FC Bayern:Bitte lächeln!

Mit seinem Selfie-Torjubel beim 2:0 gegen Mönchengladbach eröffnet Douglas Costa eine Debatte darüber, was in der Euphorie erlaubt ist - dabei war die Idee auch Ausdruck seiner zurückgewonnenen Spielfreude.

Von Benedikt Warmbrunn

Nachdem alles gesagt war, nachdem sich einige amüsiert hatten, nachdem sich einige mehr aufgeregt hatten, hatte Carlo Ancelotti für die Diskussion immer noch ein Lächeln übrig. Blick in die Kamera, Zähne zeigen, Augenbraue hochziehen, fertig war das letzte Selfie an diesem Abend. Der Fan, der den Trainer des FC Bayern um dieses Foto gebeten hatte, blickte stolz in sein Handy. Carlo Ancelotti verließ zufrieden den Presseraum der Münchner Arena.

Schiedsrichter Jochen Drees urteilte: "Ich finde das eigentlich eine nette Sache."

Der FC Bayern ist am Wochenende zu alter Form zurückgekehrt, das war schon allein daran zu erkennen, dass das 2:0 (2:0) gegen Borussia Mönchengladbach nach dem Abpfiff relativ nebensächlich war. Und dass es vor allem um ein bereits früher gefertigtes digitales Selbstporträt ging.

Es lief die 32. Minute, Douglas Costa hatte Sekunden zuvor den Endstand erzielt, nun trabte er zur Tribüne, zu seinem Cousin und zum Freund seiner Schwester. Ein Handy wurde ihm gereicht, Blick in die Kamera, Zähne zeigen, dazu noch die Hang-Loose-Geste der Surfer, fertig war das umstrittenste Selfie des Abends. Costa trabte zufrieden zurück auf den Rasen.

In den sozialen Netzwerken, für die das Foto geplant war, begann schon mit dem Klick eine leicht hysterische Debatte darüber, ob das nun lustig, unnötig oder gar unsportlich war, und dieser Debatte entkam auch im Stadion niemand. "Für mich wäre das nichts. Es ist eine Typ-Frage. Aber wenn er immer trifft, dann kann er von mir aus 100 Selfies die Saison machen", sagte Mats Hummels. Klubboss Karl-Heinz Rummenigge beschwichtigte, er sehe das nicht so dramatisch, ohnehin erwarte er, dass bald ein Spieler während der Partie etwas auf Facebook "tickert". Und Carlo Ancelotti schlug vor: "Vielleicht kann er mich das nächste Mal rufen, dann machen wir zusammen ein Foto."

Gegen diesen Wunsch hätte zumindest Jochen Drees, der Schiedsrichter vom Samstagabend, nichts einzuwenden. Dem "ARD-Hörfunk" sagte er über Costas Jubel: "Für uns ist entscheidend, ob er den Zaun erklommen hat. Oder abfällige Gesten macht. Es gibt im Regeltext keine Passage, dass er kein Selfie machen darf." Deswegen habe er Costa nicht mit einer gelben Karte bestraft. "Ich finde das eigentlich eine nette Sache. Es tut niemandem weh, und er hat das Spiel nicht verzögert." Ein Spiel übrigens, dass Costa nicht nur mit seinem Selfie bereichert hatte.

Ein knappes Jahr ist es her, da schien Douglas Costa auf dem sicheren Weg, eine der größten Attraktionen des Weltfußballs zu werden. Übersteiger, Überlupfer, Überholer, der Brasilianer beherrscht alle Elemente des modernen Schnicki-Schnacka-Fußballs, und er scheute sich auch nicht, all diese Elemente in sein Spiel einzubauen. In den ersten sieben Spielen der vergangenen Saison war er stets an mindestens einem Tor beteiligt, eines hatte er selbst erzielt, zehn weitere vorbereitet. Ende November allerdings verletzte er sich, er kam zurück, es kamen aber auch die Spiele gegen größere Gegner. Costa zeigte weiter all seine Tricks, aber er verwirrte nicht mehr seine Gegenspieler, sondern seine Mitspieler. Was im Herbst genial war, war nun chaotisch. Im Sommer verletzte er sich am Oberschenkel, er verpasste die Olympischen Spiele in seiner Heimat und musste mitansehen, wie auf seiner Position Franck Ribéry die Freude am Spiel zurückgewann. Am Samstag nun stand Costa, 26, erstmals unter Ancelotti in der Startelf, und er nutzte die taktische Ausrichtung des Trainers, um wieder der eigenen Kreativität zu vertrauen. Ancelotti lässt seinen Außenbahnspieler ja die Freiheit, ins Zentrum zu ziehen, das hatte Ribéry zu nutzen gewusst, zuletzt in der Champions League gegen Eindhoven Arjen Robben, nun auch Costa. Er wechselte mit Robben die Seite, links dribbelt er lieber, rechts flankt er lieber. Diese Rochaden waren Teil des Plans, im Zentrum gelegentlich ein Vakuum zu erzeugen, auch Stürmer Robert Lewandowski rückte nach außen. In die Mitte konnte dann ein Spieler stoßen, häufig Arturo Vidal, der das erste Tor erzielt hatte (16.).

Und auch Costa zog es immer wieder ins Zentrum, er wedelte dann mit den Füßen, er wackelte mit den Beinen, schon hatte er seine Verteidiger abgeschüttelt. Mit Costas Tricks ist es ja wie mit seinem Selfie-Jubel. Manche begeistern sie. Manche finden sie unnötig. Manche finden sie sogar unsportlich. Dazu zählt sich wohl auch Borussen-Manager Max Eberl, er sagte über Costa und dessen Künste: "Mich hätte er nicht als Gegenspieler haben sollen."

Für Carlo Ancelotti ist die Situation dagegen ausgesprochen angenehm. Mit einem Costa in der Herbstform von 2015 kann er sich auf den Flügelpositionen aus einem scheinbar unerschöpflichen Reservoir bedienen. Rechts scheint Robben zurzeit gesetzt zu sein. Links könnte Costa spielen. Oder wie gegen Eindhoven Thomas Müller. Oder Franck Ribéry, der nach seiner Oberschenkelverletzung in dieser Woche wieder ins Training einsteigt.

Einer dagegen trottete in der 83. Minute etwas übellaunig zur Ersatzbank. Er wusste, dass er nicht mehr eingewechselt werden konnte. Er wusste, dass er auf den Außenbahnen zurzeit nicht wirklich benötigt wird. Auf dem langen Weg zur Bank ignorierte Kingsley Coman sogar die Handys der Fans, die nur zu gerne ein Selfie mit ihm gemacht hätten.

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