FC Bayern in Asien:Gestresst, geschlaucht, geschlagen

Bayern Muenchen v AC Milan - Audi Football Summit

Traurige Viererkette: Die Münchner Rafinha, Müller, James und Tolisso (von links) nehmen das vierte Gegentor zur Kenntnis.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty)
  • Der FC Bayern bezieht in China eine heftige 0:4-Niederlage gegen den AC Mailand.
  • Sportlich hat dies nicht so viel Aussagekraft, doch marketingtechnisch ist der Asien-Trip bislang für die Münchner ein ziemliches Desaster.
  • Nun reagiert Präsident Uli Hoeneß und nennt das Programm "grenzwertig".
  • Außerdem will der FC Bayern bald einen neuen Sportdirektor präsentieren.

Von Maik Rosner

Von der Vorfreude und den Hoffnungen vor der Asienreise des FC Bayern schien nach dem Bergfest nicht mehr viel übrig geblieben zu sein. Schwer enttäuscht zogen die Münchner aus dem Stadion in Shenzhen, nachdem sie am sechsten Tag ihrer zwölftägigen PR-Tour nach China und Singapur eine heftige 0:4-Niederlage gegen den AC Mailand bezogen hatten; im ersten Spiel in Shanghai gegen den FC Arsenal hatten sie noch unglücklich im Elfmeterschießen verloren. Diesmal lagen die Münchner schon zur Pause 0:3 zurück, und sie waren dabei irritierend irrlichternd aufgetreten, vor allem in der Defensive. In der zweiten Halbzeit traf der ehemalige Leverkusener Hakan Calhanoglu noch zum Endstand. Zurück blieben geknickte Bayern.

Die Sätze, die danach aus Shenzhen in die Welt hinausgingen, brachten die Verstimmung deutlich zum Ausdruck. "Das war ernüchternd in der ersten Halbzeit", sagte Thomas Müller, "so ein 0:4 - da muss man erst mal schlucken. Nach so einer Niederlage braucht man ein bisschen Zeit, sich wieder zu sammeln." Trainer Carlo Ancelotti befand: "Das Ergebnis überrascht mich. Wir sind enttäuscht. Das darf uns nicht passieren." Die Balance, die Abstimmung zwischen Offensive und Defensive, das Umschaltspiel also, habe "nicht funktioniert". Man habe "nicht gut gespielt", so Ancelotti, "aber wir haben noch Zeit, um uns auf die reguläre Saison vorzubereiten. Und das müssen wir machen".

Uli Hoeneß kündigte am nächsten Tag prompt Konsequenzen für künftige Werbetouren an. "Das ist sicherlich grenzwertig, was wir gemacht haben bis jetzt", sagte er in Singapur. "Wir werden sicherlich weiter diese Reisen machen. Aber ob man unbedingt vier Spiele in zwölf Tagen machen sollte mit einer Reise in ein anderes Land noch, das wird sicherlich auf den Prüfstand kommen", sagte der Präsident bei einem Pressetermin im Mannschaftshotel. Nach der Rückkehr aus Asien werde es eine interne Aufarbeitung der Reise mit möglichen Veränderungen für die Zukunft geben.

Die Weiterreise von China zu zwei weiteren Testspielen in Singapur sei ein ausdrücklicher Wunsch des Veranstalters der Sommertour gewesen. Dem habe man diesmal stattgegeben, sagte Hoeneß: "Aber ob das für alle Zeiten gelten muss, wage ich sehr zu bezweifeln."

Keine so große Überraschung

Nüchtern betrachtet war es allerdings gar keine so große Überraschung, dass der FC Bayern gegen Mailand nicht als funktionierende Einheit aufgetreten war. Zu viele Stammkräfte fehlen auf dieser Reise. Manuel Neuer, Arjen Robben, Arturo Vidal, Jérôme Boateng und Joshua Kimmich sind gar nicht mitgeflogen. Thiago Alcántara, der sich in Shanghai an der Wade verletzt hatte, ist bereits nach München zurückgekehrt. Ihm folgte nun am Sonntag Juan Bernat, nachdem sich der Spanier gegen Milan den Knöchel verdreht hatte. Gar nicht erst mit dabei sind auch die Hoffenheimer Zugänge Niklas Süle und Sebastian Rudy.

Stattdessen sammeln Nachwuchskräfte wie der neue dritte Torwart Christian Früchtl und Abwehrspieler Marco Friedl in Asien erste Profi-Erfahrungen, und bisherige Ergänzungsspieler wie Rafinha, Bernat, Kingsley Coman und Renato Sanches konnten die etablierten Kräfte ebenfalls nicht vollwertig ersetzen. Integriert werden müssen außerdem noch die Zugänge Corentin Tolisso und James Rodríguez.

Hoeneß will demnächst einen Sportdirektor präsentieren

Hinzu kommen noch die ungewohnten Strapazen aus Zeitverschiebung, tropischem Klima und der äußerst straffen Agenda mit insgesamt vier Spielen sowie zahlreichen Trainingseinheiten und PR-Terminen. Geschlaucht wirkten die Bayern in Shenzhen, körperlich und gedanklich. Zu viel sollte man in die sportlich bisher enttäuschende Werbetour also wohl nicht hineindeuten. "Man hat schon gemerkt, dass die Mannschaft müde war. Gestern war der tote Tag. Man hat die Strapazen gemerkt", sagte der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.

"Wir können viel aus dem Spiel lernen"

Eine kleine Warnung war der Auftritt gegen die massiv verstärkten Mailänder aber schon. So ließ sich später wohl auch Mats Hummels' Fazit verstehen. "Das Ergebnis fällt etwas zu hoch aus", bilanzierte der Innenverteidiger, der das 0:3 mit einem kapitalen Fehlpass eingeleitet hatte, "leider haben wir unsere Chancen nicht genutzt. Die Tore für Milan fielen aber zu einfach. Ich denke, wir können viel aus dem Spiel lernen." Und Thomas Müller, der nach den Debatten um die Konkurrenz durch James Rodríguez von Ancelotti demonstrativ zum neuen ersten Stellvertreter von Kapitän Manuel Neuer befördert wurde, sagte: "Man wird auf jeden Fall daran erinnert, dass nichts von alleine geht."

Hoeneß kündigte noch an, in naher Zukunft einen neuen Sportdirektor vorzustellen. "Ich denke, dass wir in der nächsten Zeit einen Sportdirektor präsentieren werden", sagte Hoeneß in Singapur und konkretisierte auf Nachfrage den Zeitraum auf die nächsten sechs Wochen. Die Bundesliga-Saison beginnt am 18. August, die Sechs-Wochen-Frist reicht bis Anfang September. Über mögliche Namen wollte er nicht reden. Der Sender Eurosport meldete am Dienstag, Ex-Bayern-Kapitän Mark van Bommel sei ein Kandidat. Nur Philipp Lahm, der den Münchner eine Absage erteilt hat, schloss Hoeneß aus.

Am Sonntag ging es für die Münchner Reisegesellschaft weiter nach Singapur, wo am Dienstag und Donnerstag noch die Tests gegen den FC Chelsea und Inter Mailand anstehen. Deutlich weniger anstrengend dürfte es dort auch nicht werden, wenngleich es bei über 30 Grad nicht ganz so schwül ist wie in Shenzhen.

Eine sportliche Verbesserung wäre auf der letzten Station der Reise aus Münchner Sicht schon deshalb wünschenswert, damit der eigentliche Sinn der Werbetour nicht verfehlt wird. "Wenn man 0:4 verliert, ist das natürlich nicht zufriedenstellend. Jetzt müssen wir schauen, dass wir in Singapur zwei gute Spiele haben. Marketingtermine werden jetzt ein Stück weniger", sagte Rummenigge. In China wurde der PR-Effekt durch die Niederlagen gegen Arsenal und durch das deutliche 0:4 gegen Milan gewiss beeinträchtigt. Dass wie in Shenzhen nur die gegnerischen Fans jubeln, sollte sich in Singapur aus Marketingsicht besser nicht wiederholen.

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