FC Bayern München:Niemand ist unersetzlich - außer Philipp Lahm

Bayern München - VfL Wolfsburg

Es gibt nur zwei Rechtsverteidiger, die besser sind als der 33-jährige Philipp Lahm: Zum einen ist das der 30-jährige und zum anderen der 27-jährige Lahm.

(Foto: dpa)
  • Der FC Bayern sucht nach dem angekündigtem Abschied von Philipp Lahm einen neuen Rechtsverteidiger.
  • Talente wie der Benfica-Profi Semedo, 23, und Leverkusens Benjamin Henrichs, 19, gelten als Kandidaten.
  • Doch im Klub können sie sich auch eine Zwischenlösung mit den Mittelfeldspielern Sebastian Rudy und Joshua Kimmich vorstellen.

Von Christof Kneer

Um Hector Bellerin zu sehen, müssen die Scouts des FC Bayern an diesem Mittwoch nicht sehr weit reisen. Es braucht dazu nur ein Auto sowie einen gültigen Parkschein, alternativ käme auch eine Anreise mit der U 6 in Frage. Allerdings hat man noch nie gehört, dass sich die Kundschafter eines ruhmreichen Vereins in öffentlichen Verkehrsmitteln herumquetschen, also wird's vermutlich aufs Auto rauslaufen. Kurze Anfahrt durch die Stadt, rein in den Stadionstau und dann ab ins Parkhaus, und danach geht's sehr entspannt raus auf den reservierten Sitzplatz in der heimischen Münchner Arena.

Hector Bellerin ist eine Attraktion, für deren Betrachtung man ruhig mal einen Abend opfern kann. Bellerin, 21, ist nicht nur einfach ein guter Rechtsverteidiger, er ist ein sehr, sehr guter Rechtsverteidiger, und es gibt Scouts, die extra Flugzeuge besteigen, um ihn zu sehen. Bellerin, ein Spanier in Diensten des FC Arsenal, wurde einst beim FC Barcelona ausgebildet, wo er zu seiner angeborenen Schnelligkeit Fähigkeiten wie Technik und Spielverständnis hinzu erwarb. Seinen Vertrag beim FC Arsenal hat er jüngst bis 2023 verlängert, weshalb er nicht nur zu einer seltenen, sondern auch zu einer unbezahlbaren Spezies gehört. Die großen Klubs auf dieser Welt schreckt das aber selbstverständlich gar nicht ab - selbstverständlich beobachten sie diesen Burschen trotzdem, und im Zweifel würde Manchester City in seinem Budget auch noch 30 oder 40 Millionen finden.

Der FC Bayern kennt diesen Bellerin natürlich auch, aber er wird ihn nicht verpflichten. Zu teuer - und ganz sicher sind sie sich in München auch nicht, ob der junge Mann auch dann Weltklasse ist, wenn er auf seiner rechten Flanke nicht nur Spektakel veranstalten darf, sondern unter Dauerdruck auch scharf verteidigen muss.

Einen "Nachfolger für Lahm"? Kann es nicht geben

Auf die Rechtsverteidiger müssen Bayerns Scouts also nicht unbedingt schauen im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League. Beide werden kommende Saison nicht für die Münchner spielen, weder Hector Bellerin noch Philipp Lahm.

Diesen Lahm übrigens würden die Bayern für gut genug halten, um nächste Saison rechts hinten bei ihnen zu verteidigen. Aber dieser Lahm will ja nicht mehr.

Nein, niemand ist unersetzlich, das sagt man so, niemand außer möglicherweise Philipp Lahm. Dieser Aspekt des Lahm-Rücktritts ist wegen der Sportdirektoren-Debatte zuletzt etwas untergegangen: dass die Bayern ab Sommer einen neuen Spieler für diese Position brauchen. Im Verborgenen hat die Suche längst begonnen, aber auch die jüngst intensivierten Recherchen haben nur das befürchtete Ergebnis erbracht: Es gibt nur zwei Rechtsverteidiger, bei denen sich die Bayern sicher sind, dass sie besser sind als der 33-jährige Lahm: Zum einen ist das der 30-jährige und zum anderen der 27-jährige Lahm.

Vor einiger Zeit schon hat Bayerns Technischer Direktor Michael Reschke gesagt, man dürfe mal auf keinen Fall behaupten, dass man einen "Nachfolger für Philipp Lahm" suche. Die Formulierung müssen vielmehr lauten: "Wir benötigen einen neuen Rechtsverteidiger." Denn den werden sie unter Umständen finden; einen Nachfolger auf Lahms Niveau finden sie sicher nicht. Deshalb, meint Reschke, dürfe man "die Latte nicht zu hoch hängen".

Als bräuchte Bayern einen Libero-Nachfolger für Beckenbauer

Lahms Abschied bedeutet nicht nur historisch eine Zäsur, auch sportlich kommt es den Bayern ein wenig so vor, als müssten sie einen Libero-Nachfolger für Franz Beckenbauer suchen. Lahm trommelt seine legendären Trippelschritte nicht mehr im selben Rhythmus auf den Rasen wie früher, und natürlich erwischt man ihn auch mal dabei, wie er einem 21-Jährigen nicht mehr hinterherkommt. Aber eines kann Lahm immer noch nicht: schlecht spielen. Selbst an graueren Tagen langt es dank seiner Spielintelligenz noch zu einer soliden Leistung, und vor allem diese Berechenbarkeit auf höchstem Niveau ist es, die die Bayern dramatisch vermissen werden.

Mittelfeld mit Alonso und Vidal

FC Bayern: Neuer - Lahm, Martínez, Hummels, Alaba - Xabi Alonso, Vidal - Robben, Thiago, Douglas Costa - Lewandowski. - Trainer: Ancelotti.

FC Arsenal: Cech - Bellerin, Mustafi, Koscielny, Gibbs - Coquelin, Elneny - Walcott, Oxlade-Chamberlain, Özil - Sanchez. - Trainer: Wenger.

Schiedsrichter: Mazic (Serbien).

Anpfiff: 20.45 Uhr (ZDF & Sky live).

Erschwerend kommt für die Münchner hinzu, dass sie sich nun auf einen Markt begeben müssen, den es eigentlich gar nicht gibt. Einen Rechtsverteidiger zu treffen, der defensiv und offensiv höchsten Ansprüchen genügt, ist so wahrscheinlich, wie dem Yeti zu begegnen - ja, angeblich wurden beide schon mal gesichtet, aber so richtig kann sich dann doch niemand erinnern. Dem Ideal recht nahe kommt nach Einschätzung der Münchner der ehemalige Leverkusener Daniel Carvajal, dem inzwischen Real Madrid die rechte Flanke anvertraut hat; aber bei Real finden sie selbst nach längerem Überlegen keinen Grund, warum sie diesen Spieler an die Konkurrenz abtreten sollten. Carvajal gehört zu jenen Profis, denen man kein Angebot machen muss. Weil es sowieso sinnlos ist.

Bayern beobachtet Talente wie Semedo und Henrichs

Pep Guardiola hat übrigens auch mal einen Rechtsverteidiger bei seinen bayerischen Vorgesetzten bestellt, er wollte Lahms fürs Mittelfeld freibekommen. Am Ende haben sich die Bayern aber geweigert, den Trainerwunsch zu erfüllen: Die Kandidaten - der Brasilianer Danilo und der Italiener Matteo Darmian - sollten 30 bis 40 Millionen Euro kosten; ein spektakuläres Preis-Leistungs-Nichtverhältnis.

Intern werde die Rechtsverteidiger-Personalie "komplex behandelt", heißt es bei Bayern, auch Talente wie der Benfica-Profi Semedo, 23, und Leverkusens Benjamin Henrichs, 19, werden auf ihre Bayern-Tauglichkeit überprüft. Aber weil es so wenige taugliche Exemplare gibt, gilt der Markt als entsetzlich überteuert, und so schließen die Bayern auch ein Aushilfsszenario nicht aus: dass sie vielleicht eine Saison mit dem guten, alten Rafinha sowie Joshua Kimmich und Zugang Sebastian Rudy überbrücken. Die Mittelfeldspieler Kimmich und Rudy können durchaus mal rechts hinten spielen, selbst wenn das keine wirklich artgerechte Haltung darstellt.

Übrigens: Sollte Lahm gegen den FC Arsenal die dritte gelbe Karte im Wettbewerb sehen, wäre er gesperrt. Die Bayern müssten dann schon fürs Rückspiel einen Nachfolger finden.

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