FC Bayern ist Herbstmeister:"Wir waren zu lässig"

Der FC Bayern gewinnt 2:1 in Stuttgart und ist damit erstmals seit vier Jahren Herbstmeister der Fußball-Bundesliga. Doch der Tabellenführer hadert mit seiner fehlerhaften Vorstellung: Die Münchner benötigten eine gelb-rote Karte gegen Stuttgart, einen treffsicheren Mario Gomez - und am Ende Glück.

Carsten Eberts, Stuttgart

Wie hätte Mario Gomez wohl vor zwei Jahren reagiert? Gerade fünf Minuten waren am Sonntagabend in Stuttgart gespielt, als Arjen Robben eine wunderbare Hereingabe an Gomez sendete - mitten in den Fünfmeterraum hinein. Gomez hätte den Ball nur berühren müssen, trat jedoch vorbei - und sprach später von einer "tausendprozentigen Chance", die er in diesem Moment vergab.

VfB Stuttgart v FC Bayern Muenchen  - Bundesliga

Zwei Hauptdarsteller in Stuttgart: Arjen Robben und Mario Gomez.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Vor zwei Jahren, auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskrise, hätte der Trainer des FC Bayern seinen Stürmer Mario Gomez nach sechs Minuten auswechseln müssen. So sensibel reagierte der bisweilen auf den eigenen Misserfolg. Doch nun, im Dezember 2011? Da lachte Gomez. Er sagte: "Natürlich muss das ein Tor sein, aber in meinem Kopf war: In diesem Stadion hast du das Toreschießen gelernt, da wirst du schon noch ein, zwei machen." Trefflicher lässt sich Selbstvertrauen kaum definieren.

Gomez gelangen nach seiner Slapstick-Chance tatsächlich zwei Tore, eines per Außenrist in der 12. Minute, ein weiteres in der zweiten Halbzeit (57.) auf Zuspiel von Philipp Lahm. Die Tore reichten zum 2:1 (1:1)-Sieg der Bayern in Stuttgart; weil die Konkurrenten aus Dortmund (1:1 gegen Kaiserslautern) und Mönchengladbach (0:1 in Augsburg) patzten, ist den Bayern Hinrundenplatz eins nur noch theoretisch zu nehmen.

"Wir sind Herbstmeister, was soll ich dazu noch groß sagen", erklärte Präsident Uli Hoeneß zufrieden. Zum ersten Mal übrigens seit vier Jahren, weil in der Zwischenzeit zunächst Hoffenheim, dann Leverkusen und Dortmund den Herbst-Titel holten. In dieser Saison regieren die Bayern die Tabelle von oben herab - ganz wie es das Münchner Selbstverständnis verlangt.

Drei Punkte, zwei Gomez-Tore, Tabellenplatz eins - von einem wirklich gelungenen Ausflug ins Schwabenland wollte am Sonntagabend trotzdem kaum jemand sprechen. Kapitän Philipp Lahm erklärte zwar, man müsse sich "wirklich nicht entschuldigen, wenn wir nur 2:1 in Stuttgart gewinnen". Was zu Lahms Standardantworten gehört, wenn er ein wenig Luft aus kritischen Nachfragen nehmen will.

Ansonsten hatte auch Lahm gesehen, wie schwer sich die Bayern gegen die wenig überzeugenden Stuttgarter getan hatten. Wie der Rekordmeister in Rückstand geriet (Gentner, 7. Minute), das Spiel durch die Tore von Gomez drehte, es dennoch verpasste, die Partie frühzeitig zu entscheiden. Und kurz vor Schluss noch Glück hatte, dass Stuttgarts Nationalstürmer Cacau die bayerische Fahrlässigkeit nicht mit dem 2:2 bestrafte.

Bangen um Franck Ribéry

Wie es dazu kommen konnte? "Weil jeder einen Schritt weniger macht und denkt, dass es von allein geht", erklärte Lahm ernst. Das galt nicht unbedingt für Gomez, jedoch für einige seiner Kollegen. Wenige Meter weiter pflichtete Holger Badstuber bei: "Wir waren zu lässig, nicht konzentriert, in allen Bereichen." Das wiederum schloss Gomez ausdrücklich mit ein.

Etwas gnädiger ging Trainer Jupp Heynckes mit seinen Spielern um. "Unsere Kraft hat nachgelassen", erklärte er nach einer Trainingswoche, in der ihm zeitweise fünf Nationalspieler grippegeplagt fehlten. Er hätte auch sagen können: Gut, dass bald Winterpause ist! Dennoch: Im Grunde spielten die Bayern in Stuttgart so, wie sie es nicht wollen.

Obwohl die Stuttgarter den Münchnern gerade im Mittelfeld unwahrscheinlich viel Platz ließen, erspielten sich die Bayern kaum Chancen. Sie agierten nachlässig, uneffektiv - ganz anders als jene Spitzenmannschaft, die sie in dieser Saison sein möchten. Das war umso unverständlicher, da der VfB eine Stunde lang in Unterzahl agierte: Nach zwei Fouls an Arjen Robben hatte Schiedsrichter Manuel Gräfe den Stuttgarter Cristian Molinaro nach 30 Minuten in die Kabine geschickt.

Molinaro hatte Arjen Robben zweimal klar gefoult, dennoch sahen die Stuttgarter in dem Ausschluss eine sehr harte Entscheidung gegen sich, vor allem, weil sich Robben anschließend ausgiebig auf dem Rasen krümmte. Sowohl Gräfe wie auch Robben brachte der Vorfall jedenfalls den gewaltigen Unmut der Fans ein, Stuttgart musste mit einem Spieler weniger auskommen. "Nach dem Platzverweis war es unglaublich schwer, noch zu Chancen zu kommen", erklärte Christian Gentner. Fast wäre die Partie in der Schlussphase trotzdem noch gekippt.

So ließ sich aus Bayern-Sicht konstatieren: Gut, dass sie Mario Gomez haben. Jedoch ebenfalls gut, dass der Gegner an diesem Tag nur VfB Stuttgart hieß. Denn wie solche Spiele gegen mutiger auftretende Mannschaften ausgehen können, hatten die Bayern jüngst gegen Dortmund und Mainz begutachten können.

Zwei Spiele müssen die Bayern noch überstehen - am Freitagabend gegen den 1. FC Köln, dann im DFB-Pokal beim VfL Bochum. Ob Trainer Heynckes dann bereits wieder auf Bastian Schweinsteiger setzen kann, wird die Trainingswoche zeigen. Obwohl die Gegner nicht zu den schwierigsten zählen, liegt die Vermutung nahe: Wenn Schweinsteiger einsteigen will, wird ihm Heynckes das Comeback kaum verwehren.

Ob Franck Ribéry gegen Köln mitwirken kann, war am Sonntagabend noch nicht gesichert: Der Franzose berichtete beim Hinausgehen von einer Zerrung, griff sich dabei an den rechten, hinteren Oberschenkel. "Ich hoffe, dass ich für Köln wieder fit bin", sagte Ribéry. Das nächste Wort hat damit die medizinische Abteilung des Herbstmeisters.

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