FC Bayern: Präsident vs. Fans:Kampf um Hoeneß

Streit um Neuer und 1860: Während sich beim FC Bayern eine Bewegung pro Präsident Uli Hoeneß formiert, beharren die Protestfans darauf, eine Mehrheit der Anhänger zu repräsentieren. Dem Klub droht eine turbulente Phase.

Thomas Hummel

Die Demokratie hat nun auch den FC Bayern erreicht. Es findet ein kleiner Wettlauf statt rund um und im Fußball-Club Bayern München, wer mehr Leute auf seiner Seite hat, wer die einflussreichsten Unterstützer. Dürfen die Fans in der Südkurve den Präsidenten mit Spruchbändern derart hart angehen wie am vergangenen Wochenende im Heimspiel gegen Mönchengladbach? Repräsentieren sie eine Mehrheit oder sind es nur ein paar Spinner? Treffen die Macher des FC Bayern in den Fällen Manuel Neuer und TSV 1860 gerade falsche Entscheidungen?

Im Stadion hingen am Samstag fast alle Spruchbänder aus Protest falsch herum, in der Südkurve hielten Menschen Banner in die Höhe, auf denen Hoeneß ein Lügner genannt wurde. Vielen Anhänger gefällt es ganz und gar nicht, dass der FC Bayern - und vor allem Hoeneß - im Hintergrund geholfen hat, den von der Insolvenz bedrohten TSV 1860 München zu retten. "Blaue Schweine" solle man nicht retten, sondern schlachten, hieß es da in Anspielung auf den Wurstfabrikanten Hoeneß.

Merklich angeschlagen verschwand der Präsident aus dem Stadion. Erst am Donnerstag erklärte er, er sei schockiert gewesen. Dass die Proteste in dieser harschen Form ausgefallen seien, "das hätte ich in unserem eigenen Stadion nie für möglich gehalten", sagte der 59-Jährige.

Nun ist Uli Hoeneß in seiner Karriere schon häufiger Mittelpunkt emotionaler Kontroversen gewesen. Nachdem er Christoph Daum im Jahr 2000 indirekt des Drogenkonsums bezichtigte, konnte er nur noch unter Polizeischutz ins Stadion. Hoeneß polarisiert gerne, hat auch kein Problem, die Ellbogen auszufahren, wenn jemand sein Projekt FC Bayern angreift. Und genau hier liegt wohl das aktuelle Problem: Diesmal kommt die Kritik aus dem FC Bayern heraus, aus seinem FC Bayern. Es ist vielleicht die neuralgische Stelle im System Hoeneß.

Flugs bemüht sich nun eben dieser FC Bayern, seinem Präsidenten mit aller Macht beizuspringen. Ihm zu versichern, dass dieser Aufstand nur ein kleiner, unbedeutender ist. Eine Gegenbewegung bricht sich Bahn. Der Klub veröffentlicht auf seiner Internetseite einen Artikel mit der Überschrift: "Beschämt, bestürzt, entsetzt - Überwältigender Zuspruch für Uli Hoeneß". Darin kritisieren Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Edmund Stoiber, Franz Beckenbauer, Günter Netzer und ein paar Fans die Vorkommnisse vom Samstag teils scharf. Zudem hätten den Verein "unzählige Anrufe, Faxe, Briefe und E-Mails" erreicht, in denen sich die Menschen "geschockt" zeigten.

Im sozialen Netzwerk Facebook wurde eine Seite eingerichtet: "Gegengerade für Uli Hoeneß". Auf der man zeigen wolle, "was wahre Fans sind" und "eine Antwort geben auf die beschämenden Ereignisse während des letzten Heimspiels". Die Seite registriert inzwischen mehr als 12.500 Mitglieder.

Wem gehört der Klub?

Also alles eine Aktion schlecht erzogener Radaubrüder, die sich in der Ultra-Gruppierung Schickeria tummeln? Die wehrt sich gegen den Verdacht, isoliert aufzutreten. "Waren es echt nur wenige Unbelehrbare oder herrscht nicht doch ein mehr als breiter Konsens in der gesamten Fanszene des FC Bayern?" fragt die Schickeria auf ihrer Internetseite. Ihre Antwort fällt wenig überraschend aus.

Die Gruppe verweist in einer Erklärung auf einen Brief der Fanklub-Dachorganisation Club Nr. 12, der sich gegen die Unterstützung des TSV 1860 wendet und den mehr als 100 Fanklubs unterschrieben haben. Sie verweist darauf, dass am Samstag fast 3000 Protest-T-Shirts verkauft worden seien und noch "unzählige Nachfragen" eingingen, wie man an ein Shirt kommen könne.

Wie der FC Bayern verweist also auch die Schickeria auf "unzählige" Unterstützer. Ein Kampf um Deutungshoheit, um Mehrheiten.

Für den FC Bayern ist der Konflikt in dieser Härte neu. Anderswo ist er längst im Gange. Fußballanhänger in Deutschland geben sich zusehends selbstbewusst, beanspruchen Anerkennung und Gehör und wollen an wichtigen Fragen der Vereinspolitik beteiligt werden. Beim Hamburger SV hat es die Fanorganisation Supporters bis in den Aufsichtsrat geschafft, beim VfB Stuttgart und dem 1. FC Köln gibt es durchaus ernstzunehmende Oppositionen.

Nun wehren sich die Fans des FC Bayern gegen die Verpflichtung von Nationaltorwart Manuel Neuer, weil der in seiner Jugendzeit in der Schalker Fankurve stand und sich einmal zur Schalker Ultra-Gruppe Buerschenschaft bekannte. Und sie wehren sich gegen die wohlwollende Unterstützung des Klubs bei der Rettung des Lokalrivalen TSV 1860. "Für uns geht es hier um einen glasklaren und durch nichts zu entschuldigenden Tabubruch, um ein Sakrileg", stellt die Schickeria klar.

Im Grunde geht der Konflikt aber weiter. Er dreht sich um die Frage: Wem gehört der Verein? Die Fans beanspruchen für sich, ein sehr wichtiger Teil des Klubs zu sein, und deshalb in solchen Fragen gehört werden zu wollen. Bei Uli Hoeneß, dem erfolgreichsten Klub-Manager der vergangenen 30 Jahre, geraten sie da allerdings an den Falschen. Er möchte zwar alle Unterstützer der rot-weißen Sache am liebsten in seine Arme nehmen und bei allen misslichen Lagen helfen. Doch genau so sehr fürchtet er italienische Verhältnisse, wo Fankurven echte Macht ausüben, teils den Fanartikel- und Ticket-Verkauf kontrollieren und den Verein massiv unter Druck setzen.

Dem Klub stehen spannende Tage bevor, es droht eine Spaltung der Fans. Weder Uli Hoeneß noch die Südkurven-Fans werden sich aus dem Stadion vertreiben lassen. Und ob es noch einmal eine friedliche Einigung geben wird wie nach Hoeneß' berühmter Wutrede im November 2007? Die Rettung des TSV 1860 übernimmt nun offenbar ein reicher Mann aus Jordanien, doch wie reagiert die Bayern-Fankurve, wenn im kommenden August Manuel Neuer vor ihnen im Tor steht?

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