FC Bayern im DFB-Pokal:Vier Weltmeister verzweifeln am Elfmeter

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Götze vergibt den dritten Elfmeter für die Bayern

(Foto: AFP)
  • Fußball-Deutschland erlebt im Pokal-Halbfinale zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund ein bizarres Elfmeterschießen.
  • Die Münchner Weltmeister Lahm, Alonso, Götze und Neuer verschießen allesamt, der BVB steht im Finale.
  • Nach dem Spiel wird über das Schuhwerk der Bayern-Spieler diskutiert. Vorstandschef Rummenigge greift Schiedsrichter Gagelmann an - der entschuldigt sich.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Vielleicht konnte es gar nicht gutgehen. Wieder Elfmeterschießen dahoam, wieder auf das Tor vor der erhitzten Fangemeinde im Süden. Abermals schießt Torwart Manuel Neuer, abermals ist Bastian Schweinsteiger als fünfter und letzter Schütze des FC Bayern eingeteilt.

Aber bis Schweinsteiger kam das Elfmeterschießen diesmal gar nicht. Nicht wie damals, im Sommer 2012, als der Ober-Münchner im Champions-League-Finale gegen Chelsea nur den rechten Pfosten getroffen hatte. Diesmal war es schon vorher zu Ende. Weil Schweinsteigers vier Kollegen es schafften, allesamt zu verschießen.

Im Halbfinale des DFB-Pokals sah Fußball-Deutschland das wohl bizarrste Elfmeterschießen, seit es diese Art der Spielentscheidung gibt. Und sollte die Fußballwelt zugeschaut haben, dann wird sie überlegen, einen Mythos aus den Büchern zu streichen. Den Mythos, dass niemand besser Elfmeter schießt als die Deutschen.

Philipp Lahm, deutscher Weltmeister: läuft an. Rutscht aus. Landet auf dem Hintern. Der Ball segelt vorbei.

Xabi Alonso, spanischer Weltmeister: läuft an. Rutscht aus. Landet auf dem Hintern. Der Ball segelt vorbei.

Mario Götze, deutscher Weltmeister: rutscht zwar nicht aus, scheitert aber an Dortmunds Torwart Mitch Langerak.

Manuel Neuer, deutscher Weltmeister: knallt den Ball an die Latte.

Vier Versuche, null Treffer. Das traut man hierzulande nicht mal den Engländern zu. Nun gelang dieses Kunststück dem ruhmreichen FC Bayern München. Weil bei Borussia Dortmund İlkay Gündoğan und Sebastian Kehl trafen (Mats Hummels scheiterte an Neuer), steht der BVB nun im Finale in Berlin.

Vor allem das synchrone Rutschen von Lahm und Xabi Alonso ließ die Münchner ratlos zurück. Wie konnte das nur passieren? Manuel Neuer berichtete: "Die Spieler konzentrieren sich, sie suchen sich eine Ecke aus. Beide wollten oben rechts schießen. Es hat aber beide Male nicht funktioniert, weil beide ausgerutscht sind." Und fügte an: "Blöd gelaufen."

"Bessere Stollen anziehen"

Thomas Müller trug immerhin zur Aufklärung bei: "Die Spieler hatten keine Badelatschen an, sondern Stollenschuhe." Der betroffene Philipp Lahm selbst zuckte mit den Schultern, wusste aber: "Es gibt sicher bessere Momente auszurutschen als beim Elfmeterschießen." Nur Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hatte einen alten Tipp parat: "Bessere Stollen anziehen."

Wenn ein Elfmeterschießen auf der einen Seite die Deppen ausspuckt, dann steht auf der anderen Seite meist ein Held: der Torwart. Dabei gehört Mitch Langerak nicht zu den hochdekorierten Torhütern der Welt. Ohne die Verletzung von Roman Weidenfeller wäre der Australier vielleicht gar nicht dabei gewesen. Doch seine Paraden während des Spiels gegen Thiago und in der Verlängerung gegen Schweinsteiger ließen offenbar sein Selbstbewusstsein anschwellen. Langerak zeigte jedenfalls keine Scheu, ein wenig Unruhe in den Ablauf zu bringen.

Er selbst sollte es später "mind games" - Psychospielchen - nennen. Vor jedem Elfmeter stellte er sich aufreizend lange neben das Tor, erst auf nachdrückliche Anweisungen von Schiedsrichter Gagelmann bequemte sich der 26-Jährige auf seinen Posten. Gagelmann zeigte ihm gar die gelbe Karte.

Eigentlich dürfte das Spieler wie Lahm, Alonso, Götze und Neuer nicht beeinträchtigen. Doch im Elfmeterschießen können die kleinsten Anlässe große Wirkung zeigen.

Während Langerak später mit Posterboy-Grinsen in Richtung Mannschaftsbus lief, versuchten die Bayern, diese erste nicht wiedergutzumachende Niederlage der Saison zu beschreiben. All die Verletzten und Lädierten. All die vergebenen Chancen. Neben dem Schlitzohr-Tor von Robert Lewandowski hatten die Münchner genügend Möglichkeiten auf weitere Treffer. Lewandowski traf noch einmal die Latte, Thiago scheiterte an Langerak. Der eingewechselte Schweinsteiger vergab noch zwei weitere Chancen.

Schiedsrichter Gagelmann entschuldigt sich

Und da war der Schiedsrichter. Einige Entscheidungen von Peter Gagelmann ließen das Publikum protestieren. Zweimal wütete gar das ganze Heimpublikum samt kompletter Ersatzbank des FC Bayern. Als der Dortmunder Marcel Schmelzer beim Stand von 1:0 in der zweiten Halbzeit im Strafraum den Ball mit Hand spielte und Gagelmann nicht pfiff, rasten die Münchner vor Wut. Alle warfen die Arme in die Höhe, sprangen auf das Spielfeld, Sportchef Matthias Sammer endete mit seiner Nase nur Millimeter vor der Nase des vierten Schiedsrichters. Trainer Pep Guardiola konnte sich den ganzen Abend nicht mehr beruhigen.

Als Langerak in der Verlängerung Lewandowski im Luftkampf rammte, vollzog sich das Protest-Schauspiel ein weiteres Mal. "Guck mal, guck mal", rief Guardiola dem Kollegen Klopp hinüber, als Lewandowski halb benommen zurück auf den Platz torkelte (Bayern hatte schon dreimal gewechselt).

Rummenigge verlor wegen dieser Entscheidung die Achtung vor Gagelmann. "Es ist schwierig, wenn man gegen zwölf Mann spielt", kommentierte er. Er empfahl dem Schiedsrichter, zu einem Optiker zu gehen. Um dann seine Abneigung noch klarer zu benennen: Rummenigge sagte, er habe gehört, das sei Gagelmanns letztes Spiel als Schiedsrichter gewesen. "Vielleicht ist es dann auch besser für die Bundesliga, wenn das Kapitel Gagelmann beendet ist."

Der Schiedsrichter selbst sah seinen Fehler später ein. "Ich habe mir die Szene gerade noch einmal im Fernsehen angesehen", sagte er zu Schmelzers Handspiel, "ich muss ganz klar sagen, dass es eine Fehlentscheidung war, das nicht zu pfeifen. Es tut mir leid."

Für die vergebenen Chancen und die späteren Rutschpartien am Elfmeterpunkt konnten die Bayern allerdings niemanden verantwortlich machen. Die Meisterschaft steht fest, aber der Traum vom Triple ist beendet. Erstmals seit vier Jahren verpassen die Münchner das DFB-Pokal-Finale. In den kommenden beiden Wochen geht es gegen den FC Barcelona um den Einzug ins Champions-League-Finale. Welches dieses Mal ja auch in Berlin stattfindet.

In Hinblick darauf sagte Philipp Lahm: "Erst einmal müssen wir das hier verdauen."

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