FC Bayern in der Bundesliga:"Die erste Halbzeit war grenzwertig"

Bayern München - Eintracht Frankfurt

3:0 gewonnen, aber nicht vollkommen zufrieden mit der Leistung gegen Frankfurt: Der FC Bayern um Kapitän Philipp Lahm (M.).

(Foto: dpa)

Von Maik Rosner

Durchaus vergnügt kam Philipp Lahm aus der Kabine und fand noch Zeit für seine letzte Körpertäuschung des Arbeitstages, als wolle er den Kameras und Mikrofonen ausweichen. Doch die Finte war schnell als solche erkennbar. Eine wichtige Botschaft hatte der Kapitän des FC Bayern ja gedanklich vorbereitet. Und dass er diese unbedingt loswerden wollte, daran bestand kein Zweifel, als er zu seiner Grundsatzkritik anhob. "Nicht so gut gespielt ist positiv ausgedrückt. Die erste Halbzeit war grenzwertig", sagte Lahm nun scharf und mit ernster Miene. "Absolut unkonzentriert" habe die Mannschaft agiert, "wir müssen froh sein, dass es so lange 0:0 stand. Normal müssen wir in Rückstand geraten."

Es kommt in letzter Zeit auffallend oft vor, dass sich die Bayern nach ihren hohen Siegen mit Selbstkritik überbieten. So war es schon nach dem 5:1 am Dienstag in der Champions League bei Arsenal gewesen. Und so war es nun auch nach dem 3:0 (2:0)-Heimsieg in der Bundesliga am Samstag gegen Eintracht Frankfurt, bei dem Abwehrchef Jérôme Boateng nach drei Monaten Verletzungspause sein Comeback erleben durfte. Die Tore hatten Robert Lewandowski (38./55.) und Douglas Costa (41.) erzielt. Richtig zufrieden konnten die Münchner aber nicht sein, obwohl sie mit nun zehn Punkten Vorsprung auf den Tabellenzweiten RB Leipzig immer deutlicher auf den vorzeitigen Meistertitel zusteuern.

"Das war ein guter Tag für uns. Wir haben ein sehr gutes Ergebnis erzielt, auf den anderen Plätzen lief es auch für uns. Wir haben einen sehr guten Vorteil jetzt, müssen aber fokussiert bleiben", sagte Trainer Carlo Ancelotti. "Das müsste reichen", erkannte auch Lahm. Und aus dem fernen Leipzig gratulierte RB-Trainer Ralph Hasenhüttl nach dem 0:1 seines Teams gegen Wolfsburg den Bayern schon: "Glückwunsch. Zehn Punkte Vorsprung wird sich der FC Bayern von uns bestimmt nicht mehr nehmen lassen."

Im Flow, aber nicht auf Wolke sieben

Der Kapitän allerdings stand mit seinem Eindruck keineswegs allein da, dass der wiederkehrende Schlendrian mittelfristig zur Gefahr werden könnte für das große Ziel, den erhofften Gewinn des Triples. "Natürlich ist es menschlich, dass man auch mal Fehler macht. Aber in der Häufigkeit ungerne", befand Manuel Neuer. Thomas Müller drückte es positiv aus. Es sei vielleicht ganz gut, nicht so gespielt zu haben, "dass wir jetzt auf Wolke sieben schweben, sondern uns schon bewusst sind, dass wir weiter dran bleiben müssen", sagte er.

So ist das derzeit wohl bei diesen Bayern. Sie spielen phasenweise regelrecht schlecht, jedenfalls für ihre Verhältnisse, bestraft werden sie aber nicht. Es ist vielmehr so, dass ihnen ein paar kurze Tempoverschärfungen genügen, um Spiele doch noch deutlich zu gestalten. Von Ableitungen daraus oder Vergleichen zum Triple-Jahr 2013 riet Neuer allerdings dringend ab: "Wir sind im Flow, aber wir waren schon in vielen Jahren im Flow, gerade zu dieser Zeit. Deswegen kann man jetzt noch nicht sagen, wo es hingeht."

Es war in der Tat eine Begegnung gewesen, die eher nicht dazu angetan war, den Münchnern schon Triple-Reife zu attestieren. Die Eintracht hatte Chancen für ungefähr drei bis sieben handelsübliche Bayern-Spiele gehabt. Jedenfalls mehr als je zuvor, wenn sich Frankfurts Sportdirektor Bruno Hübner richtig erinnerte. Und das, obwohl das Lazarett der Gäste derzeit ungefähr in Mannschaftsstärke gefüllt ist, während die Münchner aus dem Vollen schöpfen können. Grob zusammengefasst ließ sich bilanzieren: Frankfurt hatte die Gelegenheiten, München schoss die Tore. "Vielleicht waren die erschrocken, was für Chancen entstanden sind", mutmaßte Frankfurts Torwart Lukas Hradecky über die schlechte Verwertung seiner stürmenden Kollegen.

Hummels freut sich über die Grätsche des Jahres

Schon der Auftakt war verheißungsvoll geraten für die Eintracht. Bereits nach gut 70 Sekunden stand Ante Rebic frei vor Neuer, setzte seinen Abschluss aber deutlich zu hoch an. Es sollte eine Szene werden, die stellvertretend stand für das Unvermögen der Frankfurter, den Tag der offenen Münchner Abwehrtür gewinnbringend zu nutzen. Das galt besonders für Branimir Hrgota, der seine Großchancen teils kläglich vergab. Wie bei seinem Lauf um Neuer, als Mats Hummels mit einem resoluten Tackling gerade noch das 0:1 abwenden konnte. Hummels gelang die Grätsche des Jahres, bei Sky verriet er danach, wie gut ihm diese eine Szene wenigstens gefallen hat: "Ich muss nicht drum herum reden, das wäre falsche Bescheidenheit. Das Tackling hat mir auch gut gefallen. Das ist für einen Verteidiger wie ein Tor. Ich bin sehr glücklich, dass es so funktioniert hat. Mit dem Rest der ersten Halbzeit sind wir heute weniger glücklich."

Beinahe noch ärgerlicher war für die Frankfurter allerdings, dass es wiederum Hrgota kurz vor der Pause auch nicht schaffte, seinen Fuß in eine perfekt geschlagene Flanke von Rebic zu halten.

Viel von dieser hohen Anzahl an besten Gelegenheiten mussten sich die Bayern selbst zuschreiben, trotz der taktisch mutig eingestellten Gäste. Mit vielen Fehlpässen, Missverständnissen und Stockfehlern hatten die Münchner so unkonzentriert wie einladend agiert. Eine ihrer Stärken aber hatte auch bei diesem zunächst sehr laxen Auftritt Bestand. Als wollten sie den Frankfurtern zeigen, wie man Chancen verwertet, schossen sie binnen drei Minuten den vorentscheidenden 2:0-Pausenstand heraus. Zunächst traf Lewandowski nach Müllers gedankenschneller Vorarbeit, dann erhöhte Costa nach Alabas genau dosierter Hereingabe. Und als Lewandowski nach der Pause Arjen Robbens Flanke zu seinem 21. Saisontor nutzte, standen die Frankfurter nach weiteren Großchancen wie dem Lattentreffer von Rebic noch ein bisschen belämmerter da als ohnehin. "Wenn man hierhin reist, erwartet man nichts", sagte Hradecky, "aber diesmal kann man sich mehr ärgern als sonst."

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