FC Bayern:Lahm lässt Hoeneß schlecht aussehen

  • Der Bayern-Kapitän verkündet sein Karriereende - und dass er nicht Sportdirektor des FC Bayern wird.
  • Irritierend ist der öffentliche Auftritt von Uli Hoeneß, der angeblich nichts wusste. Am Mittwoch erklärte er, wie es zu der Situation kommen konnte.
  • Der Bayern-Präsident soll für den Posten des Sportdirektors eine Lösung mit Gladbachs Manager Max Eberl bevorzugen.

Aus dem Stadion von Martin Schneider

Es ist eine schöne Sache, wenn sich Menschen einig sind. Mats Hummels und Philipp Lahm waren sich zum Beispiel darüber einig, dass Lahm nichts gesagt hatte und Hummels darum auch nichts wissen konnte. "Ich habe es gerade erst erfahren und darum ist meine erste Reaktion, dass ich überrascht bin und es schade finde, dass er nicht mehr auf dem Platz stehen wird", sagte Hummels. Und weil Arjen Robben auch sagte, er habe nichts gewusst, war am Ende des Abends klar, dass Philipp Lahm dem Team des FC Bayern tatsächlich die große Nachricht nicht vor dem Spiel verkündet hatte: Im Sommer, das steht jetzt fest, wird er mit dem Fußballspielen aufhören. Und er wird nicht Sportdirektor des FC Bayern werden.

Philipp Lahm und Uli Hoeneß waren sich dagegen nicht einig, wer was wann gesagt hat und wer was wann wusste. Wie die Kommunikation zwischen dem Kapitän und dem Vereinspräsidenten ablief, das blieb zunächst rätselhaft und irritierend. Um durchzublicken, lohnt es sich, die Ereignisse chronologisch zu sortieren. Sie begannen mit einer Meldung der Sport-Bild, kurz vor dem Anpfiff des DFB-Pokal-Achtelfinales gegen Wolfsburg. Philipp Lahm, hieß es, werde im Sommer seine Karriere beenden und auch nicht Sportdirektor beim FC Bayern werden. Die Meldung war in der Welt, der FC Bayern gewann 1:0 durch ein Tor nach einem abgefälschten Schuss von Douglas Costa. Ein souveräner Sieg, Wolfsburg war bis auf zwei Schüsse kurz vor Schluss harmlos.

"Ich kann dazu nur sagen, dass er mir das nicht mitgeteilt hat"

Nach dem Spiel ging Uli Hoeneß in das Fernsehstudio der ARD, er wurde nach Philipp Lahm gefragt, ob er dessen Rücktritt und die Absage bestätigen könne. "Wir können das nicht bestätigen. Wir haben Gespräche geführt, da ist vereinbart worden, dass eine gemeinsame Erklärung abgegeben wird", sagte Hoeneß. Und: "Zunächst muss er erst einmal aufhören. Er hat noch einen Vertrag bis 2018, und den hat er noch nicht gekündigt." Nach der ARD sprach Hoeneß mit dem Sender Sky. Das Gespräch lief, leicht verkürzt, so ab:

Frage des Reporters: "Wie beurteilen Sie den Rücktritt?"

Hoeneß: "Ich kann dazu nur sagen, dass er mir das nicht mitgeteilt hat."

Frage: "Haben Sie denn verhandelt mit dem Philipp?"

Hoeneß: "Wir haben mehrere Gespräche geführt, das ist richtig."

Frage: "Es hieß, dass er bei der Aufsichtsratssitzung (Hoeneß wurde dort am Montagabend wieder zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt, Anm.) jemandem mitgeteilt hätte, dass er aufhören will ..."

Hoeneß: "Das ist schon mal ganz falsch, weil die Aufsichtsratssitzung hat um 21 Uhr geendet, und da war die Sport-Bild schon längst im Druck."

Hoeneß sagte dann noch: "Sie können mich jetzt nicht fragen nach den Gedanken von Philipp Lahm, da müssen sie den Philipp fragen, das sind seine Gedanken, und da hat er das Exklusivrecht drauf." Und dass Philipp Lahm der einzige Kandidat für den Sportdirektor-Posten sei und dass er heute nicht mehr mit ihm sprechen werde, aber sicher in den kommenden Tagen.

Dann verschwand der Präsident, und an einer anderen Stelle der Arena warteten sehr viele Menschen auf eben diesen Lahm und hofften auf Antworten. Stürmer Thomas Müller schlurfte aus der Kabine, schaute sich die drängelnde Journalisten-Schar höchst amüsiert an und meinte im Vorbeigehen mit einem Lachen: "Er kommt ja gleich." Lahm kam schließlich mit einem Blumenstrauß in der Hand, den hatte er vor dem Spiel bekommen, weil er am Wochenende gegen Schalke sein 500. Bundesligaspiel gemacht hatte.

Hoeneß sagt einen Tag später "Ich wollte die Regeln des Miteinanders einhalten"

Dann startete seine Abschiedserklärung: "Gestern war noch eine Aufsichtsratssitzung, die wollte ich abwarten. Ich habe den Verantwortlichen Bescheid gesagt, dass ich am Ende der Saison aufhören werde, Fußball zu spielen." Die Gründe: "Ich sehe meinen Führungsstil in der Art, dass ich jeden Tag immer das Beste gebe, jedes Training, jedes Spiel. Ich glaube, dass ich fähig bin, das bis zum Ende der Saison noch abzuliefern, aber nicht darüber hinaus." Warum er den Sportdirektor-Posten nicht haben wolle? "Erstmal ist es so, dass es Gespräche gab. Am Ende der Gespräche habe ich für mich beschlossen, dass es für mich jetzt nicht der beste Zeitpunkt ist, beim FC Bayern danach einzusteigen." Das sagte er zweimal, beim zweiten Mal betonte er das "jetzt" auffällig deutlich. Es gebe keine Planung für den Sommer, er sei jetzt erst einmal Privatier, die Entscheidung sei über ein Jahr in ihm gereift, Trainer Ancelotti oder andere Dinge hätten dabei keine Rolle gespielt. Lahm sprach viel, nur bei zwei Fragen wurde er sehr einsilbig.

Reporter: "Wie haben die Bosse (Hoeneß und Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge; Anm. d. Red.) auf Ihre Entscheidung reagiert?"

Lahm: "Das können die besser beantworten."

Reporter: "Aber Sie kennen Uli Hoeneß ja schon lange, wie hat er denn reagiert?"

Lahm (leicht patzig): "Es ist doch nicht meine Aufgabe, darüber zu sprechen, wie Uli Hoeneß reagiert hat. Da muss man ihn fragen."

Dann ging er mit seinem Blumenstrauß in die Nacht. Und es ist offensichtlich, dass hier in der Kommunikation des FC Bayern irgendetwas schiefgelaufen ist. Philipp Lahm hat seinen Präsidenten sehr schlecht aussehen lassen. Hoeneß sagt, er könne den Rücktritt nicht bestätigen, wenige Minuten später bestätigt ihn Lahm selbst. Hoeneß sagt, es gebe keine Entscheidung in der Sportdirektor-Frage, wenige Minuten später verkündet Lahm eine Entscheidung in der Sportdirektor-Frage. Lahm sagt, er habe "den Verantwortlichen" seine Entscheidung mitgeteilt. Hoeneß (unzweifelhaft ein Verantwortlicher) sagt, Lahm habe ihm das nicht mitgeteilt.

Lahm war irritiert über Vorgänge bei und nach der Jahreshauptversammlung

Einen Tag später löste Uli Hoeneß die Verwirrung teilweise auf. Der Funke-Mediengruppe sagte er, dass er sehr wohl von der Entscheidung wusste, sie aber nicht verkünden wollte. "Ich wollte die Regeln des Miteinanders einhalten und in aller Ruhe besprechen, wie wir an die Öffentlichkeit gehen", sagte Hoeneß im Gespräch mit der WAZ. "Wir hatten kein Interesse, dass so früh bekanntzugeben." Die Chronologie der Ereignisse sei die gewesen: "Am Freitag hat Philipp Lahm Karl-Heinz Rummenigge abgesagt. Aber es ist nicht üblich, mit diesen Dingen vor wichtigen Spielen an die Öffentlichkeit zu gehen. Samstag hatten wir das Schalke-Spiel. Montag war die Aufsichtsratssitzung. Und Dienstag war das nächste Spiel. Also wollten wir das ab Mittwoch bereden, wie wir verfahren." Sauer sei er angeblich nicht. Die fehlende Kommunikation über die Strategie sei für ihn eine "Marginalie". Für Philipp Lahm bliebe die Tür beim FC Bayern immer offen. "Philipp Lahm hat unseren größten Respekt verdient." Der FC Bayern veröffentlichte am Mittwochmittag auf seiner Homepage eine Mitteilung mit dem gleichen Tenor. Die Kommunikation sei so nicht abgesprochen gewesen, man sei überrascht über das Vorgehen von Lahm und seines Beraters (Roman Grill; Anm.). Die Tür stünde aber weiter offen.

Wie es zu dieser für Hoeneß unangenehmen Situation kam, ist trotzdem weiter eine spannende Frage. Als gesichert gilt, dass Lahm und sein Umfeld irritiert waren über die Vorgänge bei und nach der Jahreshauptversammlung. Dort verkündete Karl-Heinz Rummenigge zu sehr später Stunde und kurz vor dem Freibier nach der Frage eines Fans, dass man den Sportdirektor-Posten nach dem Rücktritt von Matthias Sammer nicht nachbesetzt habe, weil der Wunschkandidat halt noch kicke. Gleichzeitig galt die Aussage, dass man die Stelle im Sommer 2017 nachbesetzen wolle, und Uli Hoeneß deutete kurz nach den Rummenigge-Aussagen an, dass er Lahm gerne als Spieler bis 2018 sehen würde. Hoeneß, so heißt es, soll eine Lösung bevorzugt haben, in der der Gladbacher Manager Max Eberl eine Rolle spielt. Auch die Frage, ob Lahm nur Sportdirektor oder gleich Sportvorstand wird, soll ein Thema bei den Gesprächen gewesen sein. Ob das so war - dieser Frage wich Lahm komplett aus. Hoeneß sagte einen Tag später dazu. "Bei uns im Aufsichtsrat sitzen Dax-Vorstände. Für die kommt nicht infrage, dass jemand ohne Berufserfahrung im Vorstand anfängt."

Fest steht, dass Philipp Lahm den Verein, dem er seit 1995 angehört, im Sommer verlassen wird. Als ein Reporter Lahm fragte, wann man ihn den wiedersehe beim FC Bayern, sagte er nur. "Am Samstag. Da spielen wir gegen Ingolstadt."

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