FC Bayern: Champions League:Der beste zwölfte Mann

Hamit Altintop soll im Champions-League-Finale den gesperrten Franck Ribéry ersetzen - auf seine ganz besondere Art. Auch deshalb wird er in München bleiben.

Andreas Burkert

Seine Mutter wird nicht nach Madrid kommen, "nein, Mama nicht", sagt Hamit Altintop. Sie mag den Trubel nicht. Aber sie wird schon hinschauen am Fernseher, daheim in Gelsenkirchen, wie sich ihr Zweitjüngster schlägt in seinem größten Spiel, Samstag gegen Inter Mailand. Hamit Altintop, eines von fünf Kindern, die Merydem Altintop allein großzog, nachdem sie 1972 aus Malatya in der Osttürkei ins Ruhrgebiet zog und der Ehemann und Vater zwei Jahre nach der Geburt Hamits an Krebs starb, dieser im bisherigen Saisonverlauf des FC Bayern eher unauffällige Mittelfeldspieler soll im Champions-League-Finale den gesperrten Star Ribéry ersetzen. Er sagt: "Ich freue mich darauf, weil wir ein ganzes Jahr extrem hart darauf hingearbeitet haben."

Hamit Altintop FC Bayern, Getty

Stimmungskanone: Hamit Altintop betätigte sich nach dem Pokalsieg als Lautsprecher.

(Foto: Foto: Getty)

Man muss wohl auch seinen privaten Hintergrund kennen, um zu verstehen, weshalb Altintop, 27, die erste Option von Trainer Louis van Gaal ist. Und weshalb der Deutschtürke mit einer Art auf seine Chance gewartet hat, die mit dem fußballdeutschen Wörtchen "professionell" nicht angemessen umschrieben wäre. Er weiß, wo er herkommt, das klingt oft abgegriffen bei einem Profi, zumal bei einem, der 49 Länderspiele absolvierte, dazu 162 Ligapartien und der seit seinem Wechsel zu Bayern drei Titel gewann.

Begeistert vom Musterprofi

Als Schalker Ergänzungsspieler war er 2007 nach München gekommen und setzte sich im ersten Jahr überraschend durch unter Trainer Ottmar Hitzfeld (ehe er sich im März 2008 einen Mittelfußbruch zuzog). Ein stolzer Kerl wie er möchte spielen und nicht der Notnagel sein wie diese Spielzeit: nur zwei Ligaspiele über 90 Minuten, der Rest waren 13 Kurzeinsätze. Ein einziges Mal hat er von "frustrierenden Tagen" gesprochen in all den Monaten, das war nach dem Hinspiel gegen Manchester (2:1), als Altintop nach tristen Wochen auf der Bank plötzlich in der Startelf auftauchte: rechts im Mittelfeld, weil Arjen Robbens linke Wade einen Einsatz nicht zuließ.

Klar, vor dem großen Spiel möchte er über Frust nicht reden, "aber das war ungewohnt", sagt er "ich konnte einige Dinge nicht einordnen - jetzt kann ich es". Er belässt es ansonsten bei der Aussage, alle hätten "schon seit Wochen persönliche Eitelkeiten zur Seite gelegt, das macht ein Kollektiv aus". Beim FC Bayern haben sie schon geredet mit Altintop, der Vertrag endet zum Juli, und sie haben ihm versichert, wie begeistert sie sind vom Verhalten dieses Musterprofis, der sich nicht in den Schmollwinkel zurückzog, als er nicht erste Wahl war. Der vielmehr lauerte auf seine Chance und auch im Halbfinale in Lyon (3:0) für jedermann sichtbar seinen Wert herausstellte - diesmal als draufgängerischer, fleißiger Ersatz für Ribéry auf links.

Bayern will Altintop nicht gehen lassen

Diesen besten zwölften Mann werden die Bayern nicht gehen lassen, "wir sind in sehr, sehr guten Gesprächen mit seinen Leuten", betont Präsident Uli Hoeneß. Auch diese Leute, seriös anmutende Herren aus Altintops Beraterbüro, geben ganz klar zu verstehen, dass der Klient verlängern werde, trotz Offerten aus England, Spanien und Italien. Hamit Altintop sagt knapp, er habe mit dem Klub "sehr, sehr gute Gespräche gehabt".

Für so jemanden wie Altintop soll auch künftig Platz sein beim FC Bayern, der gerade in diesen Wochen der Triumphe den inneren "Zusammenhalt und Mannschaftsgeist" (Kapitän van Bommel) beschwört. Das Finale sei für die Mannschaft und auch für ihn eine riesige Sache, "denn wenn man ehrlich und zielstrebig arbeitet und auch die Qualitäten hat, wird man am Ende belohnt", sagt Altintop. So sieht er sich. Und so sehen ihn auch die Bayern. Bastian Schweinsteiger etwa erinnert sich an das Rückspiel in Lyon, wo Altintop überraschend die linke Seite besetzte. Das letzte Mal hatte er 2003 im linken Mittelfeld gespielt, unter dem Trainer Hannes Bongartz. Regionalliga mit Wattenscheid 09.

Stimmung hinten im Bus

Altintop zeigte, wie schon gegen ManU, eine starke Vorstellung, "deswegen haben wir volles Vertrauen in den Hamit", sagt Schweinsteiger, zumal das ein Supertyp sei. Denn nach Lyon kam ja Bochum, und Altintop schaute wieder nur zu. "Da spielt er einfach gar nicht", sagt Schweinsteiger - "aber er macht keine schlechte Stimmung." Im Gegenteil, erzählt Philipp Lahm, unterwegs lege neben Anatoli Timoschtschuk "der Hamit für uns hinten im Bus Musik auf, alles Mögliche, eher nichts für den täglichen Gebrauch: etwas Schnelleres halt".

Auch beim Pokalfinale gegen Bremen hat man gesehen, dass Altintop beim FC Bayern inzwischen einen ähnlichen Stellenwert hat wie früher sein Vorgänger im rechten Mittelfeld, Hasan Salihamidzic. Der lief auch stets unbeirrt die Linie entlang und machte die Stimmungskanone. Im Berliner Olympiastadion gab Altintop hinterher mit dem Megaphon den Rhythmus vor für die hüpfende Menge. Man erinnerte sich in diesem Moment an einen Satz, mit dem der gebürtige Gelsenkirchener 2003 nach der Unterschrift in Schalke erstaunt hatte. Klar sei er glücklich über den Transfer, sagte Altintop, "aber mein Lieblingsverein ist eigentlich Bayern München".

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