FC Bayern gewinnt Testspiel:Bayerische Wutfans gegen Robben

Auf die unerwarteten Pfiffe der Bayern-Fans gegen Arjen Robben reagieren die Niederländer aufgebracht, sprechen von Schande und Skandal - Mark van Bommel legt ihm fast einen Klubwechsel nahe. Der FC Bayern versucht am Ende einer schwierigen Saison zu beschwichtigen. Trainer Heynckes lässt indes durchblicken, dass er nur unter Bedingungen weitermachen will.

Thomas Hummel

Arjen Robben setzte zum letzten Sprint dieser Münchner Saison an. Er schlug ein paar Haken in der Hoffnung, seine Gegenspieler loszuwerden, doch die ließen nicht locker. Entschlossen verfolgten sie den Fußball-Profi, bewaffnet mit Kameras und Mikrofonen, sie schleuderten ihm Fragen hinterher. Arjen Robben zog den Kopf ein und beschleunigte noch ein wenig - doch erst der Ausgang rettete ihn.

FC Bayern Muenchen v Netherlands - Friendly Match

Trost nach den Pfiffen: Bastian Schweinsteiger spricht nach dem Testspiel Bayern - Holland mit Arjen Robben. 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Das Testspiel des FC Bayern gegen die Nationalmannschaft der Niederlande war ja eigens wegen Arjen Robben angesetzt worden. Weil er sich im letzten Testspiel vor der WM 2010 schwer am Muskel verletzt hatte und der Vorwurf gegen den niederländischen Verband im Raum stand, Robben fit gespritzt und die Verletzung damit noch verschlimmert zu haben, kam es am Dienstagabend in der Münchner Arena zum Entschädigungskick. Zum Arjen-Robben-Krankenkassen-Gedächtnisspiel, das den Bayern etwa drei Millionen Euro an Einnahmen brachte.

Dass der Termin nun drei Tage nach dem dramatisch verlorenen Champions-League-Finale lag, machte aus den 90 Minuten das unbeliebteste Fußballspiel des Jahres. Zu Beginn dachte man noch, dass vor allem Bundestrainer Joachim Löw der Leidtragende sei, weil er auf die acht Münchner DFB-Kicker nun bis Samstag warten muss. Am Ende des Spiels hieß der Leidtragende Arjen Robben.

33.000 Zuschauer fanden sich am Dienstag in der Arena ein, darunter viele Eltern mit Kindern, Ausflugs-Fans, die teilweise zum halben Preis einen netten Fußballabend verbringen wollten. So schien es. Eine Viertelstunde vor Schluss schickte Bondscoach Bert van Marwijk Arjen Robben aufs Feld. Da erhob sich ein Grummeln und Grollen im Rund, das die verwunderten Beobachter bald als ausgewachsenes Pfeifkonzert identifizierten. Beim ersten Mal hielten das einige noch für eine Sinnestäuschung, doch als Robben den ersten Ball bekam, erhob sich das Grollen und Pfeifen abermals, und auch beim dritten, vierten Ballkontakt.

Arjen Robben war noch nie wirklich beliebt in München, seine Spielweise, sein Umgang mit Mitspielern, seine Aussagen in den Medien offenbaren ein ordentliches Selbstbewusstsein, seine Neigung zur Theatralik bei kleinen Fouls die Haltung des Unantastbaren. Robben verfolgt das Image der Diva, die gerne im Mittelpunkt steht. Deshalb nimmt er sich auch gerne den Ball, um einen Elfmeter zu schießen. Er kann das eigentlich ziemlich gut, doch nun hat er zwei Mal - in Dortmund und in der Verlängerung gegen den FC Chelsea - nicht getroffen und damit gefühlt dem FC Bayern zwei Titel versaut. Am Dienstagabend präsentierte ihm der Otto-Normal-Fan des FC Bayern dafür die Rechnung.

Es waren ja nicht die Hardcore-Anhänger, die Robben auspfiffen. Ganz im Gegenteil. Als diese das Grollen und Pfeifen registrierten, stimmten sie Sprechchöre für Robben an. Auf Bitten Bastian Schweinsteigers ging Robben nach dem Spiel (3:2 für Bayern) ein paar Schritte Richtung Südkurve, wo er trotzig gefeiert wurde. Das Pfeifen kam von der Gegengeraden, es war der Aufstand des bürgerlich-bayerischen Wutfans. Dem folgte der königlich-niederländische Wutprofi.

"Der FC Bayern sollte sich schämen"

"Der FC Bayern sollte sich schämen, das hat Arjen nicht verdient", schimpfte sein holländischer Teamkollege Rafael van der Vaart, "wir hatten so etwas nicht erwartet. Das ist peinlich." Trainer Marwijk zeigte sich aufgebracht: Es sei eine Schande, den ganzen Unmut über das verlorene Finale auf einen Spieler zu konzentrieren, erklärte er. Der frühere Bayern-Profi Mark van Bommel schloss sogar Folgen aus der Fan-Abneigung: "Ich finde, das ist wirklich ein großer Skandal. Wenn ich Arjen Robben wäre, dann würde ich gut darüber nachdenken, ob ich hier nächstes Jahr spielen will."

Die Bayern versuchten indessen, zu beschwichtigen, sprachen von "vereinzelten Pfiffen". Es sei eben medial sehr viel los gewesen, sagte Sportdirektor Christian Nerlinger. Die Aufregung werde sich legen.

Eine weitere Baustelle im Kader käme dem FC Bayern auch wirklich ungelegen. Nach drei zweiten Plätzen in Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League plant der Nobelklub trotzig eine Qualitäts-Einkaufstour. Nachdem Präsident Uli Hoeneß schon in der Nacht zum Sonntag erklärte, ihm fehlten Typen mit dem letzten Siegeswillen, legte nun Jupp Heynckes nach. "Wir müssen einiges verändern, das ist ganz klar", sagte der Trainer in der ARD. Dabei erläuterte er mehrfach, genaue Vorstellungen zu haben, "wo man die Schrauben etwas anziehen muss". Der Konkurrenzkampf auf vielen Positionen soll schärfer werden.

Damit liegt er auf Linie mit seinem Präsidenten und Freund Hoeneß. Der Erste, der sich auf härtere Zeiten einstellen muss, ist Stürmer Mario Gomez. Die Verpflichtung von Claudio Pizarro steht bevor, doch ob dies das Werben um den Dortmunder Robert Lewandowski oder um Edin Dzeko von Manchester City beendet, erscheint angesichts der bayerischen Entschlossenheit unwahrscheinlich. Heynckes offenbarte zudem den Wunsch, im Mittelfeld "einen absoluten Topspieler" hinzuzubekommen, weil die Verletzungen von Bastian Schweinsteiger seiner Mannschaft "sehr weh getan haben".

Das Casting in München ist in vollem Gange, und Heynckes spielt dabei nicht die Rolle des folgsamen Arbeitnehmers. Aus seinen Äußerungen ließ sich unschwer ableiten, dass er dem Klub einen Forderungskatalog vorgelegt hat: "Ich weiß genau, wo wir was verändern müssen." Der 67-Jährige hat offenbar keine Lust, in seinem vermutlich letzten Jahr als Trainer wieder Zweiter zu werden und lässt deshalb seine Zukunft offen: "Ich habe bis 2013 Vertrag. Und wenn sich irgendwas ändert, würden der FC Bayern und ich das gemeinsam bekanntgeben." Ein amtliches Bekenntnis war das nicht.

Und die Zukunft von Arjen Robben? Er hat ja eben erst seinen Vertrag in München bis 2015 verlängert, weshalb Sportdirektor Nerlinger sagte, er werde nach der EM zurückkehren, "und wir freuen uns drauf". Ob sich nun auch Arjen Robben darauf freut, ist nicht bekannt, der Spieler schwieg. Die beste Nachricht für ihn an diesem Dienstagabend war, dass er sich beim Sprint zum Mannschaftsbus keine Muskelzerrung zuzog.

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