FC Bayern:Der konsequenteste Fan von allen

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Erwin Goßner ist Anhänger der Roten aus Überzeugung - und der einzige weltweit, der sich das FC-Bayern-Haus bauen ließ. Gerald Kleffmann hat ihn besucht.

Man fährt über die A8, westwärts von München kommend, 100 Kilometer etwa, dann geht's raus, Ausfahrt Burgau, weiter übers Land, über Goldbach, Wettenhausen, Ellzee, Stoffenried, Schießen, im Städtchen Roggenburg liegt rechter Hand das schöne Kloster, um 1126 von Graf Bertold von Bibereck gestiftet, aber jetzt nur nicht ablenken lassen, das Ziel ist fast erreicht, noch wenige Hügel hinauf und hinunter, und da ist er schon, der Ort Meßhofen, in dem eine wahre Attraktion zu bestaunen ist, links hinein in die Kapellenstraße, 100 Meter, 200 Meter, und stopp, da ist auch er schon: der konsequenteste FC-Bayern-München-Fan, den es auf Erden gibt. Erwin Goßner.

Ein Mann, um die 45, dunkles Haar, Schnauzbart, kompakte Statur, öffnet die Tür, er lächelt freundlich. "Ham Sie gut hergefunden?", fragt er besorgt, und man tauscht sich einander begrüßend aus. Dann bittet er hinein in sein Haus, das viel mehr ist als ein Haus. Es ist eine Hommage, eine im wirklichen Wortsinn unverrückbare Ehrerbietung an den, wie Goßner im Verlaufe des Rundgangs stolz sagen wird, "besten Verein der Welt".

Auf Sendung in Thailand

Goßner hat sich hier, zwischen Krumbach und Illertissen, einen Strafraum weit neben seinem Elternhaus, so spontan einen Traum erfüllt, dass er heute noch staunt über seine rasche Entscheidung. 2002 hat er sich das weltweit einzige FC-Bayern-Fertighaus gebaut, das der Fußball-Bundesligist für kurze Zeit seinen Fans zum Kauf anbot. "Ich saß im Wirtshaus, habe im Bayern-Magazin geblättert, die Anzeige mit dem Haus gesehen", erzählt Goßner. Dann habe es Bumm gemacht: "Das Haus musste ich haben." Er bekam es. Sein Leben ist seitdem ein anderes.

"Ich erlebe die verrücktesten Dinge", sagt Goßner, und vor lauter Verrücktheit fallen sie ihm nicht gleich ein, er muss erst die Ereignisse sortieren, bis sie aus ihm sprudeln. Regelmäßig halten ja Autos mit fremden Menschen vor seiner Einfahrt, glotzen, knipsen, kichern, lachen, raunen, Wanderer kommen vorbei, zufälligerweise führt exakt an seinem Haus ein ausgeschilderter Wanderweg entlang. Auch Busse biegen schon mal in die Kapellenstraße ein, wie damals, als "eine Ladung Junggesellen Abschied feierte". Er habe die Männer zu sich gebeten, auf die Terrasse, "die waren alle angedudelt", er habe einfach mitgetrunken, gemeinsam wurde auf den FCB gesungen, es gibt ja kaum Schöneres, als miteinander die Fanliebe zu besingen, "Stern des Südens" war natürlich dabei. Goßner sagt: "Das war großartig." Negativ waren nur zwei Erlebnisse. Einmal wollten Dortmund-Fans sein Haus gelb ansprühen, er konnte die Strolche vertreiben. Und einmal klaute einer seine Fahne, er fand sie fünf Gärten weiter.

Und die Erlebnisse mit der Presse und den Medien erst. Mein Gott. "Wo soll ich da nur anfangen?"

Wie eine Welle fegten die Medien über ihn hinweg. Als die im Herbst 2002 spitz kriegten, dass es da jemanden gebe, irgendwo bei Ulm oder so, der sich ein Haus bauen lasse, das aussehe wie das Geschäftsgebäude des FC Bayern an der Säbener Straße in München, ging sie los, die Welle, noch vor dem Richtfest. Sat1 rief an, die Süddeutsche Zeitung rief an, die Südwest Presse rief an, der Bayerische Rundfunk rief an, noch mehr Zeitungen und Sender und Reporter riefen an, dann riefen Freunde und Bekannte an, die die Zeitungen gelesen und die Sendungen gesehen hatten - und gratulierten und fragten und redeten. "Ein Freund erzählte mir", erzählt Goßner, "dass er im Urlaub war und Deutsche Welle guckte. Und wer war im Bild?" Er, die Prominenz aus der Kapellenstraße 2A, war auf Sendung. In Thailand. "Eigentlich müsste ich 1 A haben, das passt besser zum FC Bayern", korrigiert Goßner. Das wäre in der Tat zu perfekt.

Aber auch so ist Goßner glücklich wie ein Junge, "ich bereue kein bisschen, dass ich das Haus habe". Seine Frau Charlotte, die heimgekommen ist und im Wohnzimmer auf der FC-Bayern-roten Decke Platz genommen hat, schweigt zunächst. Sie hat, wie sie später sagt, "kein Interesse am Fußball, auch nicht am FC Bayern", was die Geschichte noch spannender macht. Da lebt eine Familie, Mann, Frau, zwei Töchter, unter einem Dach, strikt getrennt in zwei Lager: Gläubige und Nihilisten. Die jüngere Tochter Nicole und er haben lernen müssen, ihre Leidenschaft so auszuleben, dass der Hausfrieden gesichert bleibt. Es funktioniert. Weil jeder Bereich klar definiert ist. In Gläubigen- und in Nihilistenzone.

Zum Richtfest bekam Erwin Goßner von Uli Hoeneß ein Bild von Bayerns Champion-League-Sieg 2001 geschenkt. (Foto: Foto: Goßner)

Fotocollage im Raucherzimmer

"So viel anders als andere Häuser ist das Haus ja nicht", sagt Goßner, aber vielleicht sagt er das, weil er jeden Tag darin lebt und die Besonderheiten verschwimmen. Schon die Anfahrt auf das Anwesen ist ein Ereignis. Von weitem ist die Fahne zu sehen, die an einem Mast auf der Terrasse hängt und je nach FCB-Resultaten mal oben weht, mal auf Halbmast oder gar nicht, wie nach dem 0:3 bei Werder Bremen in der vergangenen Saison, "da ging es mir schlecht", sagt Goßner und guckt übellaunig. Die Garage hat wie das Haus bayernrote Dachziegel, der Giebel ist bayernblau lackiert, es ist das Blau, das im FCB-Wappen auftaucht. Wer es nicht glaubt, das mit dem Blau, muss sich nur die großen Wappen ansehen, die auf dem Garagen- und Hausgiebel von Goßners Anwesen prangen.

Nicht nur außen, auch innen prägen Rot und Blau das Haus, allerdings nicht in allen Zimmern. Im Bad sind die Schalter rot, die Handtücher auch. Die Fliesen? Ein Traum in Bayernrot. Die Küche? Blau umrandet. "Aber im Schlafzimmer wollte das meine Frau nicht", sagt Goßner, der kein Problem damit hatte. Schließlich hat er seinen eigenen Raum bekommen, "das Raucherzimmer", das eine Mischung ist aus Hobbyraum und Devotionalienstube. An der Wand hängen Poster der Mannschaft aus verschiedenen Epochen und eine große Fotocollage, die hat Goßner von der Fertighausfirma bekommen, die Sponsor des FC Bayern war. Darauf zu sehen sind Szenen vom Champions-League-Sieg der Münchner 2001 in Mailand, "ich war dabei", sagt Goßner und strahlt.

Zeit seines Lebens war er Bayern-Fan, hat Beckenbauer und Müller im Olympiastadion gesehen, ist viel nach München gereist, obwohl die Strecke anstrengend ist, hat Auswährtsfahrten auf sich genommen, war natürlich in Barcelona, "das war ganz schlimm", der K.o. gegen ManU in der 92. Minute, unvergessen. Goßners Vergangenheit ist auch stets die Vergangenheit des FC Bayern, es gibt Tausende Fans, Hunderttausende, die in diesem Punkt so ticken. Er selbst ist Mitglied im heimischen FCB-Fanclub Red-White Dynamite. Aber keiner ging weiter als Erwin Goßner. Keiner sonst kaufte sich ein FC-Bayern-Haus für 190.000 Euro. Dass er kein vermögender, sondern hart schuftender Schichtarbeiter in einer Schwermetallgießerei ist, nicht mehr oft nach München in die Arena kommen kann und seit sieben Jahren nicht mehr im Urlaub war, gibt seiner Geschichte eine ganz besondere Note.

Möglicherweise ist es genau diese rührige Mixtur aus Loyalität, Leidenschaft und Selbstlosigkeit, die einen wie Uli Hoeneß immer wieder packt und Dinge tun lässt, die andere verwöhnte Darsteller im Profifußball niemals tun würden. Hoeneß, der Bayern-Manager, ist persönlich zum Richtfest gekommen, "der Beckenbauer hätte kommen können", erinnert sich Goßner, "aber Hoeneß war mir der Liebste". Hoeneß ist für die Fans einer wie sie, einer, der redet, wie ihm das Herz die Sprache vorgibt, "wenn der Uli schwätzt, hat des Hand und Fuß", schwärmt Goßner, detailliert beschreibt er bei dieser Gelegenheit, wie sie - das Wohnzimmer war noch nicht fertig - dort eine Pressekonferenz abgehalten haben, mit Namensschildern auf den Tischen. Links Goßner, rechts Uli. Er darf Uli sagen, "er hat mir das Du angeboten". Denkt er an die PK, spürt er es am Körper. "Ich krieg da jetzt noch eine Gänsehaut", sagt Goßner. Von hinten ruft seine Frau: "Es war so voll im Wohnzimmer, dass ich nicht mal reingelassen wurde." Ein Mitarbeiter der Hausbaufirma hatte einfach die Tür vor ihr zugemacht.

Frau Goßner aber lächelt, ihr war der Trubel damals egal. Selbst Hoeneß müsse sie nicht nochmal wiedersehen, aber ihr Mann, was würde der geben! Alle seine Kochkünste zum Beispiel. "Ich würde ihm einen Schweinbraten machen, einen Kuchen backen, was er will", sagt er, Hauptsache, der Uli kommt nochmal, das habe er ihm ja "in die Hand versprochen", dass er das tue. Dann würde Goßner ihm seine selbstgemachten Würste anbieten und fragen, ob die Bayern nicht mal Fliesen mit Spielerköpfen darauf für die Küche anbieten wollen, "das ist eine Marktlücke", und ob es ein Bayern-Auto geben wird, "ich würde das kaufen".

Das glaubt man Erwin Goßner sofort, der sich höflich verabschiedet. Die Schicht beginnt bald. Und gerade als man schon den Motor anlassen will, um wieder Richtung München zurückzukehren, kommt er doch noch mal angerannt und ruft: "Und richten Sie Uli Hoeneß, falls Sie ihn sehen, frohe Weihnachten aus."

© SZ vom 22.12.2007/lsp - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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