FC Bayern:"Liverpool hat uns an der Nase herumgeführt"

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  • Der FC Bayern verliert beim Sponsorenturnier 0:3 gegen den FC Liverpool.
  • Die Mannschaft, die auf dem Platz stand, funktionierte so nicht.
  • Wie schlimm steht es um die Münchner kurz vor dem Saisonstart?

Aus dem Stadion von Martin Schneider

Mats Hummels war schon auf dem Weg, schweigend in der Kabine zu verschwinden, als er es sich doch noch mal anders überlegte. Er bog kurz vorm Spielertunnel ab und ging auf Jürgen Klopp zu, seinen alten Trainer aus Dortmunder Tagen. Die beiden tuschelten miteinander, dann ging Hummels in die Kabine und Klopp ging weiter zu Robert Lewandowski, den er auch mal beim BVB trainiert hatte. Es wäre natürlich interessant gewesen, was Hummels Klopp direkt nach dem Spiel noch unbedingt sagen wollte, weil man ja davon ausgehen muss, dass die beiden noch die Handynummer des jeweils anderen haben. Vor allem aber wäre es interessant gewesen, weil eben jener Mats Hummels später schweigend durch die Interview-Zone stapfte und ausdrücklich erklärte, dass er heute nichts sagen wolle.

Wenn Fußballer schweigen, dann ist das selten ein gutes Zeichen. Besonders, wenn solche still sind, die eigentlich gut darin sind, auch kritische Situationen zu erklären. Hummels ist so einer, er redet nach Bayern-Spielen eigentlich immer. Auch, wenn es mal nicht so läuft.

Und es lief nicht beim FC Bayern an diesem Abend, der mit Blitz, Donner und Regen begann und mit einem 0:3 auf der Anzeigetafel beim alljährlichen Sponsorenturnier gegen den FC Liverpool endete. Von den letzten vier Testspielen hat der FC Bayern damit drei verloren (auf der Asien-Reise noch 0:4 gegen AC Mailand und 0:2 gegen Inter Mailand, dazwischen lag ein 3:2-Sieg gegen den FC Chelsea) und die Frage, wenn der FC Bayern im eigenen Wohnzimmer krachend verliert, ist natürlich: Wie schlimm ist es?

Die Mannschaft funktionierte nicht

Betrachtet man nur das Spiel gegen Liverpool, dann muss man sagen: schon schlimm. Die Mannschaft, die auf dem Platz stand, funktionierte so nicht. Sie kassierte nicht nur drei Treffer, sie war auch nie wirklich nah dran, selbst ein Tor zu schießen. Zugang Corentin Tolisso verlor vor dem 0:1 ziemlich einfach den Ball, beim 0:2 wurde die Bayern-Abwehr fachgerecht zerlegt, das 0:3 war ein schöner Lupfer nach Konter. Dazwischen lag noch ein nicht gegebenes Tor, vor dem Rafinha von einem Menschen namens Ryan Kent ausgedribbelt wurde, als wäre Rafinha der Engländer und Kent der Brasilianer.

Und es gab noch ein paar andere Baustellen: Thiago musste früh verletzt raus. Für ihn kam Renato Sanches, der bald 20 wird und damit immer noch sehr jung ist, an diesem Abend im zentralen Mittelfeld aber auch sehr überfordert wirkte. James Rodriguez spielte - bis auf einen wuchtigen Linksschuss - im besten Fall unauffällig und musste, wie David Alaba, später ebenfalls verletzt runter. Bei allen drei Verletzten war der letzte Stand, dass es nicht so schlimm sei, Rodriguez soll aber noch genauer untersucht werden.

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Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn

Betrachtet man die Gesamtsituation beim Serienmeister, dann erkennt man allerdings auch mildernde Umstände. Es fehlten immerhin noch Manuel Neuer, Jérôme Boateng und Arjen Robben, dazu befinden sich die potenziellen Stammspieler Arturo Vidal und Joshua Kimmich in der Post-Confed-Cup-Regeneration. Und wenn Thiago weitergespielt hätte, wäre der Ball vermutlich auch ein bisschen flüssiger durch die Reihen gelaufen.

"War ein Testkick, wichtige Spieler fehlen, wir haben noch über zwei Wochen Zeit bis zum Bundesligastart, halb so wild" - das hätte man auf Seiten des FC Bayern schon erzählen können. Aber der Tenor nach diesem Spiel war nicht unbedingt beschwichtigend, eher Alarmstufe Gelb. Karl-Heinz Rummenigge sagte in der ARD: "Wir müssen schnell die Kurve kriegen. Wir müssen schnell in die beste Verfassung kommen, fit werden, Geschwindigkeit aufnehmen und dann auch wieder gewinnen." Trainer Carlo Ancelotti meinte: "Wir sind noch nicht in bester Verfassung und haben offensiv und defensiv nicht gut gespielt."

Thomas Müller äußerte sich konsterniert: "Liverpool hat uns an der Nase herumgeführt. Der Stachel sitzt tief." Und Liverpools Trainer Jürgen Klopp meinte: "Wir haben 3:0 gewonnen, aber wir haben einen Haufen zu tun. Wir könnten heute mit dieser Truppe besser spielen." Das sollte wohl seine Spieler motivieren, aber die Botschaft, die beim FC Bayern ankam, war natürlich: Selbst so hat es für ein Drei-null gereicht.

Neben Mats Hummels schwieg nach dem Spiel auch der frisch angestellte Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Der durfte zwar vorm Anpfiff vor die Fernsehkameras und erzählen, dass er sich auf den Job freue, nach der Klatsche übernahm aber der Vorstandsvorsitzende Rummenigge persönlich die Aufgabe, Botschaften zu senden. Zum Beispiel, dass seiner Meinung nach nur zwei Spieler Normalform gehabt hätten (Sven Ulreich und Javi Martínez) und dass die zwei Wochen bis zum Bundesligastart schnell vorbei sein können.

Von Salihamidzic ist kein einziges Statement überliefert, wobei er als verantwortlicher Sportdirektor eigentlich etwas zum neuen bayerischen Kader-Puzzle sagen könnte. Denn selbst, wenn man davon ausgeht, dass Sanches im normalen Betrieb eher selten eine zentrale Rolle bekommt (eine Leihe ist immer noch denkbar), deutete das Spiel gegen Liverpool trotzdem an, dass es für Ancelotti eher kniffliger wird, eine funktionierende Mannschaft zu basteln. James und Müller haben zum Beispiel mehrfach bewiesen, dass sie auf den Außenbahnen nicht so gut sind wie im zentralen Mittelfeld. Damit dort aber kein Dreikampf entsteht, muss Thiago die Position (auf der er vergangene Saison am stärksten war) räumen und als Sechser spielen.

Dort zeichnet sich wiederum ab, dass Tolisso trotz großer Dynamik und erkennbaren Gefühls im rechten Fuß kein Eins-zu-eins-Ersatz für den in Rente gegangenen Ballverteiler Xabi Alonso sein wird. Also muss Thiago erst mal die Pässe spielen - es sei denn, Sebastian Rudy macht noch einen Leistungssprung. Arjen Robben und Franck Ribéry sind nach neuesten Erkenntnissen auch nicht jünger geworden und Robert Lewandowski darf sich sowieso nicht verletzen. Es könnte sich - je nach Lage - kräftig etwas schütteln in der Statik des Bayern-Kaders.

Am Abend spielt der FC Bayern nun im Spiel um Platz drei des Sponsoren-Pokals gegen den SSC Neapel, am Samstag geht es gegen Dortmund um den Supercup. "Niederlagen stacheln uns an und am Samstag haben wir das erste Mal ein Spiel, bei dem es richtig ums Ergebnis geht", meinte Müller. Es wird sie in München vielleicht ein bisschen trösten, dass der BVB die letzten beiden Testspiele auch verloren hat.

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