FC Bayern:Lahms Künstlertor versetzt die Arena in Staunen

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Annahme, Beinschub, Schuss, Tor: Philipp Lahm nach zwei Minuten gegen Augsburg. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Nach dem 3:1-Sieg im DFB-Pokal gegen den FC Augsburg scherzt der Bayern-Kapitän über sich selbst. Doch wieder einmal wird ein Spiel der Münchner am Ende spannender als gedacht.

Aus dem Stadion von Matthias Schmid

Es war fast schon Mitternacht, als Philipp Lahm aus dem Bauch der Fröttmaninger Arena schlurfte, im Trainingsanzug und einem Rucksack auf dem Rücken. Die Dopingprobe hatte ihn aufgehalten. Er telefonierte, als er durch die Tür Richtung Ausgang ging. Man hörte noch, wie er seinem Gesprächspartner die erstaunliche Szene nach eineinhalb Minuten schilderte. Sein Führungstreffer im Pokalspiel gegen den FC Augsburg, der genügte, um aus Lahm den weißen Brasilianer zu machen, wie manche Fans auf der Tribüne raunten.

Lahm musste lächeln, als er den Vergleich hörte. Es war in der Tat ein kunstvolles, ein seltenes Tor. Er erhielt einen Pass von Thomas Müller am Strafraumeck, Ballannahme mit links, mit rechts den Ball Gegenspieler Philipp Max durch die Beine geschoben und dann rumms rein ins lange Eck. Die gesamte Münchner Ersatzbank jubelte erstaunt.

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Die Szene war ihm hinterher eher unangenehm, sodass er sie sogar herunterspielte. "Ich habe wenig brasilianische Technik in mir", bekannte Lahm nach dem 3:1-Sieg leise. "Vor allem beim Tanzen habe ich keinen Rhythmus im Blut. Fußballerisch ist da auch nicht viel." Er machte eine Pause, er überlegte, kratzte sich am Kopf und fand dann tatsächlich eine Formulierung, die ihm so geschmeidig glückte wie zuvor der Treffer zum 1:0. "Ich musste anschließend auch deshalb zur Dopingkontrolle, weil man sicher gehen wollte, ob da auch alles mit rechten Dingen abgelaufen ist." Allgemeines Gelächter.

Lahm war bestens gelaunt, das merkte man auch daran, dass er weniger floskelhaft sprach als gewöhnlich, nicht wie ein Minister in der Regierungskrise, sondern wie ein euphorisierter Sportler, der seine Worte nicht abwägt, sondern über sich und seine Schwächen lachen kann. "Wer mich kennt, der weiß, dass man mich nicht im Sechzehner schießen lassen darf", fuhr Lahm also mit ernstem Gesichtsausdruck fort, "da bin ich brandgefährlich." Wieder Gelächter.

Lahm ist alles andere als der geborene Torjäger. Eher das Gegenteil. Auf sein drittes Tor im DFB-Pokal überhaupt hatte Lahm mehr als sechseinhalb Jahre warten müssen.

Es war auch ein Tor, das die Schwächen des Bayern-Kaders nicht kaschieren konnte und den Blick dafür öffnete, dass die Münchner ihre Alten unbedingt noch brauchen. Zuletzt hatten sich ja einige die Mühe gemacht, das Durchschnittsalter der Bayern-Aufstellungen zu berechnen, um dezent drauf hinzuweisen, dass der personelle Umbruch doch jetzt bitte bald eingeleitet werden möge. Herausgekommen sind Mannschaften, deren Mitglieder überwiegend schon Ü-30-Partys besuchen dürften. Also kurz vor der Rente stehen. Der FC Bayern trat mit dem 32-jährigen Lahm an, mit dem 34-jährigen Xabi Alonso, dem 33-jährigen Franck Ribéry, dem 32-jährigen Arjen Robben, dem 31-jährigen Rafinha und dem 30-jährigen Manuel Neuer.

Dass Bayern-Cheftrainer Carlo Ancelotti allerdings in den wichtigen Spielen nicht nach Sympathie oder Geburtsdatum aufstellt, sondern danach, wie gut die Spieler in Form sind und wie sie auf dem Platz miteinander harmonieren, konnte man gegen Augsburg erkennen. Nach einer ordentlichen ersten Hälfte und der scheinbar beruhigenden 2:0-Führung durch Lahm (2.) und Julian Green (41.) wurde es spätestens nach dem 1:2-Anschlusstor durch Dong Won Ji (68.) doch noch mal unerwartet spannend. Erst in der Nachspielzeit traf David Alaba zur Entscheidung. "Das Spiel war bis zum Ende offen", musste Ancelotti zugeben. "Wir hätten es uns einfacher machen können", monierte Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge.

Ancelotti hatte die Mannschaft nach dem überzeugenden Sieg gegen Borussia Mönchengladbach munter durchgemischt. Alonso, Robben und Javier Martínez saßen auf der Bank oder auf der Tribüne. Hatte es der Italiener womöglich mit seiner Rotation übertrieben? Er bot gegen Augsburg die jüngsten Spieler in seinem Kader auf, Profis wie den 21-jährigen Julian Green, den 19-jährigen Renato Sanches und den 20-jährigen Kingsley Coman. Vor allem Sanches und Coman taten sich schwer, ihre Rollen zu finden. Sie wirkten bisweilen so fremd, als hätten sie im Preisausschreiben ein Spiel mit den Bayern-Profis gewonnen.

Coman begann auf der linken Seite, drängte aber häufig mit Wucht in die Mitte, wo sich auch Sanches gerne aufhielt. Ancelotti hatte aber nach dem Spiel keine Lust, über Stärken und Schwächen seiner Aufstellungen zu sinnieren, stattdessen lobte er den "tollen Kader". Alle Spieler seien fit, "und ich möchte, dass alle motiviert sind. Alle haben gut gespielt."

Doch etwa Mats Hummels monierte, "dass wir wieder mit acht Mann angegriffen und dann einen Konter kassiert haben". Und weiter: "Das sollte uns - besonders auswärts - nicht noch mal passieren." Die Augsburger vergaben einen Elfmeter (Neuer hielt gegen Ja-Cheol Koo, 49.). Auf der anderen Seite verschoss auch Thomas Müller mal wieder einen Strafstoß (67.) und kommentierte: "2016 ist nicht das Jahr der Elfmeter."

Vielleicht schießt ja Philipp Lahm demnächst die Strafstöße in München, im Achtelfinale des DFB-Pokals zum Beispiel. "Von mir aus auch ein Spiel gegen Sechzig", sagte er fast gelangweilt, als er auf die Auslosung angesprochen wurde, die gerade lief. Doch der Gegner im Achtelfinale heißt nicht TSV 1860 München sondern VfL Wolfsburg.

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