FC Bayern in der Champions League:"Rache ist das falsche Wort"

  • Am Mittwochabend treffen die Bayern auf Atlético Madrid - den Gegner, der sie in der Vorsaison im Halbfinale aus der Champions League warf.
  • "Wir sind bitter ausgeschieden damals", sagt Kapitän Philipp Lahm.
  • Trainer Carlo Ancelotti, ehemals Übungsleiter bei Real Madrid, freut sich "sehr, hierher zurückzukommen".
  • Hier geht es zu den Partien der Champions League.

Von Jonas Beckenkamp, Madrid

Die Heimat des Champions-League-Gegners des FC Bayern ist ein Ort für Nostalgiker. Nirgends in Europa blättert so hübsch der Putz ab, über die alten Gemäuer des Estadio Vicente Calderón haben Fußballromantiker schon so manche schwelgende Zeile verfasst. Aber ein entscheidendes Detail ist bisher nie zur Sprache gekommen: Dass nämlich eine Straße namens "Paseo de los Melancólicos" zu diesem Stadion im Madrider Südwesten führt.

Die Emotions-Europameister von Atlético Madrid, das Team des großen Trainer-Toreros Diego Simeone - und die Meile der Empfindsamen, das passt auf herrliche Art so überhaupt nicht zusammen.

Das Problem ist nur: Für derart Gefühliges ist die Münchner Belegschaft nicht in die spanische Hauptstadt gereist. Ihr geht es an diesem Mittwoch vielmehr um ihr Punktekonto in der Gruppenphase - und darum, ein bisschen was gutzumachen. Allzu lange ist der letzte Bayern-Besuch im Calderón ja nicht her, das Aus im Halbfinale des vergangenen Wettbewerbs wabert noch durch die Hinterköpfe. Geht es also nicht auch ein wenig um Rache? Darum, den Schmerz von damals endgültig zu vergessen? Vielleicht. Aber so schlimm ist's nun auch wieder nicht.

Lahm müht sich um Versachlichung

"Rache ist das falsche Wort, wir sind halt bitter ausgeschieden damals", bemühte sich Philipp Lahm um Versachlichung, als er am Dienstagabend in einer Art Besenkammer unter der Arena seine Gefühlslage darlegen sollte. Trotzdem sei er "gerne hier, denn Madrid ist schon immer was Besonderes". Die Bayern sind sich schon bewusst, dass diese Partie um Längen bedeutsamer ist, als alles, was bisher war in dieser Saison. Wenn man so will, ist das Treffen mit den Raufbolden und Mentalitätsmonstern der Colchoneros auch die erste echte Herausforderung unter Trainer Carlo Ancelotti.

Dem Italiener war an dem Ort, an dem er nach zwei Jahren als "Mister" von Real Madrid immer noch viele Vertraute hat, die Vorfreude anzumerken. Die große Bühne, ein glanzvoller Abend, die Spätsommerhitze - Ancelotti zog die Augenbrauen hoch, er grinste in sich hinein, dann folgte erst mal ein trockener Gag: Er wolle Fragen bitte nur auf Deutsch beantworten. Beim allgemeinen Gepruste lachte der Italiener von Herzen mit. Dann gab er Auskunft auf Spanisch, na klar.

Der zuletzt angeschlagene Mats Hummels habe "gut trainiert, er ist bereit für einen Einsatz", sagte Ancelotti. Es werde "sehr schwer, denn der Gegner hat eine gut organisierte Mannschaft", und überhaupt: "Es wird ein intensives Spiel." Wie der gemütliche Onkeltyp Ancelotti einen solchen Showdown erlebt, was das für die vielfach malträtierten Kaugummis in seinem Mund bedeutet und wie er nach dem Spiel seine erste Härteprobe im Bayern-Amt verarbeitet - auch das wird interessant zu beobachten sein. Anzeichen von Nervosität suchte man beim Stoiker aus der Emilia-Romagna vergeblich, todo bien, so sein Credo.

Ancelotti wird von allen geduzt

"Ich freue mich sehr, hierher zurückzukommen", versicherte Carletto (den in Madrid alle duzen), "von den alten Real-Freunden hat mich bislang aber keiner angerufen. Die sind ja gerade alle in Dortmund unterwegs." Sollte die Welt eines Tages zu Ende gehen - Ancelotti würde diesen Prozess wohl mit einem Schulterzucken begleiten. Ähnliche Coolness wie der Coach strahlte auch Javi Martínez aus, der wohl erst einmal auf der Bank beginnt, um als Back-up für möglicherweise verfrühte Auswechslungen der Abwehrmänner Hummels oder Jérôme Boateng bereitzustehen.

"Klar, Atlético kommt viel über die Emotionen und sein Publikum", erklärte er, "aber wir ändern unsere Spielidee deswegen nicht." Heißt: Die Bayern wären vielleicht mit einem Punkt zufrieden, aber attackieren und ihre neue Direktheit vorführen, das wollen sie schon. Wie man gegen Atlético trotz Überlegenheit verliert, darin hat der FC Bayern ja bereits Übung.

Alle fürchten Griezmann

Doch wer selbst das Spiel macht, muss sich eben weniger vor einem Mann namens Antoine Griezmann fürchten, dem Martínez, Lahm und Ancelotti im Dreiklang seine Ausnahmeklasse attestierten. "Wir wissen, dass sie eine konterstarke Elf sind, die auch in der Abwehr stark ist", sagte Martínez, aber so sei das eben. "Auf die hohe Intensität" müsse man sich einstellen.

Es dürfte also eine emotionale Nacht werden, draußen im Vicente Calderón - und eher nichts für Melancholiker.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: