede Gier, jeder Spielwitz, jede Dominanz, das ganze übliche Mia-san-mia-Gebaren der Bayern: Weg ist es.

Ein Spiel im Achtelfinale des DFB-Pokals an einem kaltgrauen Wochentag zählt naturgemäß nicht zur Kür des FC Bayern, sondern es ist das Schwarzbrot eines Weltklubs. Normalerweise. In einer Phase wie dieser aber, in der ernsthafte Zweifel an der spielerischen Qualität, dem Willen und der Überzeugung der Mannschaft herrschen, wäre es eine gute Möglichkeit gewesen, ein Zeichen zu setzen: Man kann im Maschinenraum noch die Turbinen hochfahren, wenn das Schiff schlingert.

Torschütze Costa spricht über sich selbst wie über ein Investment

Das Zeichen blieb aus, wie gegen Schalke und Bremen. Stattdessen gewannen die Bayern mit 1:0, weil ein fader Schuss von Douglas Costa abgefälscht wurde und der VfL Wolfsburg der Schwäche der Bayern zu spät traute. Nur in den letzten Minuten - und erst dann mutig aufgestellt mit den eingewechselten Waffen Didavi, Malli und Gomez - setzte der VfL den Münchnern so zu, wie die es sich durch ihr unentschlossenes Spiel verdient hatten. Zweimal musste Manuel Neuer die Verlängerung verhindern, dann war der saure Drops gelutscht.

Zu den Eigenarten des Fußballs gehört, dass im Entstehen des größtmöglich messbaren Erfolgs ein Gefühl wachsen kann, dass dieser Erfolg nicht von Dauer sein wird. Der gemessene Erfolg des FC Bayern: unangefochten Erster der Bundesliga, Teilnehmer am Pokal-Viertelfinale, unter den besten 16 Klubs in Europa, wie immer. Gefühlt aber löst sich gerade etwas auf. Das Interview, das Torschütze Douglas Costa am Wochenende zuvor der Bild am Sonntag gegeben hat, ist ein Indiz dafür, dass nicht mehr zwingend alle Spieler dasselbe Ziel verfolgen. Costa sprach dort, übersetzt in bestes Berater-Deutsch, über sich selbst wie über ein Investment, das möglicherweise aus Deutschland abgezogen und irgendwo anders hin transferiert werden müsse, um sein "Karriere-Projekt" voranzutreiben. Es ging ausschließlich um ihn, um Einsatzzeiten, darum, der Beste der Welt zu werden. Seinem Verein blieb da nur die Rolle als Dienstleister für den eigenen Werdegang, den man austauscht, wenn die Erwartungen unterboten werden. Als einen "verzweifelten Versuch seines Beraters, darauf zu drängen, dass er mehr Geld bekommt", interpretierte Bayern-Präsident und Aufsichtsratschef Uli Hoeneß nun das erschreckend seelenlose Gespräch.

Costa schien, wie Joshua Kimmich oder Kingsley Coman, noch im vorigen Jahr die Zukunft des FC Bayern zu gehören. Inzwischen werden sie alle fast wie Nachwuchsspieler mal ein-, mal ausgewechselt, spielen kaum einmal durch. Kimmichs Torgefahr, Costas Tempo-Irrsinn, Comans Dribblings - Geschichten der vergangenen Saison. Und als Renato Sanches gegen Wolfsburg eingewechselt wurde, der kommende Weltfußballer aus Portugal, stutzte man sogar kurz: Renato wer?

Den oft ins Wahnsinnige lappenden Ehrgeiz Pep Guardiolas rechtfertigte, dass sich so gut wie jeder Spieler unter ihm verbesserte, die Jungen sowieso, aber auch Routiniers wie Lahm oder Thomas Müller. Unter Carlo Ancelotti ist das derzeit nicht der Fall. Müller kommentierte, distanziert wie ein Zaungast, die Mannschaft, der er 90 Minuten zusehen musste, habe "seriös, aber nicht brillant" gespielt. Wo die Stimmung darob aber früher gereizt und giftig gewesen wäre, ist sie jetzt nur routiniert abgedimmt. "Normalerweise sind wir immer da, wenn es darauf ankommt", sagte Arjen Robben; mit Blick nach vorne, aufs Champions-League-Achtelfinale nächste Woche. Normalerweise.

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