FC Bayern:Entspannung zur Geisterstunde

"Zufällig bin ich beliebt": Der souveräne Auftritt in Cluj erleichtert es Trainer van Gaal, den Streit mit Präsident Hoeneß zurückzulassen - denn sein Team funktioniert.

Andreas Burkert

Zur Geisterstunde in Transsilvanien federte die Lichtgestalt herein, sie grüßte jovial nach allen Seiten, und dann versah sie ihr Werk mal wieder im lässigsten Plauderton der Welt. Bis dahin war es recht verkrampft zugegangen im Bankettsaal des FC Bayern, Louis van Gaal und Uli Hoeneß saßen jedenfalls eine Dreiviertelstunde lang Schulter an Schulter am Vorstandstisch und ignorierten sich, so gut es halt ging. Vor allem der Trainer hielt sich beim Small Talk zu Filet Mignon oder Hermannstädter Salamiroulade partout an den Nebenmann rechts, den imposant gut gelaunten Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge.

Champions League - CFR Cluj - FC Bayern München

Champions League - CFR Cluj - FC Bayern München Bayern's Cheftrainer Louis van Gaal (l) und der Präsident des FC Bayern München, Uli Hoeneß, sitzen in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag (03.-04.11.2010) in Cluj (Rumänien) während des Festbanquets zusammen am Vorstandstisch. Die Veranstaltung fand im Anschluss an die Champions-League-Begegnung gegen Cluj statt, die der FC Bayern zuvor mit 4:0 gewonnen hat. Foto: Peter Kneffel dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

(Foto: dpa)

Und Hoeneß, der neben van Gaal saß, bevorzugte deshalb betont den Stuhlnachbarn links, Vizepräsident Bernd Rauch. Doch als Franz Beckenbauer buchstäblich erschien, sich neben Hoeneß setzte und bald den Trainer einbezog in seine launigen Vorträge, zeigte das noch mehr Wirkung als der Rotwein. Hoeneß und van Gaal redeten jetzt tatsächlich miteinander. Sie sahen sich sogar dabei an, und manchmal lachten sie. Es ist geradezu anrührend gewesen.

Den heftigen Streit zwischen dem Präsidenten Hoeneß und van Gaal haben die Bayern neben den Punkten aus dem schwungvoll herausgespielten 4:0 in Cluj natürlich trotzdem beim Rückflug im Gepäck gehabt. Aber ein paar Ressentiments sind wohl doch in Rumänien zurückgeblieben. Wie viele, das wird sich nach der nächsten Niederlage zeigen.

Der Dank für die leichte Entspannung der Lage gebühre weder Beckenbauer noch ihm, betont Rummenigge, der die beiden in Cluj zur Aussprache zitiert hatte ("nichts aussitzen, zwangsverhaften - sofort nach oben!"). - "Sondern den beiden Personen, die nun eine vernünftige Basis miteinander gefunden haben."

Van Gaal hat Hoeneß' Kritik irgendwo hinten in seinem Charakterkopf abgelegt. Er wird das nicht vergessen. Schon in den TV-Interviews vor und nach dem souveränen Einzug ins Achtelfinale der Champions League bekräftigte der 59-Jährige dies mit einem gereiztem Ton zur Sache Hoeneß. Aber am Donnerstagmittag klang er vor der Weiterreise nach Düsseldorf schon wieder wie ein kluger Mann, der sich mit der Situation arrangiert hat. "Was der Präsident gesagt hat, das ist nicht schön gewesen für mich", sagte er auf dem Airport von Cluj. "Aber okay, wir haben das ausgesprochen, und jetzt gehen wir wieder weiter."

Weshalb van Gaal - den Beckenbauer in seiner Rolle als TV-Experte von etwa 200 Sendern auch "mimosenhaft" nannte ("es ist ja keiner erschossen worden") - über seinen Schatten springt und im Gegensatz zu früheren Stationen nicht Konsequenzen zieht aus einem Affront, das war am Mittwochabend in einem zugigen Wellblechstadion zu erleben: seine Mannschaft funktioniert. Trotz der Verletztenliste. Und trotz der Unruhe. Im Profifußball gibt es keine Mannschaften, die für den Trainer spielen. Aber wie unbeeindruckt die Bayern gegen einen zugegeben nicht ebenbürtigen Gegner diese Herausforderung annahmen, und zwar trotz frühen Vorsprungs bis zum Schlusspunkt durch Müllers 4:0 (90.), und wie sie hinterher alle über van Gaal sprachen - das war zumindest bemerkenswert.

Van Gaal hat ja befürchtet, womöglich leide seine Autorität unter der Debatte. "Aber da braucht sich der Trainer keine Sorgen machen", sagte Philipp Lahm. "Man hat doch hier klar gesehen, dass wir das umgesetzt haben, was er wollte." Er habe deshalb auch keine Angst, dass van Gaal im Sommer hinwirft: "Ich weiß, dass für ihn das Wichtigste die Mannschaft ist - und die steht voll hinter dem Trainer." Sportchef Christian Nerlinger versicherte, das "Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer ist mehr als intakt, vielleicht ist man durch diese Sache sogar noch enger zusammengerückt". Der überragende Spielmacher Bastian Schweinsteiger entgegnete auf die Frage nach einem möglichen Autoritätsverlust van Gaals süffisant: "Bei uns nicht."

Der Trainer räumt ein, dass ihm die Reaktion der Mannschaft und ihr Auftritt erleichtere, die Sache zu vernachlässigen: "Zufällig bin ich bei meinen Spielern beliebt, das ist für einen Trainer natürlich gut." Zufrieden registriert er auch, dass nach dem Eklat ein Spiel glückte, auf das man nach den pragmatischen Vorstellungen im Oktober "mal wieder ein bisschen stolz sein kann".

Auch das Publikum in Cluj hatte ja nicht nur Schweinsteiger bei dessen Auswechslung mit Beifall verabschiedet; beim Ausmarsch erwiesen die Rumänen allen Münchnern lautstark ihre Bewunderung. Natürlich auch Mario Gomez, der Nationalstürmer hatte erstmals in seiner Karriere auf diesem Niveau drei Tore erzielt und kommt damit auf acht Treffer aus den letzten sechs Pflichtspielen. "Ich freue mich über den Moment, aber ich weiß, dass es weiter geht", sagt Gomez und bleibt zurückhaltend. Immerhin nannte es der Kritiker van Gaal erstmals "fantastisch", den Stürmer Gomez im Kader zu haben - für den er übrigens "unsere Spielweise verbessert" habe.

Das hörte sich mal wieder vermeintlich abgehoben an. Doch Gomez selbst erklärte, weshalb der Coach wohl wirklich nicht unbeteiligt ist an seinem Hoch. Van Gaal gebe neuerdings vor, "dass wir vorne nicht so draufgehen, sondern etwas zurückziehen sollen". So erhält Gomez den Platz, den er für sein Spiel braucht. Und so gilt in München mal wieder jene Formel, die Rummenigge in seiner Bankettrede von Cluj an den "lieben Louis" richtete: "Du musst nur gewinnen, dann ist alles in Ordnung."

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