FC Bayern - Gladbach:Flieg, Golfball, flieg

Beim 2:1 gegen Gladbach zeigen die Bayern, dass ihr Torjubel kreativer ist als ihr Spiel - und verfestigen Torhüter Butt und Abwehrspieler Badstuber einen verblüffenden Trend.

Johannes Aumüller

Es passte zu diesem Abend, dass Bayerns Torhüter Jörg Butt auch in einem solchen Moment eine wichtige Rolle spielte, in dem Torhüter normalerweise nicht im Mittelpunkt stehen: beim Torjubel. Als Mario Gomez gegen Borussia Mönchengladbach zum 1:0 traf, versammelten sich alle Feldspieler des deutschen Rekordmeisters in der Nähe der Eckfahne, legten die Hand an den Stirn, schauten lange in den Münchner Abendhimmel, als würden sie irgendein Flugobjekt verfolgen - und senkten plötzlich wie auf Kommando den Blick in Richtung Boden.

FC Bayern - Gladbach: Ein junger Spieler, der das Vertrauen von Louis van Gaal genießt: Holger Badstuber nach seinem Freistoßtor, eingefangen beim Torjubel von Mark van Bommel und Bastian Schweinsteiger.

Ein junger Spieler, der das Vertrauen von Louis van Gaal genießt: Holger Badstuber nach seinem Freistoßtor, eingefangen beim Torjubel von Mark van Bommel und Bastian Schweinsteiger.

(Foto: Foto: Getty)

Des Rätsels Lösung für diese merkwürdige Darbietung: Die Mannschaft hatte sich einen neuen Torjubel ausgedacht, Butt simulierte nach dem Treffer einen Abschlag wie beim Golf, die Mitspieler blickten der virtuellen Flugbahn des Golfballes nach und taten so, als sei es ihrem Keeper gelungen, ein sogenanntes "Hole in one" zu schlagen, also den Ball mit einem einzigen Schlag im Loch zu versenken. Den Urheber dieser Idee wollte niemand verraten, stattdessen zeigten etliche Spieler ein schelmisches Grinsen und konnten sich die Gedanken darüber sparen, was Uli Hoeneß zu einem solchen Schabernack wohl gesagt hätte, wenn der FCB das Spiel verloren hätte.

So also wirkte erstmals seit dem Freiburger Golfball-Wurf gegen Oliver Kahn vor neun Jahren in einer Begegnung mit Bayern-Beteiligung wieder ein Golfball mit, und Jörg Butt hatte sich die anerkennende Geste durchaus verdient. Denn dass für die Bayern nach der Führung durch Mario Gomez, dem Ausgleichstor von Roel Brouwers (28. Minute) und dem Freistoßtor von Holger Badstuber (75.) ein 2:1-Sieg, drei Punkte und der vorläufige Sprung auf Tabellenplatz drei heraussprangen, hatten sie zu einem guten Teil ihrem 35-jährigen Schlussmann zu verdanken.

In der ersten Hälfte entschärfte er gleich mehrere Chancen der Gladbacher, vor allem seine Parade gegen einen Linksschuss von Juan Arango war sehenswert. "Das waren sehr schwere Schüsse, wir sind sehr froh, dass wir ihn haben", sagte Kapitän Mark van Bommel.

Der erstmals in einem Fußball-Pflichtspiel eingesetzte WM-Ball "Jabulani" irritierte den früheren Leverkusener nicht. "Der Ball ist schon in Ordnung. Er fliegt relativ gerade, dafür fliegt er etwas schneller", sagte Butt über das neue Spielgerät. Neben Butt musste nach dem Abpfiff noch ein zweiter Bayern-Spieler viele Fragen zu "Jabulani" beantworten: Linksverteidiger Badstuber, gerade mal 20 Jahre alt, der mit einem sehenswerten Freistoßtor seine gute Gesamtleistung krönte und den Bayern die drei Punkte sicherte. "Der Ball ist anders als andere, er ist auf jeden Fall gut. Man muss ihn aber genau treffen, sonst kann man ihn nicht berechnen. So sind die Bälle schwer für den Torhüter."

Butt und Badstuber also waren die Matchwinner der Münchner, die damit einen verblüffenden Trend fortsetzten. Nämlich den, dass in dieser Spielzeit oftmals solche Akteure Partien zu Gunsten des Rekordmeisters entscheiden, die im Sommer noch unbekannt oder unterschätzt waren. Zunächst war zu Saisonbeginn über viele Partien hinweg der erste 20-jährige und bis zur vergangenen Saison hauptsächlich bei den Amateuren eingesetzte Thomas Müller der konstanteste und auffälligste Akteur des Münchner Offensivspiels und an vielen Toren beteiligt.

Jüngst hatte der zum Nulltarif aus Hamburg gekommene Ivica Olic maßgeblichen Anteil daran, dass die Münchner mit einem 1:0 gegen Haifa und einem 3:0 gegen Hannover ihre Krise beendeten und den Arbeitsplatz ihres Trainers sicherten. Und nun also Badstuber, den im Sommer niemand auf der Rechnung hatte, und Butt, der als Nummer zwei hinter Michael Rensing in die Saison gegangen war.

"Ich brauche keine Bestätigung", pflegt Louis van Gaal zu sagen, wenn ihn Journalisten fragen, ob er sich darüber freue, dass manche kritisch gesehene Personalentscheidung (Verkauf von Lucio, Ernennung von van Buyten zum Abwehrchef, Beförderung von Badstuber vom Amateurspieler zur Stammkraft) später auch den Kritikern plausibel erscheint. Doch insgeheim wird sich der Niederländer darüber freuen, dass Müller und Olic, Butt und Badstuber oftmals so solide bis gute Leistungen bieten. Denn sie widerlegen zumindest ein wenig den Eindruck, dass van Gaal im Umgang mit Spielern viel Porzellan zerschlagen hat.

Einerseits hat er den für viel Geld geholten Mittelfeldspieler Anatolij Timoschtschuk mürbe gemacht und zum Ersatzspieler degradiert; den für noch mehr Geld geholten Mario Gomez lange verunsichert; die Qualitäten der aus der ersten niederländischen Liga verpflichteten Edson Braafheid und Danijel Pranjic offenkundig überschätzt; Miroslav Klose kein Vertrauen geschenkt, mit Luca Toni eine Dauerfehde begonnen und Alexander Baumjohann von der Zehnerposition auf die Tribüne verbannt. Dafür hat er andererseits Spieler eingesetzt und gefördert, die wohl nicht jeder Trainer eingesetzt und gefördert hätte.

Doch auch die guten Leistungen von Butt und Badstuber täuschten gegen Gladbach nicht darüber hinweg, dass es van Gaals Elf zum wiederholten Mal nicht gelang, attraktiven Fußball zu zeigen. Die größten Kreativitätsmomente zeigt der FC Bayern derzeit unmittelbar nach Toren, bei den Jubelgesten: Am vergangenen Wochenende in Hannover präsentierten die Spieler den Presslufthammer-Jubel, nun also die Golfball-Einlage.

Im Spiel waren solche Geistesblitze nicht zu sehen. Gladbach sei eben einer der stärksten Gegner gewesen, gegen die man in dieser Saison gespielt habe, befand Mark van Bommel. Das üblich gewordene und den Zuschauer oftmals langweilende Quergeschiebe dominierte die Partie, zudem offenbarte die Abwehr Lücken, die sie in dieser Zeit eher selten offenbarte. Die Borussen hielten gut mit, entsprechend ausgeglichen gestalteten sich die Werte für Torschüsse, Ecken und Zweikämpfe, ja selbst für Ballbesitz, obwohl doch Ballbesitz und Ballkontrolle van Gaals Mantra sind.

Drei Siege in Serie haben die Münchner nun geschafft, doch all die Freude über diese drei Siege könnten schon am Dienstag Makulatur sein. Dann spielt der FCB bei Juventus Turin um den Einzug ins Champions-League-Achtelfinale. Eine Leistung wie gegen Gladbach dürfte fürs Weiterkommen nicht reichen. Da sollten die Bayern-Spieler schon ein paar Prozent ihrer Jubel-Kreativität in Spiel-Kreativität umwandeln.

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