FC Bayern München:Ärger mit den Scheichs

Wut am Gardasee: Im Trainingslager kritisiert Bayern-Chef Rummenigge Manchester City im Fall Jerome Boateng. Sein Zorn trifft auch eine Ultra-Gruppe. Wegen deren Anti-Neuer-Plakats bekam er "fast 'nen Tobsuchtsanfall".

Moritz Kielbassa

Interview-Gäste vom FC Bayern müssen im Trainingslager am Gardasee auch mit bunten Themen des Lebens rechnen, die Reporter erkundigen sich sogar nach Essgewohnheiten ("Pizza oder Pasta?") oder individuellen Lernerfolgen der Reise ("Herr Robben, sprechen Sie schon Italienisch?"). Auch die Einstiegsfrage an den Vorstandsvorsitzenden war bestechend jovial: "Sommer, Sonne, das Sakko ist schon ausgezogen. Italien - schöne Gefühle, oder?"

Trainingslager FC Bayern München

Kommt noch einer? So lange Jerome Boateng für Manchester spielt, sind die Verteidiger van Buyten (links) und Badstuber (Mitte) erste Wahl.

(Foto: dpa)

Karl-Heinz Rummenigge, in München morgens ins Flugzeug gestiegen, hatte in der Tat die Jacke seines dunkelblauen Anzugs abgelegt, den er nach italienischer Moderegel zu braunen Schuhen trug. Doch ein Geplauder über Dolce Vita hatte Rummenigge nicht im Sinn. Während Trainer Jupp Heynckes bereits sonnige Fazits der am Samstag endenden Trentino-Reise zog, wollte der Klubchef auch einige unerfreuliche Dinge loswerden bei seinem Kurzbesuch.

"Eigenartige Veranstaltung"

Problem Nummer eins: Manchester City. Von den Engländern mit Geldgebern aus Abu Dhabi will Bayern Innenverteidiger Jerome Boateng verpflichten. Auch der Nationalspieler, 22, hat seine Bereitschaft erklärt, es ist ein klassischer Poker um den Kaufpreis, zunehmend zäh und offen. Rummenigge gab sich am Freitag verwundert und säuerlich. Nachdem Manchester einen "Preis aufgerufen hat, den wir nie bezahlen", angeblich 20 Millionen Euro, herrsche Funkstille: "Diese Taktik habe ich noch nie erlebt: Sie lassen gar nichts von sich hören, auch wenn man sie kontaktieren will. Das ist eine eigenartige Veranstaltung", sagte Rummenigge, der die Gabe hat, Dinge ruhig und doch mit Schärfe vorzutragen.

City hat gerade zwei weitere Verteidiger teuer erworben: Gael Clichy (FC Arsenal) und Stefan Savic, einen Montenegriner, für links und innen, Boatengs Positionen - im Grunde gut für Bayern. Rummenigge rügt das Finanzgebaren des neureichen Scheichklubs und verweist auf neue Regularien, die er auch als Chef des europäischen Klub-Dachverbands ECA gutheißt: "Die haben ja bald 48 Spieler, gemäß ,Financial Fairplay' dürfen es nur 25 sein. Ihre letzte Bilanz wies, wenn ich es richtig im Kopf habe, minus 143 Millionen aus. Aber vielleicht kennen die ja einen Trick, um trotzdem an der Champions League teilnehmen zu dürfen."

Gezielte Sticheleien, Wirkung unklar, zumal Manchester diverse Direktoren und Zuständige hat. Ihr Team bricht nun zu einer PR-Tour in die USA auf. Boateng war gerade selbst in Arizona, um bei DFB-Fitnesscoach Forsythe seine Physis zu stärken. Jeder Tag Zeitverlust tut weh in der Vorbereitung, deren Hauptziel bei Bayern diesmal ja die Rückkehr zu seriöser Defensivarbeit ist. Ein neuer Innen- decker hat Priorität, dort ist der Kader noch zu schlank. Rummenigge hat Boateng zugesichert, er bleibe Plan A: "Aber wir zahlen keine Mond- oder Manchester-Preise." Heynckes, in der Sache stets zuversichtlich, hat weiter "die Ruhe weg - aber natürlich Alternativen im Kopf". Eine ist offenbar der Brasilianer Alex vom FC Chelsea, die von Heynckes geschätzten Höwedes (Schalke) und Hummels (Dortmund) sind nicht verfügbar.

Alle am Gardasee erprobten Paare dürften Provisorien sein. Holger Badstuber erfüllt schon am weitesten das Positionsprofil des Trainers: "Ein Innenverteidiger muss Autorität und Sicherheit ausstrahlen - und eine gute Spieleröffnung haben, nach vorne verteidigen, den Ball mitnehmen, schnell umsetzen." Daniel van Buyten bleibt in der Abwehrmitte eine Option mit Licht und Schatten, Breno soll durch Individualprogramm "schlanker, fitter und weniger verletzungsanfällig werden". Den Sechser Luiz Gustavo sähe der Trainer hinten als Kompromisslösung. Anatoli Timoschtschuk hingegen biete sich ausgezeichnet fürs defensive Mittelfeld an, sei aber "kein gelernter, handlungsschneller Innenverteidiger".

Für die Zentrale hat Heynckes zudem Schweinsteiger, Kroos, Alaba, Pranjic. "Ein wunderbares Mittelfeld", betont Rummenigge, deshalb sei er bei Arturo Vidal, dem zweiten schwierigen WunschTransfer, "entspannt". Noch ein Sechser wäre schön, wenn nicht, dann eben, davon gehen die Bayern selbstsicher aus, 2012 bei Vidals Vertragsende. Leverkusen bleibt bei seiner strikten Haltung, es gebe nur eine Ablöseschmerzgrenze fürs Ausland. Robin Dutt, Heynckes-Nachfolger bei Bayer, bekräftigte das - von Rummenigge süffisant gekontert: "Ich dachte, Dutt ist dort Trainer, nicht Manager."

"Stocksauer" auf die Ultras

Hart verurteilt hat der Vorstandschef die eher kleine Ultra-Gruppe "Inferno Bavaria", die im Trentino mit einem Plakat gegen Torwart Manuel Neuer erneut für Unmut gesorgt hatte: "Ich bin stocksauer, habe fast 'nen Tobsuchtsanfall bekommen. Ich ging felsenfest davon aus, dass diese Dinge durch unseren Runden Tisch mit Fanvertretern final geklärt wurden", so Rummenigge. Die Quertreiber sind nun bei Bayern "unerwünscht", Sanktionen wie Stadionverbote sind laut Rummenigge juristisch schwierig: "Wir wollen keine Sippenhaft, aber wir haben Hausrecht in der Arena. Wir lassen uns nichts mehr gefallen, unsere Geduld ist am Ende". Angetan ist Rummenigge von Neuers Reaktion auf die Vorfälle: "Ich bewundere, wie gelassen er damit umgeht. Er scheint eine extrem positive Persönlichkeit zu sein."

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