FC Bayern gegen den BVB:Falsches Spiel zur falschen Zeit

Bayern München - Borussia Dortmund

Reicht die Vorleistung der ersten gemeinsamen Saison, um mit dem sogenannten Titeltrainer Ancelotti glaubwürdig in ein neues Jahr zu gehen?

(Foto: dpa)

Das Aus gegen Dortmund kommt für die Bayern im dümmstmöglichen Moment. Sie müssen sich nun fragen: Reicht ein Titel als Grundlage, um mit Carlo Ancelotti in ein weiteres Jahr zu gehen?

Kommentar von Christof Kneer

Dieses Bild hätte einen schon interessiert: Was hätte Carlo Ancelotti mit zwei oder sogar drei Pokalen auf dem Rathausbalkon gemacht? Hätte er ein Bein über die Reling geschwungen und "Wir sind die Besten von Deutschland!" geschrien wie der beneidenswert in sich selbst verknallte Louis van Gaal? Hätte er unverschämt gut ausgesehen und irritierend geschwiegen wie Pep Guardiola? Oder hätte er einfach die Trophäen hochgehalten und wäre dafür gefeiert worden wie der sympathische Jupp Heynckes, der noch einen weiteren Trumpf mit auf die Bühne brachte, nämlich den, der sympathische Jupp Heynckes zu sein?

Zu vermuten steht, dass der coole Vollprofi Ancelotti sich entschieden hätte, als cooler Vollprofi Ancelotti aufzutreten. Vermutlich hätte er auch sein vollständiges Repertoire an Gesichtsausdrücken präsentiert, er hätte also die linke Augenbraue hochgezogen. Und wahrscheinlich (aber: nicht sicher) hätte er zur Feier des Tages den Kaugummi weggelassen.

Aber gut, man wird's jetzt halt nie erfahren. Ancelotti wird weder drei noch zwei Titel präsentieren am Ende seiner ersten Saison in München, es wird auf jene eine Trophäe rauslaufen, an der man diesen FC Bayern im Moment auch nur schwer vorbeicoachen kann. Ja, es wird der fünfte Meistertitel in Serie werden, das hat in dieser Liga noch niemand geschafft, nicht mal van Gaal, der zwar nur zwei Jahre da war, was nach van Gaals Ansicht aber vermutlich kein Gegenargument ist.

Deutscher Meister FC Bayern, deutscher Meister Ancelotti: Si, claro, das wäre ein schöner gemeinsamer Erfolg - aber reicht das als Grundlage für einen weiteren gemeinsamen Lebensweg?

Gut möglich, dass Ancelotti ein paar prominente Könner spendiert bekommt

2:4 gegen Real Madrid, 2:3 gegen Borussia Dortmund: Eine einzige Woche hat ausgereicht, um jene Brücke zu beschädigen, über die der FC Bayern in die nähere Zukunft gelangen wollte. Denn das klang ja eigentlich nach einem soliden Plan: die nächste Saison mit einem Trainer Ancelotti anzugehen, der nach klubinterner Zählung zweieinhalb Titel geholt hätte - die Meisterschaft, den DFB-Pokal und ein bisschen auch die Champions League, die man ohne diese geschmacklosen Schiedsrichter-Pfiffe im Viertelfinale bestimmt gewonnen hätte.

Dazu das wohl letzte Münchner Jahr von Arjen Robben und Franck Ribéry: Dieses Modell hätte genug Identifikations- und Motivationspotenzial gehabt, um ein in die Jahre gekommenes Team noch mal zu straffen. Und nach der nächsten Saison hätten Klub und Trainer dann - in bestem Einvernehmen, si, claro - immer noch überlegen können, ob man sich gemeinsam ins verabredete dritte Vertragsjahr stürzen möchte. Oder ob man mit dem anstehenden Umbruch dann lieber einen jüngeren Trainer beauftragt, dessen Kernkompetenz nicht nur darin besteht, die besten und routiniertesten Spieler aufzustellen, eine sehr professionelle, aber nicht sehr originelle Taktik in Auftrag zu geben und den Spielern ansonsten viel Glück zu wünschen.

Die Partie gegen Dortmund war das falsche Spiel zur falschen Zeit. Unerwartet und im dümmstmöglichen Moment sehen sich die Bayern-Verantwortlichen nun mit zentralen Fragen konfrontiert: Reicht die Vorleistung der ersten gemeinsamen Saison, um mit dem sogenannten Titeltrainer Ancelotti glaubwürdig in ein neues Jahr zu gehen? Darf/soll/muss man dem Trainer mildernde Umstände zubilligen, wegen einer hinterhältigen Verletzungsserie und einer Leistung gegen den BVB, die selbstverständlich auch fürs Finale hätte reichen können? Oder braucht es nun schon früher einen frischen Impuls, ein Aufbruchsignal und somit einen jüngeren, kreativeren, energischeren Trainer mit grünem Daumen, der sich mit der Aufzucht und Hege von Talenten wie Kimmich oder Coman auskennt?

Es ist nie leicht, solche unternehmensstrategischen Fragen zu beantworten, aber besonders schwer ist es, wenn man nicht mal weiß, ob sich eine dieser Fragen überhaupt stellt. Denn wer sollte jetzt - im Sommer 2017 - dieser jüngere, kreativere, energischere Trainer sein? Julian Nagelsmann, Ralph Hasenhüttl, Thomas Tuchel und Jürgen Klopp wollen mit ihren Teams nächste Saison selbst Champions League spielen, und vor allem die beiden Ersteren haben keinerlei Grund, ihre gerade erblühende Reputation in einem anspruchsvollen und womöglich nervösen Großunternehmen aufs Spiel zu setzen. Gut möglich also, dass die Bayern bei der Suche nach einer Lösung in der eigenen Hauskultur fündig werden. Gut möglich, dass sie die Radikalität, die sie nach markanten Niederlagen gerne mal befällt, vom Trainer- auf den Spielermarkt umleiten - und dass sie Carlo Ancelotti ein paar prominente Könner spendieren, die er dann wunderbar aufstellen kann.

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