FC Bayern:Pep Guardiolas tausend Ideen

Bayern Munich's coach Pep Guardiola gestures during a training session at his team winter training camp in Doha

"Wir sind im Moment nicht bereit, die Champions League zu gewinnen": Pep Guardiola vor seiner letzten Rückrunde in München.

(Foto: Naseem Zeitoon/Reuters)
  • Im Trainingslager in Katar versucht Pep Guardiola die Aufregeung um seinen Abgang im Sommer so klein wie möglich zu halten.
  • Weil es keine Freundschaftsspiele und keine Zusatz-Reisen gab, ist der Bayern-Trainer zum ersten Mal richtig zufrieden mit einem Winter-Trainingslager.
  • Sein großes Ziel ist der Gewinn der Champions League. Er findet aber, dass sein Team noch nicht bereit dafür ist.

Von Benedikt Warmbrunn, Doha

Zur Ehrenrettung der Nummern muss vorab angeführt werden, dass sie Ordnung schaffen, dass sie die Dinge benennen, dass sie manchmal sogar Identifikation erzeugen. Die Eins zum Beispiel, der erste Titel von Pep Guardiola mit dem FC Bayern also, war der europäische Supercup, erst der Ausgleich in der letzten Minute der Verlängerung, dann ein gewonnenes Elfmeterschießen, und so war früh der Glaube in Mannschaft und Klub da, dass sie auch mit diesem Trainer erfolgreich sein können. Es folgten bisher zwei deutsche Meisterschaften, ein Pokalsieg, ein Weltpokal, fünf Titel also, die immer für Guardiolas Jahre in München stehen werden, und es müssen ja nicht die letzten gewesen sein. Oder, Pep Guardiola?

"Titel sind Nummern", sagt Guardiola, "und Nummern sind langweilig."

Der letzte Abend des Trainingslagers des FC Bayern in Doha, die tiefschwarze katarische Nacht hat die Aspire Academy umhüllt, von der Terrasse des Teamhotels klingt das Plingen der Tischtennisbälle herüber. Es waren harmonische Tage, es gab keinen Streit, es gab keine nennenswerte Verletzung, und das eine Thema, das es gab, war der euphorische Tatendrang aller Beteiligten vor der anstehenden Rückrunde. Nur der, der dieses Thema aufgebracht hatte, hat darauf wieder einmal einen eigenwilligen Blickwinkel. Meisterschaft, Pokal, Champions League, "am Ende sind das nur Nummern", sagt Pep Guardiola, "Fußball lebt von der Emotion."

Guardiola redet, als ob er noch endlos Zeit in München hätte

Nach der Rückrunde wird der Trainer den FC Bayern verlassen, in dann drei Jahren wird er der Vereinschronik des Klubs einige Nummern hinzugefügt haben, und auch die eine oder andere Emotion. "Ich war traurig, als ich gehört habe, dass er geht", sagt Arjen Robben. "Er ist einer der besten Trainer, die ich je hatte", sagt Xabi Alonso. Er hoffe, sagt Kapitän Philipp Lahm, dass Guardiolas Zeit in München "noch erfolgreicher" werde, was ja eigentlich nur durch den Gewinn der Champions League möglich ist. Allein Guardiola redet weiterhin so, als ob sich nichts verändert habe. Als ob diese Vorbereitung nur einer von vielen weiteren Anläufen sei. Als ob er noch endlos Zeit in München hätte.

"Ich glaube", sagt er am Montagabend, "wir sind im Moment noch nicht bereit, die Champions League zu gewinnen. Wir brauchen noch einen", Guardiola schnipst mit den Fingern, "Schritt nach vorne."

Wer den Trainer in den Tagen in Doha beobachtet, dem fällt schnell auf, dass dieser so akribisch wie immer an diesem nächsten Schnipsen arbeitet. Sein sechstes Trainingslager als Bayern-Trainer dürfte Guardiola ohnehin das liebste gewesen sein, er konnte sich ganz auf die Mannschaft, sich selbst und seine tausend Einfälle konzentrieren. Im ersten Trainingslager am Gardasee war ihm die Atmosphäre zu sehr wie in einem Urlaubsdomizil, dazu die Zuschauer, in den Sommern danach war er stets auf Reisen, konnte fast nicht ernsthaft trainieren.

"Für eure Qualität, zu wenige Aktionen sind gut"

Und bei den ersten Reisen nach Doha störten ihn Anschlusstermine und Freundschaftsspiele. Erst jetzt ist alles so, wie er es sich wünscht. Keine Zusatzreise, keine Freundschaftsspiele. Außerdem trainiert er nachmittags unter Ausschluss der wenigen Zuschauer, er lässt dazu einen schwarzen Vorhang um den Platz aufziehen. Guardiola ist in seinem Element. In der zweiten von zehn Einheiten unterbricht er einmal die Übungen und ruft: "Für eure Qualität, zu wenige Aktionen sind gut!" Dann lässt er die Spieler um den Platz laufen. Und sofort steigt die Intensität.

"Sie haben sehr gut trainiert", lobt Guardiola am Montag die Spieler, er will das losgelöst von seinem bevorstehenden Abschied sehen. Er will, dass es nicht um ihn geht, er will nicht, dass nur seine Tage herunter gezählt werden. "Die Spieler spielen für sich selbst", sagt der Trainer, "jeder will das Beste tun für sich selbst, für den Verein, manchmal auch für den Trainer. Wenn sie aber nicht gut trainieren, bin ich da."

Guardiola fuchtelt und redet, bis er heiser ist

In dieser ersten Trainingswoche, nachdem der Verein im Dezember Guardiolas Abschied angekündigt hatte, verhält sich der Katalane also wie sonst auch, er fuchtelt auf dem Platz herum wie ein Verkehrspolizist, er redet und redet und redet. So viel redet er, dass er am Sonntag eine heisere Stimme bekommt. "Ich habe ein bisschen mehr gesprochen als sonst", sagt er, auch dass ein Zeichen, dass ihn diese eine Nummer namens Champions League durchaus antreibt. "Wenn ich eine Idee habe", sagt Guardiola, "spreche ich darüber."

Über eines aber redete Pep Guardiola auch in den Tagen in Doha mit den Spielern nicht: über seinen Abschied. "Wir sprechen immer nur über Fußball", sagt er, "alle sind im Tunnel."

Nach Rückständen war das Team nicht stabil genug

Für Guardiola selbst ist dieser so genannte Tunnel ein Dauerzustand, er hat ja auch ständig neue Ideen. Am Montag, und das ist ein weiteres Indiz dafür, wie gewissenhaft er in seinem letzten Halbjahr seine Ziele verfolgt, spricht er ungewöhnlich offen an, für welche Situationen ihm eine Idee kommen muss, um noch an diese eine Nummer zu kommen. "Unsere Erfahrung in der Champions League ist bisher, dass wir nach einem Problem nicht stabil waren", sagt er und spricht die Niederlagen in Porto, Barcelona oder gegen Madrid an, als das Team nach einem Rückstand in sich zusammenfiel. Ob er dazu eine neue Taktik finden muss oder ob er einen speziellen psychologischen Ansatz sucht, das hat er jedoch nicht verraten. Noch nicht.

Aber er hat ja auch noch ein bisschen Zeit, tief in seinem Tunnel.

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