FC Bayern nach der Niederlage:Mit Sarkasmus auf der Suche nach der alten Hierarchie

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Zuvor kleinlaut, in der ersten Halbzeit zaghaft, fast eingeschüchtert: Wann hat man den FC Bayern München über weite Strecken eines entscheidenden Meisterschaftsspiels so gesehen? Wie geht der Rekordmeister um mit diesem angstfreien Gegner aus Dortmund? Vielleicht genügt ein Blick aufs Konto.

Thomas Hummel

Franz Beckenbauer wirkte richtiggehend verbittert, beleidigt - und stinksauer. Unten feierten die Dortmunder gerade ihren 1:0-Erfolg, sechs Punkte haben sie nun Vorsprung in der Bundesliga-Tabelle, oben schimpfte der 66-jährige Meinungsmacher und Ehrenpräsident des FC Bayern München am Mikrofon bei Sky und kramte einen uralten Fußballer-Aberglauben aus: Der Gefoulte darf den Elfmeter niemals selbst schießen.

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Für Torwart Manuel Neuer hagelt es Südfrüchte von den BVB-Fans, der echte Thomas Müller steht nicht auf dem Platz, Torjäger Mario Gomez ist extrem blass und Arjen Robben entscheidet wohl die Meisterschaft. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Andreas Burkert, Dortmund

"Vielleicht gibt's das Gesetz nicht mehr oder es ist noch nicht bis nach Holland vorgedrungen", erklärte Beckenbauer sarkastisch. Dieses "Gesetz", wonach der Gefoulte eher einen Elfmeter versemmelt als ein anderer Spieler, ist durch Datenbanken längst widerlegt.

Die Gründe, warum Arjen Robben, der Gefoulte, in der 85. Minute den vielleicht entscheidenden Strafstoß dieser Fußball-Meisterschaft verschossen hat, sind natürlich viel vielschichtiger. Torwart Roman Weidenfeller stand das Glück bei, als er genau dorthin fiel, wohin der Ball rollte. Vielleicht hat Robben die Wucht des Augenblicks beeindruckt, vielleicht überschätzte er sein Selbstvertrauen nach einer für ihn schwachen Leistung.

Warum zeigen die Bayern Profis ihr Können nicht?

Letzteres wiegt für den FC Bayern ohnehin schwerer. Woran liegt es, dass seine hochbegabten Profis in vier Duellen mit Borussia Dortmund ihr Können nicht zeigen und alle Partien mal mehr mal weniger verdient verlieren? Wie geht der Primus des deutschen Fußballs mit einem Gegner um, der sich ihm angstfrei, dominant und qualitativ gleichwertig entgegenstellt? Und dass nun schon im zweiten Jahr in Folge. Die Bitterkeit eines Beckenbauers, der porzellanhafte Gang des Präsidenten Uli Hoeneß nach dem Schlusspfiff über den Dortmunder Rasen verdeutlichen die Schwere des Ereignisses für diesen Klub.

Die Münchner hätten in Dortmund das Spiel angesichts der Schlussphase nicht verlieren müssen. Ja, nicht mal verlieren dürfen. Das Innenleben dieses Duells hatte sich da aber längst geklärt: Am Samstag nach dem Sieg gegen Augsburg hatten Münchner Profis zuhauf fast kleinlaut erklärt, dass es nicht einfach werde in Dortmund.

In der ersten Halbzeit wirkten sie angesichts des Elans und der Entschlossenheit der Borussia eingeschüchtert, zaghaft. Das 0:0 in der Pause war höchst glücklich. Wann hat man zuletzt eine Mannschaft des FC Bayern in einem entscheidenden Spiel um die Meisterschaft so gesehen? Erst als klar wurde, dass es ohnehin kaum mehr schlechter geht, legten die Münchner ihre Hemmungen ab.

Der Titel ist noch nicht vergeben, eine Dortmunder Niederlage in Schalke würde neue Spannung entfachen. Dennoch werden sich nach diesem Ereignis nun einige Männer in München noch intensiver mit dem Umstand beschäftigen, wie man wieder die alte, klare Hierarchie herstellen kann.

Immerhin führen sie ein Unternehmen mit fast 330 Millionen Euro Umsatz. Und danach kommt national erst mal 100 Millionen Euro lang nichts.

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