FC Bayern:Mit dem Leder einer oberbayerischen Kuh

Im Juni vor 75 Jahren feierten die Münchner ihre erste deutsche Meisterschaft. Die Feier war eines der letzten bunten Spektakel, bevor die Farbe braun übernahm.

Christoph Leischwitz

Da war diese Radiosendung. Uri Siegel erinnert sich nicht mehr an viele Details, er war damals neun Jahre alt. Aber eines weiß er noch genau: "Das entscheidende Tor, den Siegesschuss, den hat der Radiosprecher sehr stark hervorgehoben, das war ein harter Schuss aus ziemlicher Entfernung.''

FC Bayern Meister 1932

Die erste Meistermannschaft des FC Bayern: 1932 gewannen die Münchner gegen Frankfurt mit 2:0.

(Foto: Foto: dpa)

Das war in der 75. Minute im Städtischen Stadion zu Nürnberg. Bayern München führte seit der 35. Minute gegen Eintracht Frankfurt mit 1:0, dank eines verwandelten Elfmeters von Oskar Rohr. Es gibt ein Foto von diesem Elfmeter. Der Schütze verschwindet darauf fast hinter einer Kreidewolke, die er selbst aufwirbelt. Der Ball, aus dem Leder einer oberbayerischen Kuh gefertigt, schlägt links neben dem Torhüter ein, den er offenbar auf dem falschen Fuß erwischt hatte.

Leider gibt es kein Foto vom zweiten Tor, denn es war tatsächlich so schön, wie es der Radioreporter geschildert hat. Im Spielbericht der Münchner Neuesten Nachrichten heißt es: "Wieder einmal ist der rechte Bayern-Flügel in bestechendem Zusammenspiel durchgekommen, Krumm überspielt am Schluß zwei Frankfurter, die sich ihm entgegenwerfen, kurvt nach innen und knallt das Leder placiert in die andere Ecke.'' Der Schuss von Franz Krumm klatschte vom Pfosten ins Tor. Eine Viertelstunde später ist der FC Bayern zum ersten Mal Deutscher Meister. Das war am Sonntag, den 12. Juni 1932, vor 75 Jahren.

Schon damals Zehntausende am Marienplatz

Siegel hörte die Radiosendung mit seiner Familie und mit Freunden in einem Haus in der Nähe von Garmisch. Eine wichtige Person fehlte allerdings: Kurt Landauer. Siegel war nämlich der Neffe des damaligen FC Bayern-Präsidenten, und ab diesem Tag ein überaus stolzer Neffe. Seinen Onkel sah Siegel einen Tag später, als die Mannschaft in München empfangen wurde.

Er stand an einem Fenster mit gutem Blick auf die Kaufingerstraße, einen Steinwurf entfernt vom Marienplatz, und sah vom Stachus her die Kutsche anrollen, in der Landauer saß, mit einem riesigen Lorbeerkranz neben sich. Um 19.03 Uhr war der Zug am Hauptbahnhof angekommen. Die Spieler saßen in neuen Autos und wurden gefeiert. Vieles war so wie bei anderen Meisterschaftsfeiern, die folgen sollten, doch natürlich gab es noch keine Fanartikel. Allein die Münchner Illustrierte hatte einige Hundert Fähnchen ausgegeben.

"Rot-Weiß hat man da nicht viel gesehen. Aber für mich als kleinen Jungen waren es Massen an Menschen.'' Es waren Zehntausende. Sowohl der Hauptbahnhof als auch die spätere Feier im Löwenbräukeller mussten von der Polizei abgeriegelt werden.

Mit dem Leder einer oberbayerischen Kuh

Für Siegel steht fest: Diese Meisterschaft - und die dadurch wachsende Fangemeinde - hat erst den Grundstein gelegt für spätere Erfolge, auch wenn die nächste Meisterschaft 37 Jahre auf sich warten ließ. Dabei war es keine hervorragende Saison, die der FC Bayern da gespielt hatte. In 43 Spielen gab es immerhin zehn Niederlagen, darunter ein 2:6 gegen den TSV 1860 München am 17. Spieltag, vor 22.000 Zuschauern im Grünwalder Stadion.

FC Bayern: 20-mal feierte der FC Bayern bis heute am Münchner Marienplatz eine Deutsche Fußball-Meisterschaft. Zum ersten Mal 1932.

20-mal feierte der FC Bayern bis heute am Münchner Marienplatz eine Deutsche Fußball-Meisterschaft. Zum ersten Mal 1932.

(Foto: Foto: dpa)

Doch gegen Ende der Saison wurden die Bayern, von Trainer Richard Dombi taktisch gut eingestellt, immer stärker. Zum Finale war die Euphorie groß, Tausende Fans reisten nach Nürnberg, viele sogar mit dem Fahrrad. Insgesamt sahen 58.000 Zuschauer das Finale. Die Partie, vor allem die zweite Halbzeit, brachte den Bayern Sympathien ein, weil Frankfurt recht hart zu Werke gegangen war.

Der jüdische Präsident musste bald gehen

Doch 1932 war ein Jahr, das für viele das Ende der Unbeschwertheit markiert. Die Meisterschaftsfeier war eines der letzten bunten Spektakel, bevor die Feiern braun wurden. Für den FC Bayern waren die Folgen fatal: Der jüdische Präsident Landauer musste gehen, Trainer Dombi und viele andere ebenfalls. Das Nazi-Regime hat dem Verein womöglich wertvolle Jahre geklaut. Die Münchner Nachrichten kommentierten die jubelnden Anhänger: "...hunderttausend ohne Unterschied des Standes und der politischen Einstellung.'' Und Siegel sagt: "1932, das war eine Episode, die Spaß gemacht hat. Sie ist nur vorbei gegangen wie ein Komet.''

Heute ist Uri Siegel 84 Jahre alt. Bayern-Fan ist er natürlich immer noch, auch wenn er die heutigen Fußballspieler ein wenig "hochnäsig'' findet. Ihm ist es auch recht egal, wie viele Meisterschaften der FC Bayern noch holen wird: "Ich verbinde mit dem FC Bayern in erster Linie meinen Onkel.'' Und so ist das wohl für jeden Fan: Es geht vor allem um die ganz persönlichen Erinnerungen, die an einem Verein haften.

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