FC Bayern München:130 Millionen? Koan Bedarf

SV Werder Bremen v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Grund zu Jubeln: David Alaba (links) und Jérôme Boateng

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Christof Kneer

Im Herbst 2006 war der FC Bayern etwa so gut wie Schalke 04 heute. In der Tabelle fand man die Münchner auf durchaus ehrenwerten Plätzen, sie waren mal Dritter, mal Vierter, mal Fünfter, aber halt nicht Erster, und jenseits der Tabelle waren sie ein Folklorebetrieb mit einer folkloristischen Debattenkultur.

Anders als bei Schalke wurde die Folklore allerdings von keinem Fleisch- (Tönnies), sondern von einem Rostbratwurst-Magnaten (Hoeneß) verantwortet, der sich immer wunderbar aufregen musste. "Du prostituierst dich für Manchester United", soll Hoeneß dem Spieler Owen Hargreaves damals vor versammelter Mannschaft zugerufen haben, was kurz darauf als Tatsache in den versammelten Zeitungen landete.

Tatsächlich hatte der junge Engländer damals Ungeheuerliches gewagt: Er war bereit, sich vom englischen Spitzenklub verführen zu lassen, wobei der englische Spitzenklub sich keinesfalls lumpen lassen wollte. 25 Millionen Ablöse bot Manchester dem FC Bayern, der das unmoralische Angebot aber empört ablehnte. Die Bayern drohten damals sogar, als unabhängige Instanz die finsteren Gesellen von der Fifa einzuschalten, wegen eines unlauteren Abwerbeversuchs.

Zeiten ändern sich

Als Manchester United in diesem Sommer den Münchner Bastian Schweinsteiger umschwärmte, haben die Bayern keine Protestnote mehr verfasst. Wenn sie überhaupt jemand eingeschaltet hätten, dann höchstens ein Speditionsunternehmen, das Schweinsteiger beim Packen hilft.

Seit Herbst 2006 hat sich die Fußballwelt stark verändert: Die Tabellenschwankungen der Bayern bestehen heute nur noch darin, ob sie fünf, sieben oder 17 Punkte Vorsprung haben, und der Klub muss auch nicht mehr fürchten, dass ein Spieler, den er wirklich behalten will, aus sportlichen Gründen zu Manchester United überläuft.

Sportlich hat Manchester einem jungen Bayern-Profi im Jahr 2015 nicht mehr allzu viel zu bieten - es sei denn, man steht zufällig auf einen grandiosen Humoristen als Trainer, der seinen Humor allerdings zu sehr eigenen Bedingungen unter die Leute bringt. Louis van Gaal findet ja, dass er als Standortvorteil schon ausreicht, um Spieler zum Wechsel zu überreden. Der sehr spezielle Charme des Niederländers hat immerhin Bastian Schweinsteiger, 31, noch locken können.

Owen Hargreaves ist 2007 dann übrigens doch nach Manchester gewechselt, und die beleidigten Bayern haben es damals nicht versäumt, auf der eigenen Homepage darauf hinzuweisen, dass sie dafür wenigstens mit "einer Transfersumme in Bundesliga-Rekordhöhe" entschädigt würden. 25 Millionen im Sommer 2007 - hochgeschätzt aufs Jahr 2015 würde man damit etwa im Kevin-De-Bruyne-Siebzig-plus-Bereich landen.

Wahrscheinlich war Owen Hargreaves der letzte Spieler, den die Bayern verloren haben, obwohl sie ihn auf gar keinen Fall verlieren wollten. Um Toni Kroos haben sie sieben Jahre später nur noch symbolisch gekämpft, sie fanden ihn schon nett und auch ein bisschen wichtig, aber eben nicht so wichtig, dass man ihm dafür das Gehalt aufblasen müsste (das eingesparte Geld verdient jetzt übrigens der deutlich ältere Arturo Vidal). Abgesehen von dieser sehr umstrittenen Entscheidung haben sich die Bayern zuletzt so klar wie selten zuvor zur Uli-Hoeneß-Doktrin bekannt, wonach der FC Bayern "ein Käufer- und kein Verkäufer-Verein" sei.

Bayern ist furchtlos auf dem Transfermarkt

Sportlich kann es sich der FC Bayern inzwischen leisten, dem internationalen Transfermarkt furchtlos zu begegnen. Dennoch sind hinter den Kulissen gerade verstärkte Aktivitäten wahrzunehmen: Vorbereitet werden gerade neue, selbstverständlich besser dotierte Vertragsangebote für Jérôme Boateng und Thomas Müller, obwohl die bereits bis 2018 (Boateng) bzw. 2019 (Müller) an den Klub gebunden sind; mit Boateng wird in Kürze ein Abschluss bis ins Jahr 2023 erwartet.

Auch mit Torwart Manuel Neuer und David Alaba würde sich der Verein sehr gerne bald übers aktuelle Vertragsende 2018 (Alaba) bzw. 2019 (Neuer) hinaus bis in die Zwanzigerjahre verabreden. Der stolze Käufer-Verein ist gerade dabei, ein noch stolzerer Vertragsverlängerer-Verein zu werden.

Noch sprechen sie bei Bayern nicht öffentlich über ihre Pläne, aber die Pläne sind ja selbsterklärend: Die Bayern kennen ihren sportlichen Reiz, aber mindestens genauso gut kennen sie den monströsen, neuen TV-Vertrag der englischen Premier League, die ab dem kommenden Sommer 2,3 Milliarden vom Fernsehen erlöst - pro Saison.

Schon in diesem Sommer haben die Bayern erleben müssen, wie der Verein, bei dem der Humorist Trainer ist, mit schamlosen Summen Thomas Müller bezirzte; bis zu 130 Millionen Ablöse hätte man aus Manchester bekommen können, flüstern sie bei Bayern mit einer Mischung aus Besorgnis und Amüsement. Sie haben das Thema gar nicht erst zugelassen, aber sie wissen natürlich: Beeindrucken wird das die Engländer nicht.

Vertragsverlängerungen wirken nach innen und außen

"Bei Müller, Boateng, Neuer und Alaba reden wir von absoluter Weltklasse, von diesen Spielern gibt's nicht viele auf dem Markt", sagt Bayerns Kaderplaner Michael Reschke. Deshalb haben die Bayern beschlossen, diese Luxusprofis einfach vom Markt zu nehmen; die Vertragsverlängerungen sollen ein Signal nach innen und außen sein.

Innen soll der Boateng ruhig wissen, dass der Müller auch bleibt (und umgekehrt), und der Douglas Costa soll in seinem Südamerika ruhig rumerzählen, dass er bei einem Klub spielt, der seine Monstergehälter pünktlich überweist und unabhängig vom Trainer ein Abonnement fürs Champions-League-Halbfinale besitzt. Und draußen sollen die Engländer mit ihrem depperten TV-Vertrag begreifen, dass die Bayern ihre Ablösesummen wirklich nicht brauchen.

130 Millionen für Müller, Boateng, Alaba, Neuer? A geh'. Koan Bedarf.

Wenn die Pläne aufgehen, dann hätte der FC Bayern einen zentralen Teil seiner Zukunfts-Mannschaft bereits jetzt bis in die Zwanzigerjahre hinein unter Vertrag. Und wer noch länger bleiben will, muss dann halt noch mal mit dem Klubmanagement verhandeln, zu dem dann womöglich auch Philipp Lahm gehört. Dessen Spielervertrag läuft 2018 aus und wird auf eigenen Wunsch nicht mehr verlängert.

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