FC Bayern München:"Lukas muss jetzt böse werden"

Manager Uli Hoeneß will mit offener Kritik an Podolski eine Reaktion beim Nationalstürmer provozieren. Bleibt nur die Frage, ob ihm das gelingt.

Philipp Selldorf

Zu Lukas Podolski, 22, fallen Uli Hoeneß, 55, auf Anhieb eine Menge Freundlichkeiten ein. Der Manager des FC Bayern mag den jungen Stürmer, den er vor bald 16 Monaten vom 1. FC Köln nach München holte. "Lukas ist ein ganz smarter, lieber, netter Kerl", sagt er, "der ist ganz und gar okay: Da ist nichts Böses, nichts Schlechtes, nichts Hinterhältiges." Aber genau darin besteht nach Uli Hoeneß' Ansicht auch das Problem - dem jungen Stürmer fehle es an aggressiver Energie: "Lukas muss jetzt böse werden", sagt er: "Everybody's darling, Lukas hinten, Poldi vorne - das geht nicht mehr. Wenn er seine Einstellung nicht gravierend ändert, dann wird er es hier nicht schaffen."

"Schalke ist nicht Wales"

Das mag ein wenig schroff klingen, passt aber zur allgemeinen Lage beim Bundesliga-Tabellenführer: Raue Wahrheiten müssen her, findet der Manager. "Wir müssen immer ehrlich zueinander sein, dann kommen wir weiter", lehrt er mit strengem Blick. Vor einer Krise, die den Bayern üblicherweise bereits nach anderthalb sieglosen Spielen nachgesagt wird, hat Hoeneß nämlich keine Angst. Aber diesen Zustand der Reibungslosigkeit, wie er derzeit besteht, den hält er für besonders gefährlich. "Dieses Blenden" durch Lobeshymnen von allen Seiten suggeriere den Spielern, "dass sie bereits Weltmeister sind".

Namentlich die Jüngeren sind dafür empfänglich. Bastian Schweinsteiger, 23, fand sich deswegen am Wochenende auf der Ersatzbank wieder. Zuvor hatte Hoeneß mit ihm "ein ganz langes Gespräch geführt. Er weiß wie immer, was ich von all den Dingen halte, dass ich nichts Böses will". Zu viele "Claqueure" sieht Hoeneß in Schweinsteigers Umgebung, "da ist es wichtig, dass er Freunde hat, die ehrlich zu ihm sind". Und er verweist auf einen scharfen Kontrast zwischen Bundesliga und Länderspiel: "Er spielt gegen Wales gut, aber das war eine zweitklassige Mannschaft. Ich habe ihm gesagt: Wenn Du dich am Mittelkreis drei Minuten auf den Ball gesetzt hättest, dann wäre immer noch kein Gegenspieler gekommen."

Hoeneß ärgert es, dass solche Länderspiele in den Medien oft eine zu positive Wertung erfahren, "zum Schluss glauben sie ja wirklich, dass sie ein Superspiel abgeliefert haben". Er zieht den Vergleich zur Schicht in der Bundesliga: "Schalke ist nicht Wales!" Jüngst, beim 1:1 der Bayern gegen Schalke, hielt sich Schweinsteiger versteckt.

Das Honeß'sche Angebot, gemeinsam und in schonungsloser Ehrlichkeit eine neue Orientierung zu suchen, ergeht nun auch an Podolski, dessen Münchner Problemlage sich aus dem Vergleich zweier Statistiken ableiten lässt: 40 Länderspiele hat Podolski schon bestritten, darin 23 Tore erzielt - rekordverdächtig. Demgegenüber steht seine Bilanz beim FC Bayern: 25 Ligaspiele, vier Tore. Hoeneß warnt schon: "Die Früchte fallen ihm nicht vom Baum in den Mund, die muss man sich hart erarbeiten, auch mit Ellbogen." Gerade jetzt, da seine Einsatzzeiten im Sturm rar sind. Das Duo Miroslav Klose (fünf Saisontore) und Luca Toni (vier) ist gesetzt, hinter Podolski drängt als weitere Offensivkraft der von einer Rückenoperation genesene Jan Schlaudraff nach. "Er weiß, wie man's macht", sagt Hoeneß über den Zugang von Alemannia Aachen, "er hat unglaublich und sehr professionell an sich gearbeitet."

Ähnliches bescheinigt Hoeneß auch Podolski, der im Sommer monatelang wegen eines Knorpelschadens fehlte. Auf seinem Weg zurück, da habe Podolski "toll gearbeitet, da hat er sich super bemüht", aber: "Jetzt kommt die nächste Stufe, und die muss jetzt zünden. In den nächsten sechs bis acht Monaten, da muss sich zeigen, ob er das schafft oder nicht. Er ist bald anderthalb Jahre hier. Im zweiten Jahr muss er kommen."

"Nicht links an der Eckfahne"

Dass Podolski die Herausforderung zu ehrgeizig angehe, dass er verkrampfe zwischen all der Konkurrenz, hat Hoeneß nicht festgestellt: "Verbissen? Nein, viel zu wenig verbissen. Wenn ich in einem Interview lese, dass er meint, er muss nichts mehr beweisen, dann muss ich sagen: Fehleinschätzung! Ganz im Gegenteil: Er muss etwas beweisen. Er hat nämlich noch nichts erreicht. Er muss böse werden: Jetzt wird die Phase kommen, in der wir ihn härter anfassen."

Hoeneß nennt als Beispiel die Uefa-Cup-Partie gegen Belenenses Lissabon (1:0), in der sich Podolski - wegen einer Klose-Sperre - über 90 Minuten versuchen durfte. "Ein Schuss von halblinks, das ist zu wenig", bilanziert Hoeneß und wird taktisch konkret: "Er ist viel zu offen, ihm kann man leicht den Ball abnehmen. Er hat nur eine starke Waffe, sein linkes Bein, das ist zu wenig. Er muss jeden Ball haben wollen, er muss sich richtig reinhauen. Nicht links an der Eckfahne, sondern da, wo es weh tut." Hoeneß will mit der Schärfe der Kritik eine Reaktion provozieren: "Er muss sich mehr mit seinen Aufgaben beschäftigen, man muss sehen, dass er sich noch mehr hineinquält."

Der Bayern-Manager glaubt, dass diese frühe Phase der Saison geeignet sei, die interne Mängelliste abzuarbeiten. Überraschend gut, meint er, sei der teure Umbau der Mannschaft bislang geglückt, "die Entwicklung hat uns positiv überrollt". Dem 4:1 vom Sonntag in Karlsruhe soll an diesem Mittwoch in München ein Pflichterfolg gegen Cottbus folgen. Dies sei genau der richtige Zeitpunkt, denn "wir müssen immer dann einhaken, wenn zwar die Ergebnisse, aber nicht die Spiele gut sind".

Und da sei nicht nur Trainer Ottmar Hitzfeld, sondern auch er als Manager gefordert, den Spielern "den Spiegel vorzuhalten" und ihnen deutlich zu sagen: "Nicht das Resultat allein ist entscheidend, sondern das, was ihr eigentlich könnt." Und das, sagt Hoeneß, müsse ein Arbeitgeber von den Profis schon noch einfordern dürfen.

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