FC Bayern in der Einzelkritik:Ribéry übt Selbstjustiz

Der Franzose hätte eindeutig Rot sehen müssen. Thomas Müller spürt ein Messer zwischen den Rippen - und Arturo Vidal darf ungestraft seine Tattoos zeigen. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Von Martin Schneider, Berlin

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Manuel Neuer

Bayern Munich v Borussia Dortmund - German Cup DFB Pokal Final

Quelle: REUTERS

Der einsame Torhüter in diesem Finale der Liebe. Karl-Heinz Rummenigge und Hans-Joachim Watzke duzen sich jetzt, Pep Guardiola und Thomas Tuchel werden sich vermissen und Manuel Neuer war zumindest zunächst nicht so alleine in der eigenen Hälfte wie sonst immer. Ließ zum Beispiel in der 27. Minute den anstürmenden Pierre-Emerick Aubameyang mit einem Pass im letzten Moment eiskalt ins Leere laufen. War vermutlich auch bei seinem ersten Date nicht nervös. Blieb dann sehr lange allein in seinem Strafraum. Dann kamen die Spieler gezwungenermaßen zu ihm. Elfmeterschießen. Hielt den Strafstoß von Bender.

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Philipp Lahm

Bayern München - Borussia Dortmund

Quelle: dpa

Verkündete vor dem Spiel nochmals seine Liebe zu Pep Guardiola und sagte einer englischen Zeitung, Guardiola habe ihm nochmal "mehr Spaß am Fußball vermittelt". Zeigte in der Halbzeit, dass er sich schon sehr gut mit Mats Hummels versteht, als die beiden auf dem Weg in der Kabine die erste Hälfte durchdiskutierten. Diskutiert beim Weg aus der Kabine mit Thomas Müller. Offensichtlich kam er in diesen Debatten zu einem Ergebnis. Zog das Spiel nach der Pause mehr an sich und agierte viel offensiver. In der Verlängerung dann nur noch im Herz des Spielfeldes und eh überall. Man sah ihm an, dass er seinem Trainer den Pokal zur friedlichen Scheidung mitgeben wollte. Rutschte beim Elfmeterschießen im vergangenen Jahr gegen Dortmund aus. Schoss diesmal nicht.

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Jérôme Boateng

Bayern Munich v Borussia Dortmund - German Cup DFB Pokal Final

Quelle: REUTERS

Der Mann, der die Heimatliebe auf dem Platz nutzte. Wuchs keine 15 Autominuten vom Olympiastadion entfernt im Stadtteil Charlottenburg auf. In der Bundesliga zerlegte er den BVB mit langen Bällen, die mit der Zärtlichkeit kaligraphierter Liebesbriefe über den Platz flogen. Diesmal traf sein Stellungsspiel Borussia Dortmund so hart wie Schlussmachen per SMS. Gab den im doppelten Sinne großen Bruder von Joshua Kimmich (1,92 Meter vs. 1,76 Meter) und war damit beschäftigt, die Zweikämpfe des Jungspundes mit Aubameyang im Auge zu behalten. Behielt auch noch die Bewegungen von Manuel Neuer im Auge und rettete für ihn, als der sich bei einem Reus-Kopfball verschätzte. Nach seiner Verletzung wieder fußballerisch so groß wie der Berliner Fernsehturm.

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Joshua Kimmich

Bayern Munich v Borussia Dortmund - German Cup DFB Pokal Final

Quelle: REUTERS

Ist ja der Experte, wenn es darum geht, mit zu viel Liebe überschüttet zu werden. ("Ein süßer, süßer Junge", Pep Guardiola). Ist auch Experte darin, nach Spielen gegen den BVB von Guardiola lautstark im Mittelkreis gemaßregelt zu werden. Wurde vermutlich diesmal in der Kabine gemaßregelt, weil er in der ersten Hälfte einmal so ungestüm in den Zweikampf mit Aubameyang ging, dass dieser ihm davon sprintete wie ein junges Reh einem dickbäuchigen Jäger. In der 61. Minute holte ihn Guardiola zu sich, um ihm ein paar Takte zu sagen. Legte dabei liebevoll den Arm um Kimmich. Fing Sekunden vor Abpfiff einen Pass ab, der zum K.o hätte führen können. Spielte wieder in vielen kleinen, klugen Aktionen ein erstaunliches Spiel. Wird jetzt vielleicht Joachim Löws Lieblingsschüler. Der Elfmeter war dann vielleicht ein bisschen viel Verantwortung.

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David Alaba

Bayern Muenchen v Borussia Dortmund - DFB Cup Final 2016

Quelle: Bongarts/Getty Images

Kam irgendwie nicht in diesem Spiel an. Fabrizierte ungewohnte Stockfehler und fand keinen Draht zu Thiago und auch nicht zu seinem Busenfreund Franck Ribéry. Kam in 90 Minuten so oft zu spät wie die Berliner S-Bahn. Wo er sonst das Spiel als Außenverteidiger mitgestaltet, lief das dieses Mal meistens nach dem Muster: Pass auf Ribéry. Ribéry rennt sich fest. Nochmal von vorne. Guardiola ließ ihn aber auf dem Platz wie in einer Beziehung, in der es nicht mehr läuft, aber die Alternativen (Rafinha, Bernat, Benatia) auch nicht berauschend sind.

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Arturo Vidal

Bayern Munich v Borussia Dortmund - German Cup DFB Pokal Final

Quelle: REUTERS

Hat auf seinem Körper per Tattoos unter anderem die Liebe zu Gott, zu seiner Mutter, zu seinen Pferden, zu seiner Rückennummer, zu seinem Spitznamen King Arturo und zu Spider-Man verewigt. Wurde von Guardiola zu Xabi Alonso gemacht und verteilte als einziger defensiver Mittelfeldspieler der Münchner die Bälle. Liebt das eigentlich nicht. Machte es aber sanft und sorgfältig. Als die Gefahr drohte, dass sich alle zu doll liebhaben, holzte er Gonzalo Castro mit einem Tackling um, bei dem nur ein Pferd stehen geblieben wäre. Kassierte dann Gelb, weil er mit offener Sohle gegen Julian Weigl grätschte. Eine Viertelstunde vor Schluss zerriss ihm Sokratis das Trikot im gegnerischen Strafraum. Das blieb ungeahndet und Vidal durfte ungestraft seine Tattoos zeigen. Leitete mit einem Fehlpass, und weil er anschließend nicht mehr foulen durfte, den Konter des BVB in der 85. Minute ein, der fast die Niederlage gebracht hätte. Nahm sich den ersten Ball beim Elfmeterschießen und versenkte ihn. Vielleicht der beste Münchner.

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Thiago

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Quelle: AFP

Irgendwie klar, dass Guardiola in seinem letzten Spiel beim FC Bayern auf den Spieler setzt, den er unbedingt haben wollte. Niemand auf dem Feld kann den Ball so liebkosen wie Thiago, er und das Spielgerät sind schon von Geburt an per Du. Allerdings stellte ihn Guardiola im 4-1-4-1 System ganz weit an den Rand, damit er mit Alaba und Ribéry den Ball durch die Dortmunder Reihen passen konnte. Klappte nicht. In der zweiten Halbzeit rückte er weiter in die Mitte und kam besser zurecht. Für den einen Pass, der die Dortmunder Abwehr zerschneidet wie ein Messer eine Hochzeitstorte, reichte es trotzdem nicht.

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Franck Ribéry

Bayern München - Borussia Dortmund

Quelle: dpa

Hätte die Farbe der Liebe sehen müssen: Rot. Stach Gonzalo Castro bei einer Rangelei den Ringfinger ins Auge. Schiedsrichter Marco Fritz sah es nicht. Castro war ihm kurz zuvor zwar ein bisschen ins Kreuz gerannt und der Franzose übte Selbstjustiz nach dem Prinzip Rücken um Auge. War zu diesem Zeitpunkt ziemlich frustriert, weil er gegen Lukasz Piszczek spielen musste, ein Duell, das schon seit Beginn der neueren Rivalität zwischen Bayern und Dortmund ausgetragen wird. Keiner kennt die Haken des Franzosen so gut wie der Pole und so blitzte Ribéry ab wie ein dicker, pickeliger Junge, der mit der Klassenschönheit ausgehen will. Castro bekam es zu spüren. Ribéry nur Gelb. In der 108. Minute völlig entkräftet ausgewechselt gegen Coman, musste vom Platz getragen werden. Schleppte sich mit letzter Kraft über die Werbebande - das sah fast nach Limbo aus.

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Douglas Costa

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Quelle: AFP

Spielt auf der gleichen Position, auf der sonst der Borussen-Schreck Arjen Robben spielt, der für die Bayern die vergangenen beiden Finals gegen Borussia Dortmund in Pokal und Champions League entschied. Spielte aber nicht wie Robben und spielte zunächst auch nicht wie Costa. Weder seine Schüsse noch seine Pässe kamen zunächst an. Erst in der 33. Minute zischte eines seiner Geschosse aufs Tor, Roman Bürki konnte nur abklatschen lassen und Müller kam nicht an den Abstauber. Sorgte damit paradoxerweise für die gefährlichste Situation der Bayern in der ersten Halbzeit. Profitierte in der zweiten Halbzeit von seiner Physis, die besser ist, als die von Arjen Robben und offenbar auch besser als die von allen anderen auf dem Platz. Nach der Pause viel auffälliger und viel besser. War aber alles egal: Er verwandelte den entscheidenden Elfmeter.

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Thomas Müller

Bayern Munich v Borussia Dortmund - German Cup DFB Pokal Final

Quelle: REUTERS

Erwartete vom BVB keine Zuneigung, sondern ein "Messer zwischen den Zähnen". Erwartete auch nicht, einen Elfmeter zu schießen, weil er gegen Atlético nicht traf. Versuchte dafür schon nach ein paar Minuten einen Schuss aus 25 Metern, was bei Müller im Jahr ungefähr so oft vorkommt wie der Valentinstag. Verzog den Schuss. Blockte nach knapp einer Stunde mit einem Messer zwischen den Zähnen mit seinem dürren Körper die halbe BVB-Abwehr im Rugby-Stil alleine weg, nur damit Robert Lewandowski den Schuss verzog. Machte oft ein gequältes Gesicht, als hätte er Messer zwischen den Rippen. Man wartete ständig auf einen Müller-Moment wie im vergangenen Jahr, als er mit heruntergezogenen Stutzen mit letzter Kraft über den ganzen Platz zum 2:0 lief. Der kam nicht. Musste dafür trotzdem einen Elfmeter schießen. Versenkte ihn.

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Robert Lewandowski

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Quelle: AFP

Der Name Robert Lewandowski steht im Pokalfinale für drei Tore. Für drei Tore für Borussia Dortmund und gegen Bayern München beim 5:2 des BVB im Finale 2012. Sein Pech: Die Zeiten, in denen so ein Finale 5:2 ausgeht, sind vorbei. Wurde nach der Halbzeit von Sokratis Papastathopoulus mit einer Grätsche aufgehalten, die so lang war wie dessen Name. Versuchte dann selbst ein gaaaanz langes Bein zu machen, um einen Querpass von Franck Ribéry ins Tor zu drücken. Das Bein war aber nicht lang genug. Knallte dann einen Ball frei übers Tor, den Thomas Müller ihm mühsam freigeblockt hatte. Was gut war: Warf sich in jeden Zweikampf und holte sich jeden Ball. Was nicht gut war: Wenn eine Mannschaft überlegen spielt, aber dann mit einem 0:0 ins Elfmeterschießen muss, liegt das auch am Mittelstürmer. Versenkte seinen Elfmeter dafür sicher.

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Kingsley Coman

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Quelle: AFP

Eigentlich ein guter Joker. Aber Pep Guardiola wollte einfach nicht auswechseln. Kam erst in der 108. Minute. Konnte in zwölf Minuten aber nichts mehr bewirken.

© sz.de/schma
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