FC Bayern in der Einzelkritik:Aus, vorbei. Tränen.

Manuel Neuer, der Verrückte, schießt selbst einen Elfmeter, hält aber nicht genug. Arjen Robben hampelt zuerst wie an einer Steckdose angeschlossen, um dann unwidersprochen einen Elfmeter zu verschießen. Jérôme Boateng verliert einmal Didier Drogba aus den Augen, Bastian Schweinsteiger regeneriert während des Spiels, um am Ende zu verschießen. Der FC Bayern im Champions-League-Finale in der Einzelkritik

Christof Kneer

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Bayern Munich's goalkeeper Neuer rescts during their Champions League final soccer match against Chelsea at the Allianz Arena in Munich

Quelle: REUTERS

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FC Bayern in der Einzelkritik:Manuel Neuer

Manuel Neuer, der Verrückte, schießt selbst einen Elfmeter, hält aber nicht genug. Arjen Robben hampelt zuerst wie an einer Steckdose angeschlossen, um dann leider mit niemandem um den Elfmeter zu streiten. Jérôme Boateng verliert einmal Didier Drogba aus den Augen, Bastian Schweinsteiger regeneriert während des Spiels, um am Ende zu verschießen. Der FC Bayern im Champions-League-Finale in der Einzelkritik. Aus dem Stadion von Christof Kneer.

Manuel Neuer: Hatte in einem Spiel, das an dieser Stelle aus Gründen des Überdrusses nicht mit Hilfe der bairischen Ortsangabe "dahoam" beschrieben werden soll, erst mal nichts zu tun. Man könnte auch sagen: Goa nix. Koa Ball hat sich nämlich in seine Nähe verirrt, was man dem Ball weniger vorwerfen musste als den Chelsea-Spielern. Parierte nach knapp 40 Minuten sicher gegen Kalou. Nach 70 Minuten etwas glücklich, als er einen Drogba-Nachschuss halten konnte, den eine eigene kleine Unsicherheit heraufbeschworen hatte. Ließ sich davon nicht beeindrucken. Ahnte er da schon, dass später wieder seine Spezialdisziplin "Elfmeterschießen" kommen würde? Hielt gleich den ersten Strafstoß von Mata. Dann verwandelte er selbst noch einen, der Verrückte, aber die anderen Chelsea-Elfmeter waren einfach zu gut geschossen.

Chelsea's Drogba fights for the ball with Bayern Munich's Lahm during their Champions League final soccer match at the Allianz Arena in Munich

Quelle: REUTERS

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FC Bayern in der Einzelkritik:Philipp Lahm

Philipp Lahm: Tat von Anfang an, was ein echter Kapitän tun muss: Ging über seine Grenzen. Gewann nach acht Minuten tatsächlich ein Kopfballduell, ein wichtiges, im eigenen Strafraum. Hochkonzentriert in der Defensive, mit vielen kleinen, feinen Balleroberungen. Hatte sich offenbar vorgenommen, in dieser neu formierten Abwehrkette für alle anderen mit zu verteidigen. Das gelang ihm, als sei es das Einfachste von der Welt. Fand in der zweiten Hälfte auch Raum und Zeit, um Robben in der Offensive zu unterstützen, wurde mit zunehmender Spieldauer immer offensiver, lernte sogar den gegnerischen Strafraum kennen. Manndecker, Raumdecker, Antreiber, Passspieler und Flügelflitzer in einem. Und im Elfmeterschießen traf er auch noch. Ein exzellentes Spiel des Kapitäns.

FC Bayern München - FC Chelsea

Quelle: dpa

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FC Bayern in der Einzelkritik:Anatoli Timoschtschuk:

Anatoli Timoschtschuk: Passte oft quer auf Boateng, der dann quer auf Timoschtschuk passte. Durfte sich dank Chelseas demütiger Spielführung schön langsam eingewöhnen auf der ungewohnten Position. Seine Eignung wurde selten getestet, weil er selten unter Druck gesetzt wurde. Weitgehend seriös, hatte wenig Optionen, etwas falsch zu machen. Wobei: Ein paar lange Bälle schlug er nach vorn, aber die sind ja nur bei Joachim Löw verboten. Gewann nach 70 Minuten ein extrem wichtiges Kopfballduell gegen Kalou. Nach van Buytens Einwechslung rückte er auf seine Spezialposition vor der Abwehr, wo er mit diversen Fehlpässen auffiel.

FC Bayern Muenchen v Chelsea FC - UEFA Champions League Final

Quelle: Bongarts/Getty Images

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FC Bayern in der Einzelkritik:Jérôme Boateng

Jérôme Boateng: War erstmals in seiner Zeit bei Bayern eine Art Abwehrchef, vertrat den gesperrten Badstuber halblinks in der Innenverteidigung und sollte den kettenneulingen Timoschtschuk (rechts von ihm) und Contento (links von ihm) Sicherheit geben. Spätestens im Aufbauspiel wurde aber ersichtlich, dass es sich bei ihm um keinen Badstuber handelt. Passte oft quer auf Timoschtschuk, der dann quer auf Boateng passte. Defensiv zunächst aber sehr sicher, und was vor allem Bundestrainer Joachim Löw freuen dürfte: Boateng grätschte nicht! Was aber weder Löw, Jupp Heynckes noch die Mitspieler freuen dürfte: Ließ Drogba vor dem 1:1 entwischen.

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Quelle: AP

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FC Bayern in der Einzelkritik:Diego Contento

Diego Contento: War dafür auserkoren, Franck Ribéry auf der linken Seite als eine Art David-Alaba-Double zuzuarbeiten. Bot sich dafür keineswegs nur wegen seiner Jugend an. Sondern auch, weil er zuletzt in vielen wichtigen Spielen von der Bayern-Bank aus einen vorzüglichen Blick auf das immer kunstvollere Zusammenspiel von Ribéry und Alaba genossen hatte. Machte den Double-Job bis auf Äußerlichkeiten (Alaba trägt seinen Irokesenschnitt etwas breiter) sehr beachtlich, etwa als er per Kraftflanke aus vollem Lauf (Zuspiel: Ribéry) Müller bediente (35.). Traute der Sache aber nicht immer. Wartete nach Hochgeschwindigkeitssprints Richtung Grundlinie häufig auf Ribéry, um Ball und Verantwortung wieder abzugeben. Insgesamt aber eine recht abgeklärte Vorstellung, vor allem angesichts der Bedeutung dieses Finales zu Hause (auf dem Index: dahoam).

FC Bayern Muenchen - FC Chelsea

Quelle: dapd

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FC Bayern in der Einzelkritik:Bastian Schweinsteiger

Bastian Schweinsteiger: Wurde von den Anhängern beim Verlesen der Aufstellung mit "Fußballgott" begrüßt. Betätigte sich zunächst aber als "Handballgott": Hielt nach drei Minuten völlig unmotiviert seine Hand in die Schussbahn, sah gleich Gelb. Trost: Fürs Finale ist er nicht gesperrt. Gab selbstlos den defensiveren Sechser, sicherte Kroos ab, hatte immer ein Extra-Auge am Hinterkopf platziert und Richtung Drogba gerichtet. Befindet sich aber erkennbar in der Comeback-Phase: Noch fehlt ihm gelegentlich das Timing, aber er hat offenbar schon wieder genügend Kraft, um während eines Spiels zu regenerieren: Er eroberte in der zweiten Halbzeit immer mehr Bälle, warf sich mannhaft in die Partie, gewann Zweikämpfe, sogar Kopfbälle gegen Drogba. War nach dem 1:0 aber zu müde zum Jubeln, kurz darauf plagten ihn Krämpfe. Spielte am Ende mehr mit Auge als mit den Füßen, traute sich als echter Führungsspieler trotzdem einen Elfmeter zu. Er verschoss. Aus, vorbei. Tränen.

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Quelle: AFP

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FC Bayern in der Einzelkritik:Toni Kroos

Toni Kroos: Bemühte sich, das Spiel aus der Defensivzentrale heraus zu strukturieren und zu beschleunigen, suchte und fand dabei meistens einen der beiden Flügel. Immer wieder mit kleinen Kostbarkeiten im Spiel, die richtige Ballmitnahme in die richtige Richtung, solche Sachen. Allerdings traf auch er zu selten jene kleine hohle Gasse, die Chelseas Abwehr manchmal offen ließ. War als Sechser eben weiter vom gegnerischen Tor entfernt als in seiner Lieblingsrolle als Zehner. Stratege, dem der zündende Moment versagt blieb.

FC Bayern Muenchen v Chelsea FC - UEFA Champions League Final

Quelle: Bongarts/Getty Images

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FC Bayern in der Einzelkritik:Arjen Robben

Arjen Robben: Verlor im Sommer 2010 kurz hintereinander das Champions-League-Finale (mit Bayern) und das WM-Finale (mit Holland). Hat mit dem Schicksal noch eine Rechnung offen, die wollte er ganz dringend begleichen. Vor dem Anpfiff zitterte, wackelte und hampelte er, als habe ihn jemand an die Steckdose angeschlossen. Hoch engagiert, sprintete, wuselte, rochierte, trickste und schoss. Einer seiner Schüsse landete am Lattenkreuz (21.,) abgelenkt von Chelsea-Torwart Petr Cech. Viel weniger aktionistisch als sonst, sehr konstruktiv. Zeigte seinen Kritikern, dass er mehr drauf hat als nur seinen Lieblingsspielzug (antäuschen, nach innen ziehen, beschleunigen, den Mitspieler übersehen, schießen). Stritt nicht mit Ribery um den Elfmeter in der Verlängerung, leider auch sonst mit keinem. Schoss Cech in die Arme. Später, im Elfmeterschießen, nicht mehr als Schütze nominiert.

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Quelle: AFP

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FC Bayern in der Einzelkritik:Thomas Müller

Thomas Müller: Zitterte nicht, als habe ihn jemand an die Steckdose angeschlossen, hatte aber offenbar doch eine kleine Dosis abbekommen. War von Anfang an sehr aktiv, viel unterwegs, immer munter beteiligt am Dreiecks-Spiel mit Robben und Ribery. Seine kreuzenden Laufwege überforderten Chelseas Deckung immer wieder, aber es fand sich keiner, der die Lücken nutzte. Vergab in der 78. Minute eine Chance, die ein Spieler wie Müller normalerweise nutzt, fünf Minuten später nutzte er aber eine Chance, die nicht jeder nutzt: Sein unvergleichlicher Instinkt lotste ihn an die richtige Stelle, wo er seinen Aufsetzer-Kopfball zum 1:0 unterbrachte. Zuletzt wahlweise als Rechtsaußen oder Banksitzer eingesetzt, zeigte er endlich auch mal wieder in der zentralen Rolle, was alles in ihm steckt. In der zweiten Halbzeit - bis zu seiner Auswechslung - bester Münchner.

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Quelle: AFP

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FC Bayern in der Einzelkritik:Franck Ribéry

Franck Ribéry: Wurde nach zehn Minuten in der Nähe des Strafraums gefoult wohlgemerkt: des eigenen Strafraums. Spricht für die Theorie, dass dieses Champions-League-Finale für den Franzosen ungefähr so wichtig ist wie dreieinhalb Spiele gegen Dortmund. Versuchte vorübergehend sogar zu verdrängen, dass es sich bei ihm um einen sog. Individualisten handelt. Er übte, wie es sich anfühlt, Führungsspieler zu sein: Er coachte ständig den hinter ihm spielenden Neuling Contento. Warf sich lustvoll ins Getümmel, überstand auch die Schrecksekunde in der 32. Minute, als er nach einem Foul von Bosingwa zusammenbrach und die Hände überm Kopf zusammenschlug. Spielte aber kurz danach weiter. Jubelte nach seinem vermeintlichen Führungstreffer, wie man ihn in viereinhalb Spielen gegen Dortmund auch im Fall eines Torerfolgs kaum hätte jubeln sehen. Danach sehr verzweifelt (Schiedsrichter: "koa Tor"). Wirkte anders als Robben aber gelegentlich ungestüm und hyperaktiv. Erzwang in der 94. Minute die Aktion, die zum Elfmeter führte - dass Robben verschoss, sah er schon von draußen. Er musste verletzt das Feld verlassen.

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Quelle: AP

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FC Bayern in der Einzelkritik:Mario Gomez

Mario Gomez: Was soll man über Gomez sagen? Er hatte es brutal schwer gegen diesen Gegner, der meist so eng beieinander stand wie sonst nur die Menschen beim Public Viewing. Versuchte immer wieder in jene hohlen Gassen zu sprinten, die Kroos dann meistens doch nicht fand. War anfangs sehr bemüht, sehr nah dran, auch unglückliche Aktionen nährten die Hoffnung, dass es bald glücklichere Aktionen geben könnte. Wirkte aber nach der Pause plötzlich wie abgeschaltet, hatte plötzlich kaum mehr Aktionen, sah seltsam teilnahmslos zu, wie Robben, Ribery, Müller und sogar Lahm verzweifelt das Tor suchten. Sah auch zu, wie Müller in der 83. Minute hinter ihm an den Ball kam und das 1:0 köpfte. Sah auch zu, wie Robben den Elfmeter verschoss. Sah überhaupt viel zu. Aber: Verwandelte seinen Elfmeter so souverän, als sei das sein Spiel gewesen.

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Quelle: AFP

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FC Bayern in der Einzelkritik:Daniel van Buyten

Daniel van Buyten: Kam, um das 1:0 zu sichern, kurz darauf stand es 1:1. War aber nicht seine Schuld.

FC Bayern Muenchen v Chelsea FC - UEFA Champions League Final

Quelle: Bongarts/Getty Images

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FC Bayern in der Einzelkritik:Ivica Olic

Ivica Olic: Kam für den verletzten Ribery ins Spiel, übernahm dessen Position links vorne. Vergab in der 108. Minute eine Riesenchance, als er für van Buyten ablegen wollte und der nicht dran kam. War aber wieder nicht dessen Schuld. Traute sich später einen Elfmeter zu, aber Cech parierte. Petr Cech war diesmal der Held, nicht Manuel Neuer.

© SZ.de/hum
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