FC Bayern:James oder nix

FILE PHOTO: Football Soccer- Spanish La Liga Santander - Deportivo v Real Madrid

James Rodríguez: Kommt per Leihe aus Madrid

(Foto: REUTERS)
  • Der FC Bayern leiht mit James Rodríguez den absoluten Wunschspieler von Trainer Carlo Ancelotti aus.
  • Der Kolumbianer ist bei der WM 2014 in Brasilien mit starken Szenen aufgefallen - in Madrid ist er aber in den Hintergrund gerückt.
  • Durch ihn wird der aktuelle Bayern-Kader zu einem hochveranlagten aber auch durchaus komplizierten Gebilde.

Von Sebastian Fischer und Christof Kneer

Manchmal reichen ein paar Wochen im Sommer, um von einem sehr guten zu einem der besten Fußballer der Welt zu werden, jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung. Es war der Sommer 2014 in Brasilien, als James Rodríguez, ein Bube aus Kolumbien, auf der größten Bühne des Sports erschien. Er erzielte sechs Tore für seine Nationalelf bei der WM, niemand traf öfter, niemand schöner: Im Achtelfinale gegen Uruguay kontrollierte er den Ball mit der Brust, drehte sich, schoss volley aus 20 Metern unter die Latte, es war das vollkommene Tor. Als er nach der Niederlage im Viertelfinale gegen Brasilien auf dem Rasen weinte, als ihn David Luiz tröstete, kannte ihn jeder Fernsehzuschauer. James, das war fortan nicht mehr nur der Vorname von Bond, sondern auch Chames aus Cúcuta, mit gefauchtem "ch".

Am Dienstagmittag hat der FC Bayern bekanntgegeben, jenen James Rodríguez, seit diesem Mittwoch 26 Jahre alt, für zwei Jahre von Real Madrid auszuleihen - inklusive einer Kaufoption für ein weiteres Jahr. Es ist auch wegen der Bilder von 2014 ein Transfer, der auf den einschlägigen Portalen sogleich als "Hammer" gewürdigt wurde, ein Transfer, den der Klubpräsident Uli Hoeneß vermutlich als eine jener "Granaten" bezeichnen würde, die den Kader des Meisters verstärken könnten.

Diese Deutungen lassen sich durch gar nichts widerlegen. Außer vielleicht durch den vorsichtigen Einwand, dass inzwischen der Sommer 2017 angebrochen ist.

In Madrid wurden auch Schwächen auffällig

"Diese Verpflichtung war der große Wunsch unseres Trainers Carlo Ancelotti", so ließ sich Klubchef Karl-Heinz Rummenigge in der Klub-Mitteilung zitieren. Am Vortag, als er bei der Präsentation des 41,5 Millionen Euro teuren Zugangs Corentin Tolisso an der Säbener Straße saß, hatte Rummenigge von internen Diskussionen über weitere Transfers gesprochen und die anstehenden Ausleihen der beiden Flügelspieler Douglas Costa (nach Turin) und Serge Gnabry (nach Hoffenheim) angedeutet. Natürlich braucht der Meister noch Verstärkung, hieß das zwischen den Zeilen.

Rodríguez, der zuvor über den Umweg Buenos Aires zum FC Porto und nach Monaco gewechselt war, ging nach der WM 2014 für 75 Millionen Euro zu Real Madrid, wo ein gewisser Carlo Ancelotti Trainer war. Der Kolumbianer spielte in seiner ersten Saison in allen Wettbewerben 46 Mal, erzielte 17 Tore, er spielte variabel im offensiven Mittelfeld, er wurde seinem Ruf als Weltstar gerecht. Nun jedoch, in der Saison 2016/2017, war er oft Ersatz, im Champions-League-Finale gehörte er nicht mal zum Kader. Rodríguez sei stark bei Standardsituationen und torgefährlich, sagte Rummenigge, und natürlich sagte er dabei die Wahrheit. Aber in Madrid wurden jüngst auch ein paar Schwächen auffällig.

Rückt Müller auf den Flügel?

"James Rodríguez ist vielseitig einsetzbar", sagt Rummenigge. Was er nicht sagte: dass zur Vielseitigkeit die Disziplin "Defensivarbeit" eher nicht gehört. Und was für die Kaderbalance bei aller individuellen Qualität dieses Spielers auch mal ein Problem werden könnte: Rodríguez hat sich in den Gesprächen mit den Münchnern offenbar selbst als Nummer zehn bezeichnet - ein Flügelspieler wie Costa oder Gnabry ist er eher ausnahmsweise.

So wird der aktuelle Bayern-Kader zu einem interessanten, hochveranlagten, aber auch durchaus komplizierten Gebilde, das nach präziser Trainerarbeit verlangt. Als originäre Spieler für die Flügelpositionen beschäftigen die Münchner neben den alternden Helden Arjen Robben, 33, und Franck Ribéry, 34, nur noch den zuletzt wechselhaften Kingsley Coman. Die Bayern nehmen für Ancelottis Wunschspieler eine gewisse Unwucht in der kurzfristigen Kaderplanung in Kauf: Im inneren Mittelfeld - so nennen sie es bei Bayern - sind sie nun mit Tolisso, Thiago, Arturo Vidal, Sebastian Rudy und Rodríguez fast schon überbesetzt. Auf den Flügeln dagegen? Womöglich wird sich dort auch Thomas Müller wiederfinden müssen.

Ancelotti muss den Umbruch moderieren

Die Bayern haben ihrem Trainer nun also einen Gefallen getan, und sie haben somit das Signal gesandt, dass sie Ancelotti trotz all der Debatten weiter vertrauen. Allerdings werden sie aufmerksam verfolgen, wie der Trainer seinen Wunschspieler mit der eigentlich geplanten Verjüngung des Kaders in Verbindung bringt. In seiner langen, erfolgreichen Karriere war Ancelotti noch nie als Trainer bekannt, der Umbrüche mit Leidenschaft moderiert, und so gilt als einer der wichtigsten Bayern-Transfers dieses Sommers auch der des neuen Co-Trainers Willy Sagnol, der sich um die Förderung junger Spieler kümmern soll.

James Rodríguez ist dagegen ein klassischer Ancelotti-Spieler, technisch außerordentlich begabt und bereits bewährt, er muss ihn nicht entwickeln, sondern nur dessen Stärken zum Vorschein bringen. James ist eine Ancelotti-Version des Thiago-oder-nix-Transfers von Pep Guardiola: ein Spieler, von dem sich der Trainer verstanden fühlt, was den Münchnern die Zustimmung erleichtert hat. Mit Rodríguez dürfte die Kaderplanung der Bayern für diese Saison abgeschlossen sein. Sie haben einen Spieler geholt, der den Kader ebenso bereichert wie das weltweite Vermarktungspotenzial des Klubs - und ob sie ihre dem Vernehmen nach zehn Millionen Euro teure Leihgranate in zwei Jahren für die kolportierte Summe von 40 Millionen endgültig käuflich erwerben, können sie dann immer noch entscheiden. Gemeinsam mit einem Trainer, von dem jetzt noch keiner weiß, wie er heißt.

Und Rodríguez? 2014 dichtete der Fernsehkommentator Gustavo Alfaro eine der schönsten Hymnen auf ihn: "Aus Kolumbien brachte er das angeborene Talent mit, in Argentinien gewann er Persönlichkeit, lernte Schläge zu ertragen, den Körper zu benutzen und zu erkennen, wann er zu dribbeln und zu schießen hatte. Europa hat ihm Disziplin und Professionalität gegeben." Nun muss er all das in München bloß wieder zeigen.

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