FC Bayern in der Champions League:Und nun: Vier Monate Jux und Daddelei

FC Bayern in der Champions League: Robert Lewandowski (li.): Hat Spaß an Akrobatik

Robert Lewandowski (li.): Hat Spaß an Akrobatik

(Foto: AP)

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

In der Kategorie Lausbubenhumor hat der FC Bayern schon namhafte Vertreter hervorgebracht. Unübertroffen ist natürlich die Bazihaftigkeit des Maiersepp oder auch der Pennäler-Schmäh vom Schollmehmet. Ein artverwandter Komiker dieser beiden Gaudibrüder ist der Müllerthomas - und das Praktische an ihm ist, dass er fast jede Woche "einen raushaut", wie es in der Branchensprache so schön heißt. Wenn also der Müllerthomas nach einem Fußballspiel nach Hause schlendert, braucht man ihn eigentlich nur kurz was zum Spiel und zu seinen Toren fragen und schon wird's schenkelklopfig.

Wie es sein kann, dass es beim FC Bayern derzeit so sagenhaft rund läuft in der Offensive, wollte also einer wissen, nachdem die Münchner sich mit einem 4:0 (3:0) gegen Olympiakos Piräus Platz eins in ihrer Champions-League-Vorrundengruppe gesichert hatten. "Ja mei, wir haben halt vorne ein magisches Achteck", sagte Müller und schon grinsten alle Zuhörer. Er selbst hatte wieder einmal einen Treffer beigesteuert, sodass man konstatieren kann: Läuft bei ihm. Es war das 3:0 in der 20. Minute, als Arjen Robben die 70.000 Zuschauer mit der wohl ersten Kopfballvorlage seines ganzen Fußballerlebens verblüffte.

Müller musste aus 30 Zentimetern Entfernung nur noch seinen Haxen hinhalten. "Den hätten sicher auch zwei bis drei der hier anwesenden Journalisten reingemacht", analysierte der Nationalstürmer. Wieder ein Gag, wieder Gelächter in der Interviewzone. So ging es zu nach diesem erneuten Rausch-Abend des FC Bayern: Auch wenn die Reporter versuchten, einen Makel auszumachen - so richtig fündig wurde keiner. Nicht bei diesen Dampfwalzen-Bayern, die so dermaßen konsequent über jeden Gegner hinwegrumpeln, dass man den Geschlagenen gerne psychologische Hilfe anbieten würde. Fünf Stürmer hatte Trainer Guardiola aufgeboten. Dauernd stand irgendwo einer, der ein Tor schoss.

Der FC Bayern hat sich in dieser kalten Bibbernacht mal wieder an sich selbst erwärmt. Er hat dem griechischen Meister, der durchaus noch Chancen aufs Weiterkommen besitzt, der immerhin beim FC Arsenal 3:2 gewonnen hat, vier deftige Watschen verpasst. 1:0 durch ein brachiales Abstaubertor von Douglas Costa (8. Minute), 2:0 durch ein kurios erzwungenes Wuchttor von Robert Lewandowski (16.), 3:0 durch Müllers Trockenübung und schließlich das 4:0 durch einen mutigen Kopfeinsatz des omnipräsenten Kingsley Coman (70.), zu dem Müller auch noch die Vorarbeit leistete. War was? Nunja, irgendwie ist so eine Tracht Prügel für jedweden Gegner mittlerweile schon Normalität. Mia san vier, sie san null.

"Wir sind sehr zufrieden, dass wir jetzt Platz eins sicher haben", sagte Guardiola, der mit professioneller Begeisterung besonders die "große Mentalität meiner Spieler" hervorhob. Ähnlich zufrieden zeigte sich Sportvorstand Matthias Sammer, der für seine Verhältnisse fast überschwänglich wurde: "Natürlich haben wir riesiges Selbstbewusstsein. Und wir konnten uns auch in Unterzahl immer wieder befreien, weil wir hungrig sind." Dass Holger Badstuber bei seinem Startelf-Comeback nach 217 Verletzungstagen nach einer knappen Stunde mit Rot vom Feld musste - kaum der Rede wert. Die Bayern walzten einfach weiter. Sie spielen ihr eigenes Spiel. Sie hocken eben im SUV, der Rest fährt Trabi.

Der Feind liegt im Schlendrian

Was soll da noch schief gehen? Wer soll dieses verflucht gut harmonierende Orchester aus dem Rhythmus bringen? Die Antwort: Höchstens die Bayern selbst. Der Feind scheint einzig und allein im eigenen Schlendrian zu liegen. In der Arroganz, im Nachlassen aufgrund des fehlenden Wettbewerbs. Sind solche Sorgen angebracht? Nunja, Philipp Lahm ließ sich immerhin zu der erstaunlichen Aussage hinreißen, dass "jetzt das nächste wichtige Spiel erst wieder im März stattfindet." Das wären ab sofort satte vier Monate voller Jux und Daddelei - mitten in der Saison.

Dass es in der Bundesliga noch gegen die Verfolger Hertha BSC oder Mönchengladbach geht, dass im Pokal noch ein Vorweihnachtskick gegen Darmstadt ansteht - offenbar rechnet Kapitän Lahm da nicht mit Komplikationen. Und wenn man sich die Gesamtlage bei diesem Klub kurz vor der Jahreshauptversammlung am kommenden Freitag anschaut, darf sogar das Fazit erlaubt sein: Er hat eigentlich recht. Es müsste im Achtelfinale der Champions League schon mindestens ein Team vom Kaliber Atlético Madrid oder Paris Saint Germain (beides sind mögliche Kontrahenten) sein, um diese Münchner Richtung Leistungsobergrenze zu drängen.

"Es kommt alles auf die entscheidenden Spiele im Frühling an", sagte Lahm noch, "wir müssen die Leistungen, die wir jetzt zeigen, auch später abrufen." Dass die Bayern das im Gegensatz zu den vergangenen Jahren hinbekommen, ist ihnen durchaus zuzutrauen. Selbst der Müllerthomas meinte schließlich um Seriosität bemüht: "Es ist schon bemerkenswert, was für eine super Truppe wir sind, vor allem, was die Gier betrifft." Er erlebe die Kollegen wie "lauter 18-Jährige, die immer noch mehr wollen." Das macht einem dann doch ein wenig Angst: Wenn selbst die Lausbuben am Ende klingen wie Matthias Sammer, der ewige Lausbuben-Dompteur.

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