Nur ein anderes Wort, und die Probleme des FC Bayern sowie ein paar des deutschen Fußballs obendrein wären am Dienstagnachmittag gelöst gewesen, einfach so. Jérôme Boateng, 27, bester Innenverteidiger der Republik und Zentrum der Abwehr des von Verletzungen geplagten Bundesliga-Tabellenführers, sprach erstmals nach seinem Muskelbündelriss beim Rückrundenstart gegen den Hamburger SV öffentlich über seinen Gesundheitszustand.
Und wenn Boateng über seine Gesundheit spricht, ist das beinahe so etwas wie eine Rede zur Lage der Nation. Denn es wird im Sommer wohl auch von der Fitness des Weltmeisterverteidigers abhängen, ob die Nationalmannschaft bei der EM in Frankreich um den Titel mitspielen kann. Deutschlands Fußball-Verteidigungsminister trat also mit Zwirbelfrisur, Hornbrille, Jogginghose und Bayern-Pulli vor ein mit Mikrofonen überladenes Pult an Münchens Säbener Straße - und sagte beinahe, dass er über Wasser laufen könne. Und wer übers Wasser läuft, der kann auch wieder Fußball spielen.
Allerdings sagte Jérôme Boateng das eben nur fast. "Ich kann im Wasser laufen", erklärte er: "Langsam."
Ansonsten kann er relativ wenig tun. Lymphdrainagen, schwimmen, aber überhaupt nicht Fußball spielen. Die Probleme, sie sind noch immer da. "Mein Ziel ist es, dass ich im April wieder ins Mannschaftstraining einsteigen kann", sagte er, "aber ich kann nichts versprechen."
In Dubai suchte Boateng Ablenkung von seiner Verletzung
Beim FC Bayern müssen sie bekanntlich aktuell eine komplizierte Gemengelage moderieren. Es geht vor der entscheidenden Saisonphase um die Abwehrreihe, in der nach den Verletzungen von Boateng, Javier Martínez und dem jüngsten Ausfall von Holger Badstuber wettkampferprobte Innenverteidiger fehlen, die nicht nur gegen den FC Augsburg bestehen können, sondern auch im Achtelfinale der Champions League bei Juventus Turin.
Boateng wäre ohne Zweifel ein entscheidender Faktor im Hinspiel in einer Woche. Seine Diagonalbälle könnten die Angriffe der Münchner aus der Abwehr eröffnen, Schnelligkeit und Zweikampfstärke die Angreifer zermürben. Im Gegensatz zu seinen eher klein gewachsenen Vertretern am Sonntag beim 3:1 in Augsburg, David Alaba (1,80 Meter) und Joshua Kimmich (1,76 Meter), würde Boateng (1,92 Meter) wohl viele Kopfballduelle gewinnen. Mit ihm waren die Bayern offensiv noch variabler und defensiv stets stabil. Ohne ihn könnten sie vielleicht zu berechenbar und anfällig sein. Oder? Boateng sagt: "Die Mannschaft ist stark genug, um Juventus zu schlagen."
Im Kreise der Nationalmannschaft wird derweil schon auf ein Debüt des jungen Leverkuseners Jonathan Tah, 20, spekuliert, um auf Boatengs Ausfall zu reagieren. Für die Frage, ob Boateng in der DFB-Elf ersetzt werden kann, werden die Länderspiele über Ostern gegen England (in Berlin) und Italien (in München) zum wichtigen Test. Noch nie in seiner Karriere fiel er so lange aus, der Muskelbündelriss ist die erste gravierende Verletzung seiner Laufbahn. Er gibt zu, dass ihn die Rekonvaleszenz belastet: "Es ist schon schwierig. Ich kann nicht tun, was ich liebe." Boateng sucht die Ablenkung: Während seine Kollegen trainierten, war er im Urlaub in Dubai. Er posierte für Fotos, mal mit einem Tiger, mal mit einem Affen, war shoppen oder lag am Pool, alles sauber dokumentiert auf seinem Instagram-Account. "Mir geht's ganz gut, ich bin ganz zufrieden mit dem Verlauf, auch wenn ich vier Wochen lang nichts machen konnte."
Rummenigge hörte genau zu
Ein paar Meter hinter ihm stand am Dienstag Karl-Heinz Rummenigge und hörte genau zu, der Bayern-Boss hatte jüngst die Entscheidungshoheit des Klubs über den Termin von Boatengs Rückkehr betont. Der Klub zahle schließlich das Gehalt, Boateng solle erst wieder völlig genesen, bevor er auf die EM-Reise mit der Nationalelf spekulieren könne. "Klar will ich zur EM", sagte Boateng, betonte aber entsprechend der Direktive seines Arbeitgebers: "Mein Thema ist erst mal, mit dem FC Bayern wieder auf dem Platz zu stehen."
Wie ein Comeback auf dem Rasen am besten gelingen kann, hat Boateng am Montag in München mit Holger Badstuber besprochen. Boateng besuchte den Kollegen, der sich am Samstag im Training eine Fraktur des Sprunggelenks zuzog, es ist die fünfte schwere Verletzung seiner Laufbahn. "Holger ist ein Kämpfer, er wird es schon wieder schaffen", sagte Boateng und lächelte. Er will nun zeigen, dass er auch einer ist.
