FC Bayern:Guardiolas Geist schwebt über Ancelotti

FC Bayern: Pep Guardiola und Carlo Ancelotti - im Juli begegneten sie sich zuletzt bei einem Gaudikick in München.

Pep Guardiola und Carlo Ancelotti - im Juli begegneten sie sich zuletzt bei einem Gaudikick in München.

(Foto: AFP)

Die Bayern und ihr neuer Trainer sind noch nicht warm geworden miteinander. Das liegt auch an Ancelottis Vorgänger.

Von Christof Kneer

Carlo Ancelotti stand auf dem Stadionparkplatz des FC Chelsea, er wollte nach dem Spiel einfach nur in Ruhe eine Zigarette rauchen. Etwas in Ruhe tun, kann Ancelotti ziemlich gut, und natürlich hat er sich seine Gelassenheit auch nicht nehmen lassen, als neben ihm eine Frau hektisch vor der geöffneten Motorhaube ihres Wagens stand. Ancelotti ist dann halt zu ihr rübergelaufen und hat Öl nachgefüllt, und danach hat er - vermutlich - in einiger Würde seine Zigarette zu Ende geraucht.

Der Fakt des Weiterrauchens ist historisch nicht belegt, der Rest der Geschichte stimmt. Sie steht in Ancelottis Biografie "Quiet Leadership", und als Zeuge wird der heutige belgische Nationaltrainer Roberto Martínez angeführt, dessen Frau damals vor dem Auto verzweifelte. Ancelottis Biografie vermittelt das Bild eines lässigen Typen, der gewiss auch als Trainer des FC Bayern nach einer 0:1-Niederlage in Dortmund eine Genusszigarette raucht, falls er nicht sogar Öl in den Mannschaftsbus füllt.

Fast fünf Monate ist Ancelotti, 57, jetzt Trainer in München, und man erzählt immer noch die alten Geschichten - weil es neue Geschichten nicht gibt. Und weil auch der Fußball der Bayern gerade keine gute Story liefert, muss Ancelotti neuerdings auch eine Diskussion aushalten, für die er Gelassenheit gut gebrauchen kann: Er wird immer noch mit Vorgänger Pep Guardiola verglichen; alles, was Ancelotti tut/ unterlässt, wird darauf hin geprüft, ob es auch Guardiola getan/unterlassen hätte.

Was Guardiola vermutlich unterlassen hätte: nur noch Zweiter in der Bundesliga zu sein, hinter Aufsteiger Leipzig.

Zurzeit steht es zwischen dem FC Bayern und seinem neuen Trainer ungefähr unentschieden, noch wissen beide nicht recht, wie warm sie miteinander werden können. Das ist insofern kurios, weil die Ausstrahlung von Wärme neben der Ausstrahlung von Ruhe zu den Kernkompetenzen dieses Trainers zählt, den viele in München als Gegenentwurf zum genialischen, aber irrsinnig anstrengenden Guardiola herbeigesehnt haben. Das schien ja eine unschlagbare Kombination zu sein: ein Verein, der unter Guardiola dreimal im Halbfinale der Champions League ausgeschieden ist - und ein cooler Coach, der diesen Wettbewerb mit dem AC Mailand und Real Madrid insgesamt dreimal gewonnen und im Fußball schon alles gesehen hat.

Es ist die Geschichte dieser Tage, dass Ancelotti eines eben doch noch nicht erlebt hat: Er hat noch nie eine Guardiola-Elf übernommen - und damit Spieler, die auf dem Rasen so präzise Befehle gewohnt waren, dass es fast an Entmündigung grenzte. Unter Ancelotti fühlen sich die Spieler zwar ein wenig freier, aber zurzeit wirkt es doch so, als würden sie die detaillierten Vorgaben und die hoch elektrische Körperspannung des alten Trainers vermissen.

Ancelotti spürt das, aber einstweilen vertraut er seiner Vita. Er weiß: Wenn es ernst wurde, waren seine Teams immer gut. Es wäre jedenfalls nicht überraschend, wenn er die Ruhe behielte

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