FC Bayern gewinnt Supercup:Besoffen vor Glück

Super Cup FC Bayern München - FC Chelsea

Ein Abend, der den FC Bayern enger zusammengebracht hat: Philipp Lahm und Kollegen mit dem Supercup

(Foto: dpa)

In einem dramatischen Endspiel gewinnt der FC Bayern erstmals den europäischen Supercup - und nimmt größtmögliche Revanche am FC Chelsea. Damit kommt Trainer Pep Guardiola endgültig in München an. Spieler und Trainer huldigen sich gegenseitig - sogar Sportvorstand Matthias Sammer lobt mit.

Von Thomas Hummel, Prag

Matthias Sammer verriet es nicht in seiner Mimik. Die Falten zogen sich wie so oft kreuz und quer über die Stirn, er sprach bedächtig, analysierte einen Tatbestand. Kein Ausdruck der Glückseligkeit mischte sich da hinein. Dabei hätte man aus seinen Worten schließen können, der Fußball-Heiland sei ihm begegnet an diesem Abend im kleinen Eden Stadion von Prag.

"Spielvorbereitung, Halbzeit, auch vor dem Elfmeterschießen. Es war beeindruckend", berichtete der Sportvorstand des FC Bayern München. Er sprach über Trainer Pep Guardiola.

Der FC Bayern hat in Prag den europäischen Supercup gewonnen. Doch die Tatsachenbeschreibung alleine reicht bei weitem nicht aus, um die Bedeutung des Erfolgs für den Klub zu erklären. Die Münchner wirkten anschließend wie besoffen vor Glück. Die Dramaturgie des Abends und die Geschichte des Duells mit dem FC Chelsea ergaben ein perfektes Bild.

"Elfmeterschießen gegen den FC Chelsea" - das ist zusammen mit "Nachspielzeit in Barcelona" das größte Trauma dieses mächtigen Vereins. 2012 beim Champions-League-Finale daheim mussten hoch überlegene Bayern ins Lotteriespiel am Punkt - und plötzlich wollte kaum ein Spieler die Verantwortung übernehmen. Sogar Torwart Manuel Neuer musste damals ran, der Pokal ging verloren - die Bayern blieben als geschlagene Angsthasen zurück. Das Schlimmste, was man einem Bayern nachsagen kann. Nun kam am Freitag der Abend der Revanche.

Zweimal lagen die Münchner in Rückstand. Den frühen Treffer von Fernando Torres (8.) glich Frank Ribéry mit einem Fernschuss kurz nach der Halbzeit aus. In der Verlängerung traf sogleich Eden Hazard (93.), obwohl die Londoner da schon nach Gelb-Rot für Ramires in Unterzahl waren. Die Bayern griffen unermüdlich und immer wütender an, doch Chelsea mit dem famosen Torwart Petr Cech schien mit letzter Kraft ins Ziel zu taumeln.

Mario Mandzukic, Javi Martínez, Mario Götze, Xherdan Shaqiri, Franck Ribéry - es war nicht zu fassen, was die Bayern für Chancen vergaben. Die Angabe des vierten Schiedsrichters, es gebe nach 120 Minuten noch eine Minute drauf, lag schon eine Weile zurück, Schiedsrichter Jonas Eriksson dachte an den finalen Pfiff, als David Alaba die letzte Flanke in den Strafraum schoss.

Das Drehbuch wollte es so, dass der Ball über Umwege Javier Martínez vor die Füße viel. Weil der Spanier Bayerns bester Kopfballspieler ist, hatte ihn Trainer Guardiola längst als zweiten Mittelstürmer nach vorne beordert. Martínez staubte in bester Gerd-Müller-Manier ab und versenkte den Ball zum 2:2 im Netz. Es war so ein Moment des Fußballs, in dem die Gefühle explodieren. Glückhormone und Adrenalin verbogen die Körper der Spieler, Trainer und Fans, alle schrien ihre Emotionen in die laue Prager Nacht.

Die Situation war insofern eine andere als damals in München. Diesmal gingen die Londoner mit einer gefühlten Niederlage als Rucksack ins Elfmeterschießen, die Bayern hingehen strotzten vor Entschlossenheit. Und dann sprach Pep Guardiola. Sammer beschrieb das so: "Es war eine Qualität, die erstaunlich war. Die Ansprache, was man tun soll, was man machen soll. Wer es dann am Ende macht, war nur ein Produkt der Ansage, es war unglaublich." Ob Guardiola die Schützen bestimmt habe? "Nach der Ansprache haben sich alle selber gefunden."

Zuneigung der besonderen Art

David Alaba, Toni Kroos, Philipp Lahm und Franck Ribéry trafen souverän, nur bei Xherdan Shaqiris Elfmeter war Petr Ceh dran, doch auch sein Schuss überquerte die Linie. So half es auch nichts, dass die Londoner mit Romelu Lukaku eine Art Drogba-Double als letzten Schützen einteilten. Er lief genauso lässig an. Doch diesmal traf Drogba alias Lukaku nicht, Manuel Neuer hielt und Bayern feierte seine größte anzunehmende Wiedergutmachung.

Es folgten die üblichen Jubelszenen und eine übliche Pokalübergabe an den FC Bayern. Und doch ging es über das übliche Jubeln hinaus. Nicht nur, dass der Supercup nach Angaben von Manuel Neuer "etwas schwerer" sei als die anderen Trophäen der Dauersieger. Der Sieg des schweren Pokals offenbarte eine Zuneigung der besonderen Art, die inzwischen Pep Guardiola entgegen gebracht wird. Und die Pep Guardiola seinen Spielern entgegen bringt.

Bevor Sportvorstand Sammer ein paar Meter vor dem Mannschaftsbus dem Trainer huldigte, hatte schon Franck Ribéry gesprochen. "Das war wichtig für Guardiola. Letztes Jahr haben wir alles gewonnen, das ist nicht einfach für Pep. Aber das ist ein richtig guter Trainer, er macht das sehr gut, wir sind sehr zufrieden mit ihm."

Dann kam der Beweihräucherte selbst auf das Podium - und schwärmte. "Wir haben unglaublich guten Fußball gespielt." Ob mit Ball, ob ohne Ball. 30 Torchancen habe seine Elf erspielt, ob "von außen oder von innen". Diesmal habe er bemerkt, warum die Spieler in der vergangenen Saison alles gewonnen haben: "Wegen ihrer Persönlichkeit."

Sogar einzelne hob er hervor, Toni Kroos zum Beispiel: "Die Kritiker sagen, in wichtigen Partien spielt er nicht gut. Aber das kann ich nicht sagen." Es folgte eine Hymne auf seinen Kapitän Philipp Lahm: "Er ist der intelligenteste Spieler, den ich je trainiert habe in meiner Karriere. Nur um ihn zu trainieren, bin ich schon froh, hier zu sein." Guardiola hat in Barcelona durchaus begabte und intelligente junge Männer betreut.

Dieser Abend in Prag hat das Gebilde des FC Bayern enger zusammengebracht. Die Triple-Sieger vom Mai und Juni hatten sich ja von dem neuen Trainer einige Veränderungen gefallen lassen müssen, und hätte Martínez den letzten Schuss nicht getroffen, Pep Guardiola hätte bereits den zweiten Titel nach dem deutschen Supercup gegen Dortmund verloren. Wäre da nicht vieles infrage gestellt worden?

Die Glückseligkeit der Prager Nacht könnte sogar die aktiven Fans des FC Bayern dem Klub wieder näherbringen. Zuletzt gab es wegen eines Streits um eine Sonder-Einlasskontrolle in München sogar einen Anfeuerungsboykott, doch diesmal machten die Fans des Rekordmeisters eine tolle Stimmung wie seit Jahren nicht. Pep Guardiola erfand dafür einen neuen Superlativ: "Die Fans waren unglaublich heute", sagte er, wie sie auch in der Verlängerung noch tanzten und sangen. "Das war super super super."

Obwohl es schon streng auf 1 Uhr zuging, stand Matthias Sammer eine ganze Weile vor dem Mannschaftsbus, und schlug mit seiner Faltenstirn einen Beteiligten nach dem anderen zum neuen Ritter des FC Bayern. Auch die Bedeutung dieses Supercups, den die Gewinner der Champions League und der Europa League ausspielen, erhielt eine neue Dimension: Der Pokal habe "einen Superwert", sagte Sammer noch. "Diesen Titel hat der FC Bayern noch nie gewonnen in seiner Historie. Damit haben sich die Spieler wieder ein Stückweit - unsterblich ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Sie gehen damit in die Geschichte ein."

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