Jupp Heynckes:Der Ist-Zustand hat für den FC Bayern auch Vorteile

Bundesliga: Bayern-Trainer Jupp Heynckes gibt Anweisungen im Spiel gegen den SC Freiburg.

Abschied auf Raten: Bayern-Trainer Jupp Heynckes.

(Foto: dpa)

Bei Jupp Heynckes gönnen sich die Münchner einen Abschied auf Raten. Sie wissen: Braucht der Klub wirklich einen neuen Trainer, ist die Auswahl riesig.

Kommentar von Benedikt Warmbrunn

Beleidigt wäre er gewesen, hatte der Freiburger Trainer Christian Streich am Sonntag gesagt, wenn nicht auch irgendwann sein Name genannt worden wäre, und mit seinem Humor hat er die Lage ganz gut zusammengefasst. Die Trainerfrage des FC Bayern ist zu einem bundesweiten Ratespiel geworden. Niemand weiß, was kommen wird, und so darf sich jeder Hoffnung machen, und sei es nur im Scherz.

Die Bayern leisten sich zurzeit den Luxus, die Zukunft jeden Tag ein bisschen weiter hinauszuzögern. So sehr gefällt ihnen die Gegenwart, dass Präsident Uli Hoeneß am liebsten diesen Zustand einfrieren würde, noch lieber würde er Jupp Heynckes, den aktuellen Trainer, wohl klonen (und dann auch gleich sich selbst), aber noch ist die Wissenschaft nicht so weit wie der FC Bayern. Und so hofft Hoeneß jeden Tag weiter darauf, dass Heynckes sich zu einem weiteren Jahr in München überreden lässt, auch wenn der dafür im vergangenen halben Jahr nicht ein einziges Mal einen Anlass geboten hat.

Keiner weiß, für wen sich der Klub als Plan-B-Trainer entscheiden wird

Dieses - zumindest in der Außendarstellung - bedingungslos gelebte Aufgehen im Ist-Zustand hat für den FC Bayern auch Vorteile. Keiner weiß, für wen sich der Klub als Plan-B-Trainer entscheiden wird, und so positionieren sich viele Trainer, wenn auch nicht alle so humorvoll wie Streich; die Auswahl des Klubs ist also riesig. Und ohne feststehenden neuen Trainer gibt es auch keine aktuellen öffentlichen Diskussionen à la "Was plant Trainer Y mit Robben?" Und falls sich Heynckes doch umentscheiden sollte, hätte der FC Bayern alles richtig gemacht.

So vollzieht sich ein Abschied auf Raten. Jeder Sieg macht Heynckes attraktiver, zugleich macht jede Woche, in der Heynckes sich nicht für ein Jahr mehr ausspricht, seinen Verbleib unwahrscheinlicher (zumal er in Freiburg von einem letzten Treffen mit Streich sprach). So vergehen die Wochen ohne lästige Planungsdiskussionen eines möglichen künftigen Trainers - es vergehen allerdings auch die Wochen, ohne dass der künftige Trainer mit den Planungen anfangen kann.

Dieses Ratespiel funktioniert für den FC Bayern nur, weil er davon ausgehen darf, dass jeder Trainer, für den er sich entscheidet, auch später noch geschmeichelt zusagen wird - und es funktioniert nur, wenn sich die Plan-B-Kandidaten weiter nicht klar zu ihrem Verein bekennen oder bei einem anderen unterschreiben. Die Zukunft beginnt für die Bayern mit dem Tag, an dem Heynckes sich so unmissverständlich verabschiedet, dass es auch Hoeneß versteht. Eher unwahrscheinlich, dass der Präsident dann weiter die Gegenwart einfrieren will.

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