FC Bayern:Mäßig überzeugend

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Träge und mit einer Torwart-Unachtsamkeit: Der Rekord-Pokalgewinner bezwingt den Fünftligisten Nöttingen nur 3:1.

Von Benedikt Warmbrunn, Karlsruhe

Regungslos lehnte ein Mann an einem Geländer, die Arme vor der Brust. Vor seinen Augen rannten zehn Männer in lilafarbenen Trikots vorbei, laut schreiend. Dann waren alle an dem regungslosen Mann vorbei gerannt.

Der regungslose Mann, das war Pep Guardiola, der Trainer des FC Bayern. Was er gesehen hatte, waren die Spieler des FC Nöttingen, dem Verein aus der Oberliga Baden-Württemberg, der fünften Liga. Dass an ihm, Guardiola, diese zehn entzückten Männer in lilafarbenen Trikots vorbeigerannt waren, war unangenehm. Um nicht zu sagen: fast etwas peinlich. In jedem Fall war es eine Sensation. Nöttingen, der Fünftligist, hatte wenige Sekunden zuvor das 1:1 gegen den FC Bayern erzielt, nicht einmal 16 Minuten waren da in diesem Spiel der ersten Runde des DFB-Pokals gespielt.

Guardiola nahm die drei Stufen vom Spielfeldrand herunter zu seiner Trainerbank, setzte sich, öffnete eine Wasser- flasche, trank, machte die Flasche zu. Dann war seine Welt wieder in Ordnung. Dann hatte Mario Götze zum 2:1 für den FC Bayern getroffen.

Ulreichs Torwartfehler führt zum zwischenzeitlichen 1:1

Der Rekordpokalsieger löste seine Erstrundenaufgabe letztlich doch einigermaßen souverän, 3:1 (3:1) besiegte die Mannschaft im Karlsruher Wildparkstadion den Außenseiter aus dem badischen Landkreis Enzkreis. Aber geblieben war eben auch diese eine Minute. Diese Minute, in der Nöttingen so gut war wie der FC Bayern.

Michael Schürg, Mitarbeiter einer Versicherung, hatte von der rechten Seite geflankt, im Strafraum hatte Niklas Hecht-Zirpel, Lehramtsstudent, der einzige echte Nöttinger der Elf, geschossen, aus kurzer Distanz, Sven Ulreich im Tor des FC Bayern reagierte gut. Er wehrte den Ball jedoch nicht weit genug ab. Dann stand da wieder Hecht-Zirpel. Und schoss den Ball ins Tor.

Der Gegentreffer war eine kurze Unachtsamkeit der FC-Bayern-Defensive, einerseits. Andererseits war er auch Ausdruck der Einstellung des Favoriten, der sich vor allem bemühte, sich nicht allzu sehr bemühen zu müssen. Bereits zwei Minuten zuvor konnte Nöttingens Eray Gür unter dem Jubel der Zuschauer die rechte Seite entlang laufen, so lange, bis Alaba seine Flanke blockte. Einwurf auf Höhe des Strafraums. Frenetischer Beifall. Der Einwurf landete bei Hecht-Zirpel, dessen Kullerball konnte Ulreich allerdings parieren (15.).

Guardiola hatte alle vier Zugänge in die Startelf gestellt, neben Ulreich im Tor waren das Douglas Costa auf der linken Außenbahn sowie Arturo Vidal und Joshua Kimmich im Zentrum. Zudem hatte der Trainer gegen den Oberligisten seine Abwehr nahezu aufgelöst, Jérôme Boateng und David Alaba bildeten oft eine Zweierkette. Nur gelegentlich gesellte sich Rafinha dazu. Das Spiel dauerte erst wenige Minuten, da schien sich diese offensive Ausrichtung bereits auszuzahlen.

Einen Lupfer von Götze berührte Felix Zachmann mit dem Ellenbogen, vierte Spielminute, Elfmeter für den Favoriten. Dieser zumindest lieferte eine interessante Erkenntnis. Den Ball schnappte sich nicht Robert Lewandowski. Den Ball schnappte sich der Mann, der in Leverkusen Michael Ballack als Elfmeterschützen verdrängt hatte und bei Juventus Turin Andrea Pirlo. Den Ball schnappte sich Vidal. Rechtsschuss ins rechte Eck, die Führung. Es lief die fünfte Minute. Und alles sah nach einem entspannten Nachmittag für den FC Bayern aus. Dann aber flankte Schürg, und Hecht-Zirpel schoss den Ball durch die Beine von Ulreich . . .

Die Sekunden nach dem Ausgleich waren die energischsten im Spiel des FC Bayern, schnell hatte sich die Mannschaft an den Strafraum kombiniert, Götze traf im Fallen (17.). In den nächsten Minuten spielte das Team mit kräftigem Elan, angetrieben von Boateng, der Alaba als Einerkette an der Mittellinie ließ. Ein Schuss des Innenverteidigers ging vorbei (19.). Sieben Minuten später wurde ein Schuss geblockt, aber Lewandowski verwertete den Abpraller zum 3:1. Nun, endlich, wurde es der entspannte Nachmittag. Zumindest einigermaßen.

In der zweiten Halbzeit verzichtete der FC Bayern trotz deutlich mehr Spiel- anteilen lange auf Torschüsse, erst in der 64. Minute probierte es Götze. Er scheiterte. Durch diese Nachlässigkeit des Favoriten hatte Nöttingens Schürg die beste Chance des Durchgangs. Die 79. Spiel- minute, der Winkel war spitz, Ulreich reagierte wie ein Handballtorwart, und doch war auch diese Chance eine weitere kleine Sensation.

© SZ vom 10.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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