Bayern-Sieg bei AS Rom:In stiller Verwunderung

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Typisches Bild: Roms Vasilios Torosidis unterliegt Bayerns Juan Bernat (rechts). (Foto: dpa)

Debakel, Demütigung, Stich ins Herz: Beim historischen 1:7 lassen die übermächtigen Bayern dem AS Rom keine Chance. Die italienischen Fans besingen ihr Team trotzdem - auf herzzerreißende Weise.

Von Thomas Hummel, Rom

So ein Fußballspiel in Rom beginnt für die Zuschauer Stunden vor dem Anpfiff. Zum Stadio Olimpico fährt kein Zug, schon gar keine U-Bahn, denn wer in Rom zu tief gräbt, der buddelt etwas Historisches aus. Unter der Stadt liegt der Trümmerhaufen der Geschichte, die Archäologen haben längst aufgehört, alles an die Oberfläche zu heben. Der Fund wird begutachtet, katalogisiert, dann kommt wieder Erde drauf. Weitergraben verboten!

So kämpften sich fast 72 000 Menschen oberirdisch den Tiber entlang, mit ihren Autos und Motorrädern, am Ende zu Fuß hinein in das weite Rund. Mehr als eine Stunde vor Anpfiff waren praktisch alle Plätze besetzt, die Römer kennen sich eben aus in ihrer Stadt. Und sie wissen auch, wie man ein Fest feiert. Selbst wenn die geliebten Männer in Gelb und Rot die furchterregendste Niederlage der - obacht! - Geschichte erleiden. 1:7 gegen den FC Bayern. 0:5 schon zur Halbzeit. Doch die Fans der Roma begingen den Abend mit fast archäologischer Freude am historischen Ereignis.

Mangels des in Deutschland üblichen Musik- und Werbeterrors aus Lautsprechern hatte sich das noch euphorische Publikum schon vor dem Aufwärmen der Mannschaften warmgesungen, auch der Bayern-Block stimmte herzhaft ein. Als die Gastgeber das herzzerreißende Vereinslied "Roma, Roma, Roma, Herz der Stadt" sangen, lauschten die Gäste andächtig dem leidenschaftlichen Chor.

Vielleicht breitete sich unter den Spielern der Roma eine rührige Melancholie aus angesichts dieses Empfangs, in Italien sind die Stadien ja längst nicht immer ausverkauft. Oder sie waren einfach zu schwach für diese überhaupt nicht melancholischen Bayern. Die Zuschauer hatten kaum ihre Liebe zur Roma besungen ("Gelb wie die Sonne, Rot wie mein Herz"), da schlug es im eigenen Tor reihenweise ein. Robben, Götze, Lewandowski, Müller, Robben. 0:5. In 39 Minuten. Es war ein Debakel, eine Demütigung. "Ein Stich ins Herz", wie der ewige Römer Daniele De Rossi erklärte.

Erst reagierten die Menschen mit stiller Verwunderung. In der Halbzeit begann die Curva Sud wieder zu singen. Als die heimischen Spieler zum zweiten Durchgang auf das Spielfeld liefen, erhob sich lauter Applaus. Es stand immer noch 0:5.

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Es war ein Zeichen der Zuneigung. Aber auch ein Beifall, dem man dem heillos Unterlegenen schenkt, um ihm Mut zu geben. Ihm Respekt zu bezeugen, dass er es trotzdem versucht. Das Tor von Gervinho zum 1:5 feierte das Stadion lauthals, nach dem 1:7 durch Ribéry und Shaqiri verließen die ersten paar Tausend still ihre Plätze in Richtung Auto oder Motorrad. Nach dem Abpfiff verabschiedeten die Verbliebenen ihre geschlagenen Gesandten mit neuerlichen Ovationen. "Unsere Zuschauer sind fantastisch", erklärte Trainer Rudi Garcia danach, "so zu verlieren vor einem vollen Stadion, das ist wirklich sehr hart."

Das großartige Ambiente täuschte aber nicht darüber hinweg, dass der AS Rom, ja ganz Italien, "eine Lektion erhalten haben", wie Garcia feststellte. Eine Lektion in modernem Fußball eines "FC Bayern von einem anderen Planeten" ( Corriere dello Sport).

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Der Franzose Rudi Garcia gilt in Italien als einer der modernsten, progressivsten Trainer. Er hat in Rom eine erstaunlich attraktive Mannschaft geschaffen, die sich zuletzt nur dem wuchtigen Ergebnis-Fußball von Juventus beugen musste. Doch auf diesen FC Bayern war er nicht vorbereitet. Die Römer liefen naiv in die Falle, die ihnen Pep Guardiola stellte. "Der AS Rom hat genau das gemacht, was wir erwartet hatten. Die haben nichts verändert an ihrer Taktik im Vergleich zu den Spielen zuvor", erklärte Thomas Müller.

Die Gastgeber wollten wie gewohnt den Ball kontrollieren, über die talentierten Mittelfeldspieler Pjanic und De Rossi den wieselflinken Stürmer Gervinho einsetzen. In der Serie A funktioniert das wunderbar, weil dort das Wort Pressing unbekannt ist. Die Bayern allerdings setzten die Aufbauspieler der Roma derart hartnäckig unter Druck, dass von geordnetem Spielaufbau nichts zu sehen war. Nach Ballverlust liefen die Römer so behäbig und ungeordnet zurück, dass es für die bayerische Angriffsmaschine ein leichtes war, die Tore zu erzielen.

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"Ich übernehme die Verantwortung, denn die Strategie war falsch", sagte Trainer Garcia, "wir hätten kompakter und aggressiver sein müssen." In der Halbzeitpause stellte er seine Mannschaft um, nahm den überforderten Francesco Totti vom Platz, ließ seine Mannen aus einer verstärkten Defensive schnell nach vorne spielen und plötzlich ergaben sich wunderbare Aktionen. Torwart Manuel Neuer und der Pfosten verhinderten mehr römische Glücksgefühle als das 1:5 durch Gervinho.

Ausgerechnet die in Mailand gedruckte Gazzetta dello Sport erinnerte die Hauptstadt sogleich an eine echte verlorene Schlacht gegen übermächtige Horden aus dem Norden. "Il sacco di Roma" titelte die Sportzeitung, in Anlehnung an den Überfall deutscher Landsknechte zusammen mit spanischen und italienischen Söldnern im Jahre 1527. Damals war die päpstliche Stadt bis auf die Grundfesten geplündert worden, es gab Gewaltexzesse der Eroberer.

2014 waren es nur bayerische Fußballer, die Rom ins Unglück stürzten. Gewalt wurde niemandem angetan, auch wenn einige Kanonenschläge in den Zuschauerrängen anderes vermuten ließ. Die Stadt erlitt lediglich einen fußballerischen "Unfall", wie es Guardiola ausdrückte. Damit kann sie lässig umgehen. Sie hat schon weit schlimmeres erlebt.

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